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Das Mozart-Fest in Salzburg

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Ebenso, wie die geplante Mozart-„Woche“ auf sehn Tage gestreckt werden mußte, genügte'für die eigentlichen Geburtstagsfeierlichkeiten der eine Tag nicht, um das eifrig und umfangreich Geplante zu fassen. Mozarts 200. Geburtstag, von der gesamten Musikwelt festlich begangen, wurde in der Vaterstadt des Meisters auf zwei Tage ausgedehnt. *

Der Vortag begann mit einer Festsitzung des Salzburger Gemeinderats, mit Reden und Medaillenverleihungen. Reden und Medaillen gab es auch am Nachmittag im schönrestaurierten „Wiener Saal“ des Mo zarteums. — Dann aber, zum guten Ende, betrat Christa Richter-Steiner das Podium, in der Hand Mozarts K on z e r t g e i g e, jenes verschollen geglaubte Instrument, das Mozart nach seiner Kindergeige am meisten gespielt und geliebt hat und dessen Ton ihm bei der Komposition seiner Violinwerke vorgeschwebt haben mag. Dieser Ton ist dunkel-zart (nicht silbrig-hell, wie man erwartete), von edlem, etwas verschleiertem und kühlem Wohllaut. Die Geige, ein “um 1750 in Mittenwald hergestelltes Jacobus-Stainer-lnstTument, hat eine abenteuerliche Geschichte und konnte auf Grund der sie begleitenden Dokumente und genauer Materialprüfung einwandfrei, als Mozarts Violine bestätigt werden. (Es gibt mehrere Mozart-Geigen, in Berlin und London, ■ echte und unechte.) Sie wird künftig ihren Platz im Mozart-Museum in der Getreidegasse, neben der Kindergeige — rührenden Angedenkens —, dem Walter-Konzertflügel und dem zweichörigen Clavichord finden.

In den Abendstunden des Vortags fand vor dem Mozart-Denkmal die Huldigung und Kranzniederlegung statt, mit Glockenspiel, Kinder- und Bläserchor. Auf dem großen Platz und in den Seitengassen drängen sich die Menschen. Im ausgesparten Karree sind versammelt: die Häupter des Staates und der Stadt, die Leiter oder Vertreter der großen' Musikinstitute, Delegationen aus 23 Ländern, einschließlich Spanien und Rußland, West- und Ostdeutschland. Ein gutes Dutzend Pressephotographen „schießt“ hin und her und diesen und jenen. Gelegentlich auch das Mozart-Denkmal. Die gewaltigen Scheinwerfer werden mit lauter Stimme da und dort-

• hin dirigiert. Selbst der Himmel scheint mit diesem Getue unzufrieden, er ist trüb und verhangen. Dann, allmählich, leert sich der Platz, und als man, wenige

- Stunden später, ans dem Konzertsaal tritt, ist die Welt wie verwandelt. Salzburg liegt in dichtem, dämpfendem Schnee. — Um Mitternacht treten wir “ noch einmal vor das Denkmal. Glockenspielklänge

• und leise Fanfaren vom Turm. Und wieder viele ““SMensehen. Aber Sie müssen, Gott sei Dank, nicht mehr huldigen und photographieren; sie stehen, lauschen und schauen: auf das Erzstandbild, in den winterlichen Himmel. Und jeder denkt sich sein Teil. *

Am nächsten Morgen, auf dem Weg zum Dom, kommen wir noch einmal am Mozart-Denkmal vorbei und sehen: neben den großen „offiziellen“ Kränzen mit den Bandschleifen in vielerlei Landesfarben — viele, viele kleine Kränzchen, Blumensträußchen, Geranienstöckchen. Ganz private und bescheidene Grüße aus nah und fern. Man hat also, am Abend vorher, nicht nur „offiziell“ gehuldigt. — Und dann der Dom, bis auf den letzten Platz gefüllt, mit den österreichischen und päpstlichen Fahnen geschmückt. Erzbischof Dr. Rohracher, mit •barocken Gewändern aus der Mozart-Zeit und der >;„Kaiser-Mitra“ angetan, zelebriert mit großer geistlicher Assistenz das feierliche Hochamt. In einem roten Fauteuil, links vor dem Altar, der Bundespräsident, hinter ihm zahlreiche Mitglieder der Bundesregierung, gegenüber die Ritter vom Heiligen Grab und das Diplomatische Corps mit dem Doyen. Nun-' tius Dellepiane. Unter der Leitung von Domkapell-meister Josef Messner erklingt die „Krönungsmesse“.

