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Meistersolisten und junge Ensembles

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Die Festwochen im Konzerthaus bescherten dem Musikfreund auch in der vergangenen Woche die Begegnunger. mit Weltberühmtheiten; nicht immer aber wurden die hechgespannten Erwartungen erfüllt ...

Eine solche Enttäuschung war das zweite Symplioniker-Konzert unter Moshe Atzmon. Beethovens „IV.“ geriet ziemlich schlampig; die Hand des jungen Israeli aus Ungarn war hier doch zu locker, man hatte den Eindruck von nachlässiger Probenarbeit. Etwas beiläufig klang das Orchester auch im B-Dur-Klavierkonzert, KV 450, von Mozart, und der große Arturo Benedetti Michelangeli schien an diesem Abend keinen Zugang zu Mozart zu finden, wirkte fahrig, blieb kühl an der Oberfläche, was trotzdem kein angenehmer Gegensatz zur Hitze im Saal war, daraus aber vielleicht erklärt werden könnte.

Das erste Konzert Atzmon — Michelangeli spricht für diese Annahme: Der Wettergott meinte es da mit den Musikern noch besser, und Benedetti Michelangeli erbrachte in Schumanns Klavierkonzert eine solche Meisterleistung, daß Dirigent und Orchester, selbst bei größeren Anstrengungen als den gezeigten, hinter dem Solisten hätten qualitativ zurückbleiben müssen. In der zweiten Ballettsuite von Prokofieffs „Romeo und Julia“ gab es noch rhythmische Ungenauigkeiten und einen stark gedeckten, wenig durchsichtigen Klang dafür rehabilitierte sich Atzmon aber dann in „La Val-se“ von Ravel und legte damit ein schwungvolles und funkelndes Gegenstück zum einleitenden Strauß-schen „Accelerationenwalzer“ hin, erfüllt vom -Flair.-des Zweiten Kaiserreiches, in dem der Komponist sein Werk angesiedelt wissen wollte, und in dem Stück kommt es ja fast mehr auf Stimmung und richtige Bewegung an als auf letzte Präzision, die Atzmons Sache augenscheinlich doch nicht sein dürfte.

Luciano Pavarotti gilt für uns als der Tenor mit dem strahlenden hohen C; daß er sein Wiener Konzert aber in erster Linie als einen Liederabend gestalten wollte, erwies sich als Fehler. Der gewichtige Italiener ist nicht der Mann einer intelligenten Musikalität und Gesangskultur, er braucht die Dramatik der Opernbühne und ihre auf Breitenwirkung aufgebaute Stimmungswelt. Deshalb enttäuschten letzten Endes die Lieder von Bononcini bis Respig-lü und Tosti und zeigten Arien von Verdi die verschwenderische Tonfülle und leuchtende Höhe seiner ganz vorne „sitzenden“ Stimme. Klavierbegleiter war Leon. Magiera.

Anscheinend leiden namentlich die Cellisten unter der Akustik des Großen Konzerthaussaales: Man hatte es schon bei Heinrich Schiff gemutmaßt, bei Mstislav Rostropowitsch wurde es spätestens zur Gewißheit, als er sich zur Zugabe unter die Orgelempore setzte; nun klang sein sündteures Instrument so, wie man es erwartet hatte. Allerdings war bei “weitem nicht an allem die Akustik (ihre Verbesserung wird ja übrigens ins Auge gefaßt) schuld. In der Wiedergabe der .drei Bach-schen Solosuiten in C-, Es- und D-Dur hörte man immer wieder einige seltsam gläserne Töne, litten manche unheimlich schnell gespielte Sechzehntelpassagen unter den starken Bogengeräuschen, die die Hörbarkeit beeinträchtigten, störte oft ein fremdes Idiom, das Bach zum Russen zu machen schien. Anderseits aber beeindruckte die Mühelosigkeit von Rostropowitschs Spiel. Am innerlich ruhigsten und damit schönsten gelang ihm die Suite in Es-Dur, die die Fehler in der Wiederholung der Bourree leicht vergessen ließ, wunderbar waren auch die virtuosen Echowirkungen des D-Dur-Präludiums und die Sarabande aus der Suite in C-Dur. Und schließlich gehört es eben auch zum Wesen der Kunst, daß sich nicht dauernd Spitzenleistungen erzwingen lassen; Rostropowitsch hat uns schon soviel Schönes geschenkt, daß wir noch immer in seiner Schuld stehen

Anton NanntSi gebürtiger Ragusa-ner und derzeit Chefdirigent in Lai-bach, leitete im Mozart-Saal ein „Wiener Kanumerorehester“: fremde Gesichter auf dem Podium, vermutlich ein rasch zusammengestelltes Ensemble, das nach dem einleitenden Concertino Nr. 85 von Tartini mit Haydns Hornkonzert in D-Dur (seine Echtheit wird noch bezweifelt) und Mozarts A-Dur-Symphonie, KV 201, doch eine achtbare Leistung erbrachte. Star des Abends war eindeutig der Hornsolist Hermann Baumann, dessen weicher, flexibler und tragfähiger Ton vergessen ließ, was für ein empfindliches Instrument er da eigentlich meistert. Als er nach einigen Zugaben sogar auf afrikanischem Seetang ein herrliches kleines Naturtonkonzert aus Mozarts „Posthornserenade“ veranstaltete, kannte die Begeisterung des Publikums keine Grenzen mehr.

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