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Orchester, ChOre, Solisten

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In aller Feierlichkeit erklang Johann Sebastian Bachs ,.M a g n i f i c a t“ im zweiten Konzert des K a r a j a n - Z y-klus. Das Orchester der Philharmoniker, ein kleiner Chor des Singvereins und ein prominentes Solistentrio (Christa Ludwig, Waldemar Kmentt, Eberhard Wächter) musizierten den Lobgesang Maria in ehrfürchtigster Weise, Herbert von Karajan dirigierte vom Cembalo aus. Das Orgelpositiv betreute Anton Heiller. Der eindrucksvollen christlichen Feier wurde der heidnische Ritus des „Sacre du Printemps“ von Igor Strawinsky gegenübergestellt. Man kann sich (über zwei Jahrhunderte hinweg) religiös und musikalisch kaum größere Gegensätze denken und empfand nichtsdestoweniger die geistige Verbundenheit im Schöpferischen: das Stigma des Genius.

An Mozarts Todestag wurde in der Burgkapelle ein Totenamt gehalten, bei dem Ferdinand Großmann mit den Kräften der H o f m u s i k-k a p e 11 e das Requiem von Mozart musizierte. Durch die Liturgie, für die sie komponiert ist, wurde die Wirkung dieser Musik erhöht und verinnerlicht. Die uns vertrauten Stimmen der Wiener Sängerknaben gaben dem historisch-ehrwürdigen Raum der Burgkapelle das Gepräge. Als langjähriger Kenner der ausführenden Kräfte wußte Großmann ihre Leistungsfähigkeit in schöner Ausgewogenheit einzusetzen und zu eindrucksvoller Höhe zu führen.

Die „Entführung im Taschenformat“, Mozarts Jugendoper „Z a i d e“, wurde nach einer sommerlichen Aufführungsserie im Schönbrunner Schloßtheater nun im Haus am Fleischmarkt mit neuer Regie von der Wiener Kammeroper abermals aufgeführt. Sie ist nicht besser geworden. Das Schwanken zwischen Burleske und Seria kommt zu keiner Einheit, die Kluft zwischen Tragödie und Pradler Ritterspiel ist eher noch deutlicher geworden. Werner H o 11 w e g als Sultan bot die beste Leistung, weiß Gesang und Spiel zu einem Ganzen zu bringen. Gut in Stimme und Spiel, aber doch noch ein Versprechen Eva Maria Baum als Zaide. Hans Krischen bringt in seiner Osmin-Szene echte Komik. Das Bemühen aller anderen ist unverkennbar, leider vergeblich. Hans Gabor als musikalischer Leiter ist von enormer Tüchtigkeit. Doch sei ihm geraten, beim Ausgraben alter Schätze sich mehr an die komischen Opern zu halten, weil bei diesen zumindest die unfreiwillige Komik leichter vermieden wird. Natürlich gibt es in der Musik Perlen; doch hat sie Mozart in besserem Rahmen zu bieten, womit vor allem die textliche Vorlage gemeint ist.

Günther Wich dirigierte das Tonkünstlerorchester in einem anspruchsvollen Konzert: Gustav Mahlers Kindertotenlieder und Anton Bruckners 9. Symphonie. Das Orchester konnte unter seiner Stabführung eine respektable Höhe erreichen und Bruckners letztes symphonisches Werk zu eindrucksvoller Wirkung bringen. Gleichwohl war der Vortrag der Kindertotenlieder durch Lucretia West der stärkere Eindruck durch die hohe Leistung der Sängerin.

Die Wiener Kulturgesellschaft führte mit ihrem eigenen Chor und Orchester unter Mitwirkung des Chores der Verkehrsbetriebe, der Gum-poldskirchner Spatzen und des Mattighof-ner Kammerchors sowie einer Reihe von Solisten, worunter Mimi Coertse und Hans Braun die bedeutendsten waren, das Oratorium „Elias“ von Felix Men-delssohn-Bartholdy auf, dirigiert von Josef Maria Müller. Von den großen Chören leider vernachlässigt, übt dieses Oratorium immer noch breiteste Wirkung und unmittelbaren Eindruck, was freilich durch die Höhe und Kraft des (biblischen) Textes mitbedingt ist. Die Ausführung hielt sich auf erfreulichem Niveau und brachte den Ausführenden verdienten Beifall.

Das Wiener Konzerthaus-Quartett hatte sich für einen Abend vergrößert, um wenig bekannte Werke der Kammermusik vorzuführen. Der ernste Inhalt des Abends blieb eine liebevolle Wiedergabe des Streichquintetts von Anton Bruckner. Das folgende „Echo-Sextett“ von Joseph H a y d n (vier Violinen und zwei Celli, davon nur ein Terzett auf dem Podium) hat reizende Einfälle, die aber die fünf Sätze lang an Wirkung verlieren. W. A. Mozarts „Ein musikalischer Spaß“ für zwei Geigen, Viola, Kontrabaß und zwei Hörner ist voll Geist und überlegener Ironie, schildert gleichsam einen Komponisten, der's „nicht kann“. Alle Einfälle und Modulationen geraten woanders hin, als er will. Mozart wußte genau, was er wollte, und die Leute lachten.

Das dritte Konzert im Zyklus „D i c große Symphonie“ leitete Heinz W a 11 b e r g. Das Hauptwerk des überdimensionierten Programms war Bruckners Fünfte. Vor der Pause begleiteten die Symphoniker den Geiger Michel Schwalbe, einen brillanten Techniker mit süßem, schwebendem Ton, der leider an ein recht oberflächliches und konventionelles Stück verschwendet wurde: das einsätzige, 1905 geschriebene Violinkonzert a-Moll von Alexander G 1 a s u n o w (gest. 1936), von dem

Franz Liszt gesagt hat: „Von diesem Komponisten wird die ganze Welt sprechen.“ Sie tat es, aber nur zu Glasu-nows Lebzeiten. Zu Beginn spielten die vielfach geteilten Streicher der Symphoniker — sehr fein und differenziert, zart und klangschön — Theodor Bergen 1933 geschriebene „M a 1 i n c o n i a“, ein „Tonstück“ (wie es der Komponist selbst nennt) von subtilster motivischer Arbeit und raffinierter Instrumentationstechnik. Die Kurzmotive, leisen Ostinati, auf- und abwärtshuschenden Skalen, die Triller und Melismen beschwören, trotz aller dieser Mikrobewegungen, den Eindruck des Statischen, eine panische Stimmung: hoher Mittag, Blätterlispeln, Wasserrauschen, leise Vogelrufe: „ländliche Schwermut“, wie der Komponist selbst den Titel deutet.

Eine Debussy-Feier besonderer Art, zum Abschluß des Debussy-Jah-res 1962, veranstaltete das Französische Kulturinstitut am Lobkowitzplatz. Der neue Leiter, Mr. Deshusses, hatte den 70jährigen Alexis Roland-Manuel zu einem Vortrag eingeladen. Der Schüler, Weggefährte und Biograph Ravels, der Komponist zahlreicher Werke im reinsten klassizistischen Stil der französischen Tradition, der angesehene Musikkritiker und Leiter einer ebenso anspruchsvollen wie populären Sendereihe im Französischen Rundfunk, kann als einer der Berufensten gelten, über Debussys Werk zu sprechen. Seine ebenso geistvollen wie kompetenten Ausführungen wurden durch Klaviervