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Große Orchester und Chorkonzert

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Dem österreichischesten aller Komponisten, Franz Schubert, war das Vierte Abonnementkonzert des österreichischesten Orchesters, der Wiener Philharmoniker unter Karl Böhm gewidmet. Auf dem Programm standen die Symphonie h-Moll (Die Unvollendete, deren Zählung als „Achte“ auf einem Irrtum beruht) und die „Siebente“ , die große C-dur-Symphonie. Die beiden Symphonien stehen zeitlich viel weiter auseinander als ihre Bezeichnungsziffern. Und doch haben sie viel Gemeinsames, so zunächst die Gleichheit des Schicksals, erst lange nach ihrer Entstehung „entdeckt“ und aufgeführt zu werden; ihre echt österreichische, von tanzlustiger Heiterkeit bis zu tragischer Größe gleichsam in einem Atem reichende Ausdruckswelt, die geistige Nähe Beethovens, die leise Melancholie selbst über den fröhlichsten Rhythmen erweisen sich auch innerlich als Geschwister. Dennoch, und die Wiedergabe unterstrich dies bedeutsam: welch ein Unterschied zwischen den beiden Sätzen der „h-Moll“ in ihrer lyrischen und der großen „C-dur“ in ihrer dramatischen Grundhaltung! Man könnte sie mit Spiel und Ernst vergleichen, wüßte man nicht, wie ernst Schubert dieses „Spiel“ war. Dirigent und Orchester haben alle heimlichen Schätze dieser beiden genialen Werke heimatlicher Musik zärtlich ans Licht gehoben und das Publikum hat diese zärtliche Behutsamkeit mit stürmischem Beifall gewürdigt. Es war wieder einmal sein Komponist, sein Orchester, sein Dirigent.

Das dritte Abonnementkonzert der Wiener Symphoniker gestaltete der Dirigent George Szell zu einem großen Ereignis. An der Spitze des Programms standen „Four Essays“ für Orchester von Tadeusz Baird (komponiert 1958), vier interessante lyrische Stücke, die-. sich vonein-afldej'-.Jitthop; durch, ihre charakteristische Instrumentierung abheben, die auch Satztechnik und Thematik stark beeinflußt. Vom verschleierten Piano der Violinen, nachdenklichen, zaghaften Harfentönen (Molto adagio) über koboldhafte Passagen der Holzbläser (Allegretto grazioso) reicht der Ausdruck bis zu einem „Bar* baro e brutto“ vornehmlich des Blechs im dritten Essay (Allegro). — Paul Badura-Skoda zeigte in Mozarts Klavierkonzert in Es-dur Kv. 482 wiederum eine Kombination von Technik und Interpretationskraft, welche höchste künstlerische Noblesse ausstrahlt. Die abschließend 3. Symphonie in Es-dur op. 97 von Robert Schumann brachte dem Orchester, besonders aber dem Dirigenten, der ea sehr gewandt und überaus energievoll leitete, lebhaftesten Applaus.

Unter dem Motto „0 Heiland, reiß die Himmel auf“ widmete der Wiener Schubertbund unter Heinrich Gattermeyer den zweiten Teil seines Chorkonzertes Uraufführungen geistlicher Chöre. Hans Hasel-back am Orgelpositiv stellte in abwechslungsreichen Klangmixturen den einzelnen Werken einen klug und meist fugenartig durchgeführten Gedanken voran. Hans Bauernfeind läßt in „O Heiland, reiß die Himmel auf“ und „Maria durch ein Dornwald ging“ die Singstimmen eigenständige Wege gehen, berücksichtigt den Aussagewert des Textes und verwendet rhythmisch und melodisch modernisierende Stilmittel, wogegen Franz Krieg mit „O schöne Morgenrot“ und „Und Unsrer lieben Frauen“ eher zur meisterlich konservativen Auffassung des klangschönen und vollen Choralgesanges neigt. Ernst Titteis „Aus hartem Weh die Menschheit klagt“ erinnert stark an die strenge Kirchenmusik früher polyphoner Meister und gibt herberen Harmonien (Quartakkorden) mehr Raum. Große Steigerungen enthalten „Uns kommt ein Schiff gefahren“ von Hans Haselböck und „Das Große Halleluja“ von Reinhold Schmid. Häufige Septimen- und Nonen-passagen gehen in beiden Werken in eindrucksvollen Unisoni auf, pleno organo unterbaut. — Der Freudenhymnus des Halleluja war erhebend und mehr als nur ein wirkungsvoller Schlußpunkt eines Konzerts bester geistlicher Musik. — Die Komponisten und die Ausführenden konnten für lebhaften Beifall danken.

Die Mozart-Gemeinde Wien lud zu einem Abend ein, der von dem jungen Dirigenten Friedrich Pleyer betreut wurde. Unter seiner allzu distanzierten Leitung fanden die Wiener Symphoniker in der G-moll-Symphonie Kv. 183 zunächst noch nicht zu einer adäquaten Interpretation. Leider konnte auch Irmgard Seefried mit drei geistlichen Arien („Quaere superna Kv.“ 143, „Laudate Dominum“ aus Kv. 339 und dem Agnus Dei aus der „KrönungSmesse ) weder den mäßig guten Start noch ihre Indisponiertheit übersingen. (Sehr gut dabei der Wiener Kammerchor.) Als Solist des Violinkonzertes in D-dur Kv. 218 zeigte W oll gang Schneiderhan besonders in“ den Kadenzen der Sätze sein überlegenes und doch hingebendes Können (manchmal stand allerdings Überschwang contra Präzision), wovon sich auch das Orchester mitreißen ließ. Am besten gelang die reife Linzer Symphonie Kv. 425. Hier konnte man höchste Maßstäbe anlegen und nun auch dem Dirigenten zu einer schönen Leistung gratulieren.

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