Anschließend findet im Festspielhaus der feierliche Festakt der Bundesregierung statt. Die Wiener Philharmoniker unter Dr. Karl Böhm, intonieren die Bundeshymne, und spielen dann Mozarts Symphonie in Es (KV. 184). Dann sprechen: der Bundeskanzler, der Landeshauptmann von Salzburg und der Bürgermeister der Mozart-Stadt. Die Festrede, gehaltvoll und formvollendet, hält der Präsident der Akademie Mozarteum, Professor Paumgart-n e f. Er deutet und exemplifiziert jenes alles-■ Umgreifende, gültige Göethewort, das wir stellvertretend für alle Huldigungen, die Mozart an diesem Tage dargebracht wurden, hersetzten- „Was ist Genie anders, als jene produktive Kraft, wodurch Taten entstehen, die vor Gott und der Natur sich zeigen können, und die eben deswegen Folgen haben und von Dauer sind? Alle Werke Mozarts sind dieser Art; es liegt in ihnen eine' zeugende Kraft, die von Geschlecht zu Geschlecht fortwirkt und so bald nicht erschöpft und verzehrt sein dürfte.“

An dieses gewaltige, höchste Menschenleistung autoritativ bestätigende Goethe-Wort mußten wir oft denken im Verlauf dieser Tage. Als Carl S e h u-rieht, der die 70er überschritten hat, mit jugendlichem Feuer die Wiener Philharmoniker dirigierte (Symphonie D-dur und Haffner-Symphonie)und die junge russische Pianistin Tatjana Nikola-jewna begleitete, die das Klavierkonzert in Es-dur spielte. — Als das Philharm onia Orchestra of England unter Herbert von K a r a j a n die Symphonie in Es (KV. 543) und vier Sätze aus dem Divertimento in B-dur (KV. 287) spielte und als die schwerkranke, verehrungswürdige Klara Haskil, stürmisch gefeiert, das Klavierkonzert ih d-moll (KV. 466) vortrug. — Als Karl Böhm mit den Wiener ' Philharmonikern und Wilhelm Backhaus musizierte und als das Wiener Oktett das Stadler-Quintett und zwei Divertimenti spielte. (Dem Konzert der Bamberger Symphoniker unter Joseph Keilberth mit Rosl Schmid als Solistin konnten wir nicht mehr beiwohnen.)

„Alle Werke Mozarts sind dieser Art.“ Auch die Oper „1 d o m c n e o“„ die Mozart, noch nicht 2 5jährig, im Auftrag des Kurfürsten von Bayern schrieb; mit der er unbedingt einen „succes“ haben wollte und deren Partitur auf die beschränkten Kräfte der Sänger, auf die Bequemlichkeit des Orchesters Und auf den „konservativen“ Geschmack des maßgeblichen Publikums, des kurfürstlichen Hofes und des Adels, Rücksicht zu nehmen hatte. — Eine zwang- und drangvolle „Gelegenheitsarbeit“ also. Aber was für ein Meisterwerk! Wir sahen und hörten es. in der Neubearbeitung Paumgartners und in italienischer Sprache, im Festspielhaus. Und es wurde eine echte Festspielaufführung. Das Trio B ö h m-S c h u h-N e he r hat sich hier selbst übert;roffen. Ein großartiges Bühnenbild, das barocke und klassische Elemente reizvoll verbindet, Kostüme in zartesten Pastellfarben, die bald an alte Vasenbilder, bald an frühe italienische Meister erinnern, eine bis ins Detail ausgearbeitete Regie mit lebhaftem und dekorativem Einsatz der Chöre, die hinreißende Leistung von Christi. Goltz, der -Waldemar. Kmentt und Rudolf Schock in kleinem', die übrigen Darsteller in etwas größerem Abstand folgten: das bezeugte die fast grenzenlose Leistungsfähigkeit unseres von den Philharmonikern unter Dr. Böhms Leitung gestützten und angefeuerten Opernensembles. Wenn man sich Zeit läßt, wenn alle Kräfte in angespannter Arbeit zusammenwirken, ist t alles möglich.,, Auch . das Höchste ...

Das Fest ist verklungen, verrauscht.“ — Was bleibt? Nicht nur für die, die in Salzburg, dabeisein konnten oder an den Radiogeräten, mithörten,. —, Für die Mozart-Freunde in der ganzen Welt werden :'m Mozart-Jahr zwei großartige Geschenke von dauerndem Wert vorbereitet. Von der „Neuen Mozart-Ausgabe“, die im Bäreriteiter-Verlag, Kassel-Basel, erscheint, liegen die tWtäSi Bände vor. innerhalb der nächsten 1; Jahre sollen, von erstrangigen Fachleuten betreut, jährlich sieben bis acht Bände erscheinen. Und eine Schallplattenfirma hat, mit enormen Kostenaufwand, begonnen, dem Meister durch Aufnahme seiner opera omnia ein klingendes Denkmal zu errichten, wie es bisher noch keinem Komponisten gewidmet wurde. Die erste Serie von 60 Langspielplatten der Philips-Mozart-Jubiläumsausgabe 1 9 5 6 ist erschienen. Weitere werden in kürzester Zeit folgen. — Es liegt in der Tat in Mozarts Werken „jene zeugende Kraft, die von Geschlecht zu Geschlecht fortwirkt.“. Wohl unserer Zeit, daß sie den Genius erkannt hat und zu würdigen weiß.

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