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Paris - München - Zürich - Rom

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Es bedeutete ein Wagnis, an einem Abend zwei so bekannte und eigengesichtige Quartettvereinigungen wie die Pariser Loewenguths und die Münchner S t r o ß - Leute zusammenzuspannen. Aber das Mendelssohnsche Oktett in Es, selten genug zu hören, eine der schönsten Gaben des Komponisten, gewann gerade durch die Vereinigung der acht Künstlerpersönlichkeiten. Die polyphone Art des Werkes leuchtete bereits im ersten Satz auf, jede Stimme hatte ihren eigenen, wohlausgewogenen Wert, und vollends entzückte das Scherzo mit seinen virtuosen Streicherkünsten. Während das Stroß-Quarteti eine kräftige, handfeste, realistische Vortragsweise und Tongabe bevorzugte, was Brahms und seinem Sextett (Bratscher und Cellist vom Loewenguth-Quartett) nicht in allen Partien entsprach, haben die Pariser im Quintett, KV. 593, von Mozart (der Bratschist vom Isarufer) eine weiche, glatte und durchgeistigte Impression gegeben.

Man muß bei Pierre Fournier die großartige gesangliche Stimme seines Cellos rühmen — und gerade diese, von wenigen Solisten dieses Faches erreichte, Könnerschaft kam bei dem Konzert im Brahms-Saal durch die Programmgestaltung nur ein- mal, und da schon zu Beginn, voll zur Geltung: bei der Sonate e-moll, op. 38, von Brahms. Selbst im Zusammenspiel mit dem typischen Brahms-Satz des Klaviers (Franz Holetschek) glänzte dieser edle Gesang über allem. Das Beste und in der Erinnerung der Besucher, die leidenschaftlich applaudierten, wohl lange Nachwirkende hat Fournier bei der unerhört schwierigen Sonate, op. 8, von K o d ä 1 y (für Cello solo) geleistet.

Im Großen Musikvereinssaal, der nahezu bis auf den letzten Platz besetzt war, spielte Jörg Demus ein reines Beethoven Programm. Von den drei Sonaten, die unter der Opuszahl 10 zusammengefaßt sind, zeigte er in der dritten, daß neben seiner bekannt weichen und romantischen Art auch Energie in hohem Maße in ihm steckt: Kraft in der akkordi- schen Prägung, Temperament in der Entwicklung der Themen. Die Sonate op. 110 hörten wir (nach langer Zeit endlich wieder) in klarer Architektonik, alles hatte Zusammenhang, die Schlußfuge gelang überzeugend. War hier schon der Beifall stark, steigerte er sich nach den sechs Bagatellen op. 126 und der Sonate „Les Adieux" zum Sturm.

Das Spira-Trio aus Zürich begann seinen Kammermusikabend im Brahms-Saal nicht eben vielversprechend. Das Trio in Es von Haydn, mit den schwierigen Ecksätzen und dem anspruchsvoll für ganz behutsamen Vortrag gehaltenen Mittelsatz, geriet zuweilen etwas skizzenhaft und akademisch. Gleich vom Anfang an war es auch nicht zu verkennen, daß das Klavier (Rudolf Spira) die Funktion des „Dirigenten" hat. Die Geigerin verfügte nicht über die Ergiebigkeit des Tones, der bei Haydn — aber auch darnach bei Frank Martins Trio über irländische Volkslieder — vonnöten gewesen wäre.

Der Cellist Guignard befriedigte. Nach der Pause besserte sich der flaue Anfangseindruck bei Beethovens Klaviertrio Nr. 7 — trotz kleiner Intonationsflecken.

Das Spiel des jungen niederländischen Pianisten Theo Bruins mutet für den ersten Augenblick etwas kühl an. Es ist, als wehe herber Seewind, als flögen durch den blaßblauen, hohen Himmel zarte, weiße Wolken. Sicherlich steht der Künstler den Werken, ob sie nun Couperin, Haydn, Beethoven oder Faurö zu Autoren haben, mit einem Schuß Distanz gegenüber. Dazwischen aber gibt es merkwürdige lyrische Expressionen, die zeigen, daß Sachlichkeit nur eine angenommene Maske ist.

Ganz anders dagegen Sergio Perticaroli. Dieser bescheidene Künstler scheut nicht vor dem herzhaften Bekenntnis, obschon auch ihm eine starke Gegenständlichkeit, ein nüchterner Blick für die Zweckmäßigkeit bestimmter Vortragsgestaltung eigen ist. Der Pianist, der im Mozart-Saal — leider nur vor kleinem Auditorium — zu hören war, führt eine kräftige Linke, eine ungewöhnlich reich schattierende Rechte, die auch bei schnellen Zeitmaßen und verstärkter Tongabe den hohen Oktaven Gesang zu geben imstande ist. Händels Chaconne, Mendelssohns „Variationes serieuses“, op. 54, brillant exekutierter Chopin: das waren die Merkpunkte.

Die aus dem rumänischen Banat stammende Altistin Edith P o 1 e d n i k, Schülerin Professor Großmanns, zuletzt bei den Ausseer Musikfestwochen recht erfolgreich, wurde beim ersten Liederund Arienabend der Arbeitsgemeinschaft Ost (Südostdeutsche Abteilung) im Figaro-Kammersaal des Palffy-Palais vorgestellt. Hübsch der das Programm durchziehende Leitgedanke der Melancholie und die wache Bezugnahme auf Dichtung und Musik des Ostens und Südostens (Lenau-Lieder von Schumann; Kompositionen von Enescu und Mussorgsky). Die auf eine ergiebige Mittellage sich stützende Stimme ist, neben der Lyrik, auch handfester dramatischer Akzente fähig.

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