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Von Monteverdi bis Bartok

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Als der Wiener Jeunesse-Chor vor ein paar Jahren Claudio Montever-dis „Vespro della Beata Vergine“ in sein Repertoire aufnahm und mit der herrlichen Sonata „Sancta Maria, ora pro nobis“, dem Hymnus „Ave maris Stella“ und dem imposanten „Magni-ficat“ zu einer grandiosen Einheit koppelte, tat er einen vorzüglichen Griff. Mittlerweile ist die Interpretation des schwierigen Werkes in Günther Theurings Händen sozusagen gewachsen; manche Partie kommt heute gegenüber früheren Aufführungen monumentaler, straffer heraus, andere pointiert er linear durchsichtiger, differenzierter und mehr auf fein schattierte Details hin. Jedenfalls konnte man konstatieren, daß die letzte Wiedergabe im Großen Musikvereinssaal anläßlich des 400. Geburtstages Monteverdis unerhört reif, klar, in harmonischen Proportionen geriet: Das Gesangssextett (Eki Katanosaka, Meriel Dickinson, Werner Krenn, Peter Baillie, Ladislav Illavsky und Kurt Ruzicka) gestaltete die anspruchsvollen Solopartien technisch akkurat, intensiv und ausdrucksvoll. Der Wiener Jeunesse-Chor sang die ausladenden Sätze mit präziser Artikulation, vorzüglicher Registermischung und beachtlicher Homogenität. All die vielfältigen kompositorischen Probleme und Techniken vielstimmigen Satzes, formaler Organisation und manieristisch-pretiöser Verzierungskünste wurden da von Theuring in den Hintergrund gedrängt, so daß der dominierende Eindruck vom festlich gesteigerten religiösen Erlebnis ausging. Die Tonkünstler gaben in dieser schlechthin perfekten, im ganzen sehr ausgeglichenen Aufführung ihr Bestes. Karlheinz Zanetti

Das fünfte und letzte Konzert im Symphoniker-Zyklus wurde von Wolfgang Sawallisch geleitet. Im ersten Teil spielte der knapp 30jäh-rige, in Deutschland geborene und in Washington ausgebildete Amerikaner italienischer Abstammung, Michael Ponti, der seit 1954 ein gutes halbes Dutzend internationaler Preise eingeheimst hat, das 2. Klavierkonzert von Bela Bartök. Zu Recht, so scheint uns, hat der junge Mann die vielen Preise erhalten, zumindest was seine Technik und die Kultur des Anschlags betrifft, der nie grobmechanisch wird — wozu gewisse Stellen gerade in diesem Konzert leicht verführen können. Von sedner Persönlichkeit kann nach diesem ungewöhnlichen Debüt noch nichts gesagt werden. — Bartöks 2. Klavierkonzert, 1930 bis 1931 enstanden, ist ein Meisterwerk von der ersten bis zur letzten Note: in den Proportionen und im „timing“, in der ebenso kräftigen wie raffinierten Verteilung der Klangfarben, in der Dichte seiner Faktur und, nicht zuletzt, durch die wahrhaft inspirierten und plastischen Themen, die man neuerdings entbehren zu können meint. Das halbstündige, überaus konzise Werk entstammt der besten Periode in Bartöks Schaffen, in der ihm die Amalgamierung von Folklore und urbanistischer Nervenkunst am vollkommensten geglückt ist. Der junge Solist, der Dirigent und das Orchester wurden minutenlang lebhaft gefeiert. Hoffentlich haben alle, die da so ausdauernd klatschten, auch des großen toten Komponisten gedacht. — Den zweiten Teil des Programms bildete Bruckners 5. Symphonie, deren Interpretation durch die Symphoniker wir an dieser Stelle wiederholt gewürdigt haben. H. A. F.

Man konnte sich nichts Wienerischeres von hoher Geistigkeit und Kunst und Gemütstiefe denken als das Konzert der Wiener Philharmoniker unter Dr. Karl Böhm mit den beiden Symphonien Nr. 5 (B-Dur) und 7 (C-Dur) von Franz Schubert. Die „Fünfte“, kammermusikalischen Charakters und von jugendlicher Frische, noch umweht von den Spuren Haydns — und dennoch formvollendet in ihrer Art, leicht hingeworfen in der ebenso gelockerten wie präzisen Wiedergabe —, und die neben Beethoven zur (völlig anders gearteten) Großform aufgewachsenen „Siebente“, die Symphonie seines letzten Lebensjahres, erst 1839 von Schuman aus Schuberts Nachlaß entdeckt und erst 1839 unter Leitung Mendelssohns uraufgeführt. Ein Weltbild des wienerischesten aller Komponisten mit aller Tragik und Ergebung und Lebensfreude mitten drunter. Und dies in einer Wiedergäbe, die wienerischer war, als Karl Böhm bisher musizierte. Es war ein Fest, aus dem Wien in die Welt klang, ein philharmonisches Fest. Die Begeisterung der Zuhörer — nur ein Tropfen davon hätte vielleicht Schuberts kurzes Leben verlängert.

Mit je vier Chorliedem von Franz Schubert und Robert Schumann begann das Konzert des Wiener Schubertbundes, geleitet von Heinrich Gattermeyer. Hier lag bereits der erste Höhepunkt des Abends: Schumanns „Ritornell“, das mit Rudolf Katzböck als Solisten (Bariton) eine vorbildlich schöne Wiedergabe erlebte. Allerdings hatten „Die Minnesänger“ die breitere Wirkung. Der übrige Teil des Programms war dem Schaffen der Gegenwart gewidmet. „Mutter und Kind“ von Karl Kettner (Uraufführung) ist ein wogendes Singen und Klingen, wie es heute selten noch komponiert wird, mit Wissen um Chorklang, Steigerung und Abgesang und mit Blick auf die Moderne. Der sechs-stimmige Männerchor mit Klavierbegleitung „Wonne der Wehmut“ von Karl Lett bleibt in gewohnter Klangwelt, füllt sie jedoch mit sehr persönlichem Ausdruck (Uraufführung). Alfred Spannagels „Ein Bergreihen“ (a cappella, Uraufführung) sucht und findet volkstümliche Wirkung bei sauberster und profilierter Satzweise. Als Wiederholung dirigierte der Komponist die letzte Strophe unter großem Beifall persönlich. Der Chor „Heimat“ des 80jährdgen Karl Geyer ist dem damaligen Klangideal verbunden. Zwei Volkslieder, ein jugoslawisches und ein belgisches, bildeten den zweiten künstlerischen Höhepunkt der Wiedergaben. „Mondhochzeit“, Satz von Franz Burkhart, und „Voici le joili moi d'avril“, Satz von Eberhard WürzI, mit Franz Donner (Tenor) und Rudolf Katzböck (Bariton) als Solisten waren stimmlich und ausdrucksmäßig apart registriert. Mit Otto Siegls Liederwerk „Wanderschaft“, das bewußt einfach ist und auch Volksliedweisen glücklich zu verwenden weiß, schloß der interessante Abend.

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