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Elly Ney und Karajan im Musikverein
Zum ersten Male seit Kriegsende kam Elly Ney nach Wien und gab einen Beethoven-Abend. Bei der Interpretation der Sonaten d-moll op. 31, der Appassionata, der op. 110 As-dur und der letzten Klaviersonate op. 111 konnte man mit Bewunderung feststellen, daß die große 70jährige Künstlerin noch im Vollbesitz ihrer technischen Fertigkeiten und physischen Kraft ist. Das Romantisch-Titanische ihres Vortragsstiles erscheint gemildert zugunsten einer Klarheit, die aber nie der Tiefe und des Hintergrundes entbehrt. Eben weil ihre langsamen Sätze gar nicht auf „Stimmung“ angelegt sind, geht von ihnen eine weihevolle Ruhe aus, die aus einer tiefen Versenkung, aus einer Identifizierung mit dem Kunstwerk kommt und auch den Hörer einbezieht. — War die Pause zwischen ihrem letzten und dem Auftreten in Wien zu lang oder war die Künstlerin zeitweise allzuoft zu hören: das Konzert war schlecht besucht, was man im Hinblick auf den hohen Kunstwert der Darbietungen bedauern muß.
An dem schönen Erfolg, den Herbert von Karajan — in allerbester Form! — mit dem ersten Konzert seines Zyklus hatte, kommt dem Orchester der Wiener Symphoniker ein gemessener Anteil zu. Zwischen Mozarts g-moll-Symphonie und der Ersten von Brahms standen Debussys Klangzauberspiele „Nuages“ und „Fetes“ (leider fielen die „Sirenes“ ins Wasser. Warum wohl?). Hier waren Dirigent und Orchester in ihrem Element, und die nächtlichen Feste wurden zu einer rhythmischklanglichen Orgie. Nicht weniger vollkommen war der letzte Satz der Brahms-Symphonie, in dem besonders die Bläser Hervorragendes leisteten.
May T o r r e n d ist eine junge, kultivierte Schweizer Sängerin, die ihr fünfsprachiges Programm mühelos exekutierte. Sehr dankbar waren wir ihr für die Vorführung von Darius Milhauds „Catalogue de fleurs“, eine reizend-verspielte Chinoiserie: die Vertonung einiger kurzer Abschnitte eines Blumenkatalogs, die zu der düsteren Leidenschaftlichkeit der spanischen Volkslieder von Manuel de Falla lebhaft kontrastieren. Zwei Völker — zwei Welten!
Kompositionen für zwei Klaviere spielten Kurt Nemetz-Fiedler und Erich Roubicek. Die eigenwillige f-moll-Sonate von Brahms, virtuose Beethoven-Variationen von Saint Saens und eine Sonate von J. Ch. Bach wurden ziemlich exakt und klanglich gut ausgewogen interpretiert. Am meisten widersetzt sich — infolge der zahlreichen, oft minimalen Temporückungen — Brahms der Exekution auf dem Ueberklavier. Das Konzert für zwei Klaviere von Cesar Bresgen (op. 13, also ein Jugendwerk) vereinigt barocke und moderne Stilelemente, was in dieser Art einmal ganz originell war, ist formal klar und in der Wirkung gefällig. Echte Spielmusik.
„G riechische Rhythme n“, eine Klaviersuite von G. Ponridy (geb. 1892), spielte im Palais Schönburg die talentierte griechische Pianistin Maria Francescou. Etwa in der Art Bartöks hat der Komponist folkloristische Themen harmonisiert und verarbeitet, die — verglichen mit der Volksmusik der übrigen Balkanvölker — den weitaus stärksten orientalischen Einschlag zeigen und den geraden Takt bevorzugen. — Anläßlich der meisterhaften Interpretation der „Acht Pr£-ludes für Klavier“ von Frank Martin sei mit Nachdruck auf diese wertvolle, ausdrucksstarke und pianistisch ergiebige Komposition hingewiesen, die ambitionierten jungen Solisten fürs Repertoire empfohlen werden kann.
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