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Orchester aus Berlin und Genf

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An je zwei Abenden konzertierten im Großen Musikvereinssaal die Berliner Philharmoniker unter Herbert von Karajan und das Orchestre de la Suisse Rom an de unter der Leitung des 79jährigen Ernest Ansermet, der dieses berühmte Ensemble 1918 gründete und seither leitet.

Die Berliner spielten in ihrem ersten Konzert Beethoven und Richard Strauss („Ein Heldenleben“) und im zweiten Konzert Bachs h-Moll-Suite mit Karajan am Cembalo und Karlheinz Zoll er als Solisten. Dieser dem Orchester als Soloflötist angehörende junge Virtuose handhabt seine goldene Höte mit wahrhaft verblüffender Geschicklichkeit und Geschwindigkeit (letzter Satz: Badineriel). In D e-bustys- „Prelude a l'apres-midi d'un fauneT und auch in der das Konzert be-scMieflendem zweiten Suit Balfeti'.;0pmiis und OAo, tige Solopartien hat, zeigte er die gleiche Virtuosität, aber einen etwas kleinen, trok-kenen Ton. Unter Karajans Leitung verwandelte sich Debussys zartes Stimmungsbild in ein Tongemälde, Ravels Ballettmusik in hochdramatische Programmusik, die am Schluß in eine wahre Klangorgie mündet So wurde aus der Apotheose des Tanzes, der bei aller Wildheit doch etwas Freudiges behalten soll, eine etwas überhitzte und tumultuöse Angelegenheit. Das brillante und wohlstudierte Orchester folgte jedem Wink des Dirigenten und musizierte am schönsten in Strawinskys an Einzelschönheiten reicher, im ganzen aber etwas akademisch-trockener Symphonie in C aus den Jahren 1937 bis 1940. (Wohl zu unterscheiden von der sehr bedeutenden 1945 geschriebenen „Symphonie in three Movement“, die gleichfalls in C s-teht.)

DasOrchestredelaSuisseRo-m a n d e leitete jedes seiner beiden Konzerte mit einem Werk der Wiener Klassik ein (Mozarts Prager Symphonie und Haydns Symphonie D-Dur Nr. 86). Beide Werke wurden sauber, stilecht und mit einem sehr charakteristischen singenden Legate vorgetragen. Bei der Interpretation impressionistischer Werke, für die dieses Orchester seit vielen Jahren besonders spezialisiert ist, kommt es Ansermet weniger auf subtilste Farbnuancen und die schillernde, glitzernde Oberfläche, als auf klare Gestaltung der auch bei diesen Kompositionen vorhandenen Formen und Strukturen an. Das gelang dem großen alten Mann, der eine historische Gestalt der zeitgenössischen Musik ist, ebenso überzeugend in Debussys „Iberia“ und in „La mer“ wie in Strawinskys „Feuervogel; dessen zweite Konzertfassung von 1919 Ansermet und seinem Orchester gewidmet ist. — Wie klanggewordene Architektur, großflächig, monumental und pathetisch, hört sich die dreiteilige Suite aus dem Melodram „Amphion“. das 1931 uraufgeführt wurde, von Arthur Honegger an.

Ein musikantisch-spielerisches Werk ist dagegen das „Concerto“ für sieben Bläser, Streicher und Schlagwerk des Genfers Frank Martin — ein sehr reizvoller Gegensatz zur Musik des gebürtigen Alemannen Honegger.

Den effektvollen Clou dieser beiden Konzerte bildete das von Nikita M a g a-1 o f f vorgetragene dritte Klavierkonzert von Prokofieff, ein Meisterwerk von der ersten bis zur letzten Note, interessant, originell und einfallsreich, mit der bezaubernden romantischen Traummusik in der vierten Variation des Andantino-Satzes und ihren Hornrufen. Magaloff exekutierte den Solopart glänzend, klar und kühlvirtuos („kaltes Feuer“) auf dem entsprechenden Instrument, einem Steinway. Der Applaus erreichte um so höhere Hitzegrade. Er galt dem Solisten, dem großen Dirigenten und dem ausgezeichneten Orchester, das an diesen beiden, unter subtropischen Temperaturen leidenden Abenden, Heroisches geleistet hat.

Mit Van Cliburnals Solisten spielten die Philharmoniker unter Karl Böhm Beethovens Klavierkonzert Es-Dur, op. 73. Cliburn hat als Beethoveninterpret den Vergleich mit den Größten nicht zu scheuen. Was man seiner jugendlichen Erscheinung zunächst nicht zutrauen würde: physische Kraft und Zartheit haben ihr Widerspiel im geistigen Bild und der seelischen Intensität des Ausdrucks, denen Wucht und Ranken gleicherweise Profil > entsteht dää^ Erlebnis einer -im.Persönlichkeit, einer größein der folgenden 7. Symphonie von Anton Bruckner boten die Philharmoniker eine ihrer unnachahmlichen Leistungen, besonders dankenswert dadurch, daß der Dirigent die grandiosen Steigerungen durch Maßhalten erreichte und (temporelle) Übersteigerungen vermied. (Scherzo.)

Die Cappella Coloniensis (Barockorchester des Westdeutschen Rundfunks) spielte Werke von Johann Christian Bach, Stamitz, Telemann und Johann Sebastian Bach. Dazwischen sang Fritz Wunderlich drei Arien von Händel, in der Natürlichkeit des Ausdrucks, der Sicherheit seiner schönen Stimme und d?r stilistischen Treue beispielgebend. Das Orchester spielt auf Instrumenten alter Mensur und originalgetreuen Kopien der Blasinstrumente jener Zeit, was nicht nur den Klang, sondern auch die Struktur der Kompositionen und damit ihre Wirkung intensiver gestaltet. An Gewicht überwog der zweite Teil (J. S. Bachs Ouvertüre Nr. 3, D-Dur und Händel-Arien) den ersten bei weitem. Der Dirigent Ferdinand Leitner ist ein gewissenhafter Betreuer seines Orchesters ohne Mätzchen und Allüren. Ehrlich ist hier alles und gründlich. Und das genügt.

F.K.

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