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Philharmoniker, Gäste, Zeitgenossen

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Ein reines Barockprogramm, zwei Concerti gross! Händeis (op. 6/7 und 10), seine „Feuerwerksmusik“ und Bachs D-Dur-Suite Nr. 3, präsentierten die Wiener Philharmoniker unter Karl Richter in ihrem 7. Abon-nementkonzert im Musikverein: Wie fast immer unter Richter war es auch diesmal ein Bekenntnis zu spätromantischem Musizieren. Emotionelle Steigerungen haben vor Eigenheiten der historischen Aufführungspraxis bei Richter fast immer Vorrang. Seine Wahl der Tempi, die Art, wie er die Streicher Phrasen oft recht unregelmäßig ausspielen läßt (Punktierungen!), sein stellenweise bewußtes Ignorieren barok-ker dynamischer Verhältnisse läßt seine Wiedergabe oft seltsam altmodisch klingen, ganz so als wollte er etwa die Bach-Forschung der letzten Jahrzehnte gar nicht zur Kenntnis nehmen Und man kann sich eigentlich nur immer wieder fragen, ob es heute überhaupt noch sinnvoll ist, ein Werk wie die 3. Suite in pathetisch-romantischer, also eigentlich den Zugang zum wirklichen Klang des Werks eher verstellender Art zu musizieren, wo man bei Ensembles wie Hamoncourts Concentus musi-cus stilistisch beispielhaft erarbeitete Wiedergabe hören kann.

Dem jungen Isreali Eliahu Inhal, einem „Cantelli“-Preisträger und nun Ohef des Hessischen Rundfunksinfonieorchesters, geht seit geraumer Zeit hervorragender Ruf voraus. Nun debütierte er im Musik-verein mit Verdis „Quattro pezzi sacri“ mit den Symphonikern und dem Sinfifuerein. Inhal wies sich dabei als fabelhaft musikalischer, wenn auoh im Temperament oft etwas ungezügelter Künstler aus. Etwas Vulkanisches brodelt in seinen Wiedergaben. Mit großen Gesten holt er Themen, Bögen aus dem Orchester herauf, inszeniert er Steigerungen am Rande, Details bleiben allerdings manchmal auf der Strecke. Theatralisch-effektvoll geriet ihm zum Beispiel das „Staibat mater“ und das Tedeum; ein bißchen äußerlich und wenig modelliert wirkte das Ave Maria, obwohl überall deutlich die feinfühlig ordnende Hand des Chorchefs Helmuth Froschauer spürbar war. Recht oberflächlich klang allerdings seine Begleitung in Beethovens Es-Dur-Klavierkonzert: Claudio Arrau, einer der imponierend-sten Pianisten der alten Garde, spielte es bewundernswert schlicht, mit weichem, klarem Anschlag. So kultiviert-noble Wiedergaben sind heute bereits allzusehr eine Seltenheit. R. W.

Konzerte auf der Posaune und der Pikkoloflöte gehören für gewöhnlich nicht zum Alltag des Musikfreundes. Im jüngsten „Jeunesses“-Abend wurde es Ereignis. Anlaß dazu war das Martinu-Kammerorchester aus Brünn, das sich mit einer blendend studierten, musikalisch präzise und federnd gespielten Sinfonia von Franz Benda vorstellte und mit Vi-valdis Concerto grosso op. 6/3, c-Moll, schwungvoll verabschiedete. Dazwischen gab es die seltenen Genüsse: In Vivaldis Flötenkonzert „II Gardellino“ vermißte man doch sehr den Dirigenten; der ausgezeichnete Solist Wolfgang Schulz war in ein metrisches Korsett gepreßt, das keine Entfaltung seiner künstlerischen Persönlichkeit zuließ. Mit Vivaldis Konzert für Pikkoloflöte, op. 44/11, erntete er dann aber doch seinen verdienten Triumph mit prächtigen Legatobögen. — Rudolf Josel hatte sich für seine Posaune zwei wenig bekannte Meister ausgesucht: Georg Christoph Wagenseil und Johann Georg Albrechtsberger. Wagenseil, eigentlich Klavierkomponist, lieferte bei weitem die bessere Musik als der Theoretiker und Beethoven-Lehrer Albrechtsberger. Josel begeisterte jedenfalls durch die virtuose Flexibilität, die er seinem an und für sich spröden Instrument abgewann. Schließlich blies er ja eine moderne Posaune ...

