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Symphonie und Chor

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Wie verschieden die Erste Symphonie von Gustav M a h 1 e r interpretiert werden kann, haben wir in den letzten Jahren erlebt. Paul K1 e c k i, der sie im Zyklus „Die große Symphonie“ wieder aufs Programm setzte, hängt unter allen heutigen Dirigenten am stärksten mit der großen Mahler-Tradition etwa eines Bruno Walter zusammen. Maße, Tempi, Gegenüberstellung und Gewicht der Themen dieses ungebärdigen symphonischen Erstlings wirkten in ihrer Ausgewogenheit authentisch. Auch ohne beigegebenes Programm (von dem Mahler sich später selbst distanzierte) wurden die bewegenden Gedanken Natur-Mensch-Dämon-Kampf-Befreiung klar. Das Orchester der Wiener Symphoniker musizierte wie an seinen besten Tagen. Das der Symphonie vorausgehende Klavierkonzert b-Moll, op. 23, von Tschaikowsky, dessen Solopart Ni-kita M a g a 1 o f f mit Kraft und Glanz beherrschte, bleibt trotz seiner Beliebtheit am Äußerlichen, Virtuosen hängen.

Der Kammerchor von Valparaiso erstellte in einem umfassenden, internationalen Programm verschiedener

Zeiten und Stile den Beweis seines geistigen und musikalischen Könnens. Gesangliche Disziplin, klangliche \ Homogenität, Sauberkeit der Intonation sind die Hauptregister dieser Stimmenorgel, die Marenzio, Venosa und Monteverdi ebenso sicher und rein spielt wie Debussy, Poulenc und Brahms oder die chilenischen zeitgenössischen Komponisten. Am lebendigsten wirkten die Volksliedsätze aus ihrer Heimat. Der Leiter des Chores, Marco D u s i, darf mit seinen Sängern ebenso zufrieden sein wie mit dem verdienten Erfolg des Chores, der nicht zuletzt auch der seine ist.

In Otto Wiener meldet sich ein werdender Balladensänger großen Formats zu Wort. „Odins Meeresritt“, „Archibald Douglas“ und „Der Nock“ von Karl Löwe waren die ersten überzeugenden Beweise davon. Leider war das Programm in diesem Sinne wenig günstig gewählt, da die weiche Liebeslyrik eines Brahms dem Sänger ebensowenig liegt als Hugo Wolfs diffizile Profile, wogegen die sechs Monologe aus „Jedermann“ von Frank Martin seinem Gestaltungstrieb entgegenkamen. Zweifellos erwächst hier der modernen Ballade ihr Interpret, wobei „Ballade“ im weitesten Sinne verstanden werden darf.

Das Trio di Trieste, ein Klaviertrio hoher musikalischer Potenz, spielte zwischen einem Werk von Joseph Haydn (Klaviertrio Nr. 4, E-Dur) und dem d-Moll-Trio von Robert Schumann das Klaviertrio a-Moll von Maurice Ravel, ein Werk-großer kontrapunktischet Kunst und rhythmischer Kapricen, das aber klanglich wie gestalterisch den reifen Ravel noch nicht präsentiert, wohl aber Ausblicke eröffnet, die sich später in schönster Weise erfüllt haben. Franz Krieg

Im Mozartsaal konzertierten die „Festival S t r i n g s L u c e r n e“, ein im Jahre 1956 von Wolf gang Schneiderhan und seinem gegenwärtigen Leiter Rudolf Baumgartner gegründetes Ensemble, das

wir bald nach seinem Debüt auch in Wien gehört haben und das inzwischen recht berühmt geworden ist. Es besteht aus zwölf Streichern und einem Cembalisten, der Idealbesetzung für Barockmusik und zugleich auch klangkräftig genug für Neueres. Jeder von den jungen Leuten ist ein tüchtiger Musiker, und sie spielen ohne Dirigenten. Das erfordert um so genaueres Studium und um so gewissenhaftere Konzentration beim Konzert. Alles, was sie spielten, klang ungemein lebendig und natürlich (Vivaldi, Bach, Mozart), und was die Zeitgenossen betrifft, so zeigte Herr Baumgartner einen sehr guten Geschmack. Was ist dieses Konzert für zwei Violinen, Streichorchester und Cembalo des 1898 geborenen Zürichers Paul Müller doch für ein gutgemachtes, gut: klingendes und unterhaltsames Stück! Das solide deutschschweizerische Handwerk hat in Paris seinen Feinschliff erhalten, Roussel und Honegger sind nicht weit, auch Bartok ist spürbar. Aber kennen Sie Bessere, um sich anzulehnen? Der 1931 geborene Basler Rudolf Keltenborn ist in den 1960 geschriebenen „V a r i-ationen für Oboe und Streichorchester“ wesentlich komplizierter. Schon das Thema, aus weitgespannten Intervallen und Akkordkomplexen bestehend, eignet sich nicht mehr zum Mitsingen, und die sechs Variationen sind von fast zwölftöniger Kompliziertheit. Aber eben doch nur so weit, daß man alles schön mithören und verfolgen kann. Vor allem erfreut man sich an einem ebenso virtuosen wie feingliedrig-nervösen Solopart, dessen dahinflitzende Triller der junge Heinz Holl ig er auf seinem bezaubernden französischen Instrument mit geradezu panischem Wohllaut vortrug. (Wir hatten ihn schon im ersten Teil des Programms als Solist in einem F-Dur-Konzert von J. S. Bach bewundert.) Das Publikum war, ganz zu Recht, mit Programm und Ausführung sehr zufrieden und bekam mehrere Zugaben.

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