6717634-1964_50_15.jpg
Digital In Arbeit

Bach, Hindemith, Roussel

Werbung
Werbung
Werbung

Das dritte Konzert im Zyklus „Die große Symphonie” leitete Efrem Kurtz, 1900 in St. Petersburg geboren, 1924 bis 1933 Generalmusikdirektor in Stuttgart, darnach in Amerika, und ab 1954 wieder in Europa als Gastdirigent tätig. Das interessante Programm erwies einerseits, daß man auch mit neuer Musik einen spannenden, höchst eindrucksvollen Abend bestreiten kann, und anderseits daß die „tonale” Musik keineswegs zum alten Eisen geworfen werden muß. Zwei Meisterwerke neuerer symphonischer Musik rahmten Bachs prächtige h-Moll-Suite für Flöte, Streicher und Continuo ein: Hindemiths Orchestersuite von 1938 aus dem Franciscus-Ballett „Nobilissima Vi- sione”, eine der inspiriertesten und wohlklingendsten Arbeiten aus des Komponisten späteren Jahren (die an dieser Stelle wiederholt besprochen wurde) und Albert Roussels 3. Symphonie, 1929 als Auftragswerk zum 50jährigen Jubiläum des

Bostoner Symphony Orchestra geschrieben und bereits bei ihrer Uraufführung sehr gefeiert. Die Partitur Roussels, der eine der interessantesten Persönlichkeiten der neueren französischen Musik ist, hat kaum etwas von ihrem Reiz und ihrer Frische eingebüßt. Sie ist immer rhythmisch prägnant, kraftvoll, ideenreich und meisterlich, sowohl in der Farbgebung wie in ihrer kontrapunktischen Dichte. Daß da und dort Mahler beim Fenster hereinschaut und, im letzten Satz, auch Tschaikowsky einmal die Oberhand gewinnt, vermerkt man eher lächelnd als kritisch. Das Orchester der Wiener Symphoniker, von Efrem Kurtz (ohne das magische Sta- berl) sicher angeführt, hatte einen besonders guten Tag und begleitete auch die hörens- und sehenswerte Solistin, die gebürtige Amerikanerin Elaine Shaffer init aller wünschenswerten Präzision. Mrs. Shaffer spielt eine goldene Flöte mit besonders noblem und schönem Ton. Sie phrasiert gewissenhaft, ist technisch ausgezeichnet, läßt die Flöte immer, auch in den raschesten Teilen, „singen” — und spielt sich trotzdem nicht in den Vordergrund —, was bei der Anlage der h-Moll- Suite Bachs völlig verfehlt wäre. Alle Ausführenden wurden entsprechend gefeiert, und auch die beiden „modernen” Werke scheinen dem Publikum gut gefallen zu haben. H. A. F.

Ein Musterbeispiel exakten Musizierens von absoluter Ton- und Stilreinheit erlebte man in einem Konzert der Hamburger Vereinigung für Barockmusik, die mit Kompositionen von Scarlatti, Caix-d’Her- velois, Telemann und J. S. Bach großenteils unbekannte Werke vorführte und sich im Solistischen ebenso hieb- und stichfest erwies als im Ensemble. Ger- traut Stoklassa sang die beiden Kantaten von Scarlatti und Bach mit wohllautender, instrumental gefärbter und geführter Stimme, der dennoch die Wärme nicht fehlte. Isolde Ahlgrimm gab neben meisterlicher Continuoführung in den Stük- ken von d’Hervelois und der Partita II, c-Moll, von Bach Beweise ihrer den Wienern vertrauten Kunst des Cembalospiels. Saschko Gawrilow (Violine), Irmingard Seemann (Gamba) und vor allem Adolf

Scherbaum (Trompete) ernteten stürmische Erfolge. Dennoch möchten wir dem Ensemblespiel in seiner runden Geschlossenheit den Vorzug geben, zu dem auch Max Zeidler (Violine), Christiane Gotschlich (Viola) und Georg Nothdorf (Kontrabaß) ergänzend das Ihre beitrugen.

Ein Klavierabend von Friedrich Gulda ist immer ein Erlebnis. Der ausverkaufte große Konzerthaussaal kann als äußerlicher Beweis dafür gelten. Der innere: sein Spiel wird von einem persönlich schöpferischen Impetus getragen, der Dienst und Auseinandersetzung zugleich bedeutet. In Werken von Mozart (Fantasie d-Moll, KV 397, Sonate B-Dur, KV 570), Beethoven (Sonate d-Moll, op. 31/2), Schubert (Sechs Moments mu- sicaux, D 780) und Maurice Ravel (Gaspard de la nuit) konnte man das viermal mit der gleichen Intensität erleben. Die gleiche reife Abgeklärtheit macht sein Spiel bei aller bewegenden Fülle ruhig und ausgewogen. Wer Guldas künstlerische Entwicklung zu verfolgen vermochte, stellt mit hoher Anerkennung fest, daß sie schnurgerade auf ein Ziel ausgerichtet war: die Einheit in der Vielfalt zu finden. Ein Ziel, das er nun unmittelbar vor sich hat.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung