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„Hexameron“, „Aus der neuen Welt“

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Im 3. Philharmonischen Abonnementkonzert wurde unter der Leitung von Horst Stein ein neues Werk Gottfried von Einems erstaufgeführt, das er für das Los Angeles Philharmonie Orchestra geschrieben hat. Die Uraufführung fand unter der Leitung von Zubin Mehta im Februar 1970 statt, und nun konnten wir es auch in Wien hören. Es klingt so, als hätte der Komponist auf Bestellung Einem-Musik geschrieben und fügt seiner Palette keine neuen Farben hinzu. Die sechs Sätzchen dauern 23 Minuten, sind nach dem Gesetz des Kontrastes gruppiert und unterhaltsam anzuhören. Der Sekundschritt spielt in allen eine wichtige Rolle, das an vorletzter Stelle stehende Adagio schlägt Mahlerische Töne an, die übrigen sind mehr dem Strauss'schen Brio verpflichtet, Horst Stein hat die Partitur des „Hexameron“ genau studiert, die Philharmoniker haben sie elegant gespielt und dem Publikum hat's gefallen. — Aber was soll der Hinweis im Programmheft auf den Hexameter und seine Besonderheiten (was man in jeder Metrik nachlesen kann). Damit hat die Komposition überhaupt nichts zu tun (Übrigens sollte sie ursprünglich fünf Sätze haben und „Pentameron“ heißen). „In sechsmaligen Ansätzen wird die Problematik aufgerollt“, liest man da über das erste Sätzchen, und über das letzte: „Geklärt und lostgelöst sind jetzt die Probleme überzeugungsstark notiert.“ Aber, aber! So problematisch ist das Ganze doch nun auch wieder nicht! — Virtuos und mit schönem Ton spielt Werner Tripp den Solopart des Konzertes für Flöte und Orchester in G-Dur von Mozart; Cesar Francks bekannte d-Moll-Symphonie bildete den zweiten Teil des Konzerts.

Mit einem Wirbel der Militärtrommel begrüßte das Orchester der Symphoniker den Dirigenten Thomas Schippers (Jahrgang 1930) — und dieser das Publikum. Es war der Anfang von Rossinis Ouvertüre zu der Oper „Die diebische Elster“, ein brillantes Stück, das von Schippers, diesem Sonny Boy unter den Dirigenten, mit allen nur denkbaren Taktstockeffekten ausgestattet wurde. — Zu diesem munteren Hantieren und Dirigieren stand, was Gina Bachauer als Solistin des c-Moll-Klavierkon-zerts von Mozart zu bieten hatte, in eklatantem Gegensatz. — Diese ein wenig matronenhaft wirkende Dame in mittleren Jahre wurde in Griechenland geboren und absolvierte 1951 ihre erste größere Tournee, eine Spätgereifte. Sie schien nur für sich zu spielen, oder für einen kleinen Kreis, jedenfalls hatte man den Eindruck, daß sie auf das Orchester und die Konzertsaalatmosphäre verzichten könnte. Trotz fehlender Brillanz da und dort war der Gesamteindruck der allerbeste — und vielleicht ein bleibender. — In Dvofaks 9. Symphonie — die früher die 5. war und „Aus der neuen Welt“ hieß — arbeitete Schippers mit scharfen Kontrasten und Extremen: das Schnelle war schneller, das Langsame langsamer, das Laute lauter und das Leise leiser als wir es gewohnt sind. Auch in dieser Uberbelichtung verfehlte das beliebte Werke seine Wirkung nicht, wie der langanhaltende Beifall bewies.

H. A. F.

Es scheint eine besondere Eigenheit der Oktette und Nonette zu sein, daß die Glanzpunkte ihrer Programme nicht jene Werke bilden, die — dem Ensemblenamen entsprechend — von allen Musikern gespielt werden, sondern jene Stücke, die als Quintette, Sextette oder Septette nur eine verminderte Besetzung aufweisen. Auch im Konzert des „Octour de Paris“ war dies der Fall. Das — sogar zur Uraufführung gelangte — Oktett von Jean Frangaix ist dem „Octour“ gewidmet und „zur Erinnerung an Schubert komponiert“. Ein gut instrumentiertes Werk mit spritzigen, espritvollen, schnellen Sätzen, einem fast in Schubertscher Romantik schwelgenden Adagio und einem Walzer, der sich ein wenig an Ravels „La valse“ anlehnt, noch mehr aber bei Richard Strauss' „Rosenkavalier“-Dreivierteltakten in die Schule gegangen ist. — Zu Beginn hörte man Mozarts herrliches Qunintett für Horn und Streicher, KV 407, dessen Genuß ein wenig getrübt war durch den zwar ruhigen, aber etwas steifen dumpfen Ton des französischen Soloinstrumentes im Gegensatz zum wienerischen weichen Hornklang. Den größten Erfolg erspielten sich die französischen Künstler aber mit Beethovens Sep-tett Es-Dur. Ausverkaufter Brahms-Saal, große Begeisterung des Publikums.

Mit einem Liederabend im Mozart-Saal gab die schwedische Sängerin Birgit Finnilä ihre Visitenkarte ab, die sie als eine mit hübschen Stimmitteln ausgestattete, technisch nicht ganz fertige Altistin auswies. Vor allem läßt die Tiefe die Künstlerin insofern im Stich, als sie — in dieser Hinsicht an ihre Stimmkolleginnen Watts und Reynolds erinnernd — keine freischwebende Fülle aufbringt. Ansonsten war der

Gesamteindruck des Abends ziemlich positiv zu werten, da Frau Finnilä bei Wolf und Schumann gute Proben einer nicht übertriebenen romantischen Auffassung gab und mit starkem Einfühlungsvermögen Brahms-Gesänge und gehaltvolle Lieder ihres Landsmannes Türe Rangström zum Vortrag brachte, dabei bestens unterstützt von ihrem Begleiter Dag Achatz. Dutzende leere Sitzreihen, aber starker Beifall.

Der Pianist Jean-Rodolphe Kars, von seinem Konzert im März mit Werken von Messiaen in guter Erinnerung, enttäuschte diesmal als Interpret der großen G-Dur-Sonate von Schubert, die unter zu lebloser Darstellung litt. In Debussys „12 Preludes“ ging der Künstler viel mehr aus sich heraus und brachte Esprit, gepaart mit Eleganz, Sommernachtstraumstimmung und technische Brillanz zur Geltung. Man hätte dem Konzerthauszyklus „Klaviermusik“ einen besseren Einstand und mehr Besuch gewünscht.

Das Barocktrio Scherbaum, seinen Namen nach dem des außerordentlichen Trompetenvirtuosen führend, spielte Werke des 17. Jahrhunderts für Trompete, Orgel und Cello von Viviani, Gabrielli, Torelli und Vejvanovsky, bei denen Orgel und das Streichinstrument teils obligat, teils als Continuo eingesetzt sind. Bei zwei Toccaten und Fugen von Buxtehude und J. S. Bach bewährten sich Günther Fetz als stilkundiger, technisch sehr versierter Organist, mußte aber bei Bach wegen eines Orgelgebrechens — steckenbleibende Tasten — aufgeben. Als Dritte im Bunde des Trios spielte Irmingard Seemann mit großer Musikalität und sicherer Griff- und Bo-genhand Bachs 3. Suite in C-Dur für Solocello. Adolf Scherbaum blies auf seinem einem hellen Clarino der Bach-Zeit nachgebildeten Instrument mit so erstaunlicher Virtuosität und so vielen dynamischen Abstufungen, daß man seit der Amerikanerin Carola Reinhart in Wien keinen so hervorragenden Trompeter mehr gehört hat. Ein Abend, der mit Recht in den Konzerthauszyklus „Meisterensembles“ eingereiht war.

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