Wenn das jüngste Konzert der Musikhochschule einen Fehler hatte, darm den eines eindeutigen musikalischen Qualitätsgefälles. Das hat aber nichts mit der Interpretation zu tun. Allen voran in der lobenswerten Qualität ist Karl Österreicher zu stellen; wie er dirigiert, das ist schon ein pädagogischer Genuß beim Zusehen; und wie sein Hochschulorchester Mozart spielte, das war wirklich musterhaft: exakt, durchsichtig und beweglich, voll Wärme. Yoko Ohashi, eine anmutige Japanerin, blies mit faszinierender Sicherheit und herrlich beseeltem Ton das Flötenkonzert D-Dur, KV 314. Was ihr fehlt, ist vielleicht Humor oder musikalische Intelligenz; der Ernst im Schlußsatz könnte aber auch ganz einfach doch auf ein bißchen Angst beruhen ... Als ein richtiger junger Star entpuppte sich Eckhard Seifert: Dvoraks Violinkonzert erfüllte er mit Feuer und Musikalität; sein Strich ist kultiviert, seine Griffsicherheit beeindruckend. Daß die alte italienische Meistergeige, die ihm Walter Weller geborgt hatte, noch etwas kühl klang, kann mit Seiferts Jugend zusammenhängen: mit Zweiundzwanzig trägt man „Schlankheit“. — Leuchtend, wenn auch nicht groß, war der Ton von Rudolf Leopold in d'Alberts Cellokonzert op. 20. Aus übergroßer Bescheidenheit und falsch verstandener Kammermusikgesinnung trat er in den Arpeggien zu stark hinter dem Orchester zurück. Ein Sonderlob gebührt der ausgezeichneten Klarinette in der Einleitung. — Den Abschluß bestritt wieder ein Ausländer: Der Mexikaner Oscar Tarragö ist fast noch ein Kind. Im 3. Klavierkonzert von Rachmaninow verblüffte er mit seiner artistischen Geschicklichkeit. Wenn er auch noch den Anschlag kultiviert, ist da für die Zukunft allerhand zu erwarten. *

Erstaunlich guter Besuch und ein ebenso erfreuliches Niveau der Interpretation lassen hoffen, daß das Konzept des neuen 1. Vorsitzenden der ÖGZM, Heinrich Gattermeyer, aufgeht, jungen Interpreten und kaum gespielten Komponisten eine Ghance zu geben. Die fleißige Eveline Karoh-Mensik jedenfalls wußte sie bereits zu nützen. Als Begleiterin und Solistin war sie im Brahmssaal fast pausenlos eingesetzt und machte ihrem Lehrer Dr. Hans Weber alle Ehre. — Ferdinand Weiss blies seine „Suite für Flöte und Klavier“ selbst. Das beste an ihr scheint allerdings nur die Idee, alten Tanzformen parodierend neuere gegenüberzustellen. Gehört hat man es nicht. — Paul Konts knapp gefaßte, fantasiereiche „Tänze für Klavier“ und Gatter-meyers überzeugend pianistische und farbstarke „Sechs Klangstudien für Klavier“ gefielen wesentlich besser. Hochmusikalischer Interpret seines eigenen Werkes war Walter Nuss-gruber. In den „Zehn Klavierstücken für S. C R. J.“ spürt er einem „fernen Klang“ nach und bekennt sich zur Auseinandersetzung mit der Klangwelt Skrjabins. Der Neuling in diesem Kreis, Georg Aranyi-Aschner, verleiht seiner „Rhapsodie für Klarinette und Klavier“ (rotz B-A-C-H-Ghromatik stimmungsvollen folkloristischen aus der ungarischen Heimat; sollid war die Leistung des jungen Solisten Werner Schranz. Mit „Zwei Balladen für Klavier, op. 93“ von Norbert Sprongl schloß der begrüßenswerte Abend: auch Kleinmeister brauchen Kontakt mit Interpreten und Publikum.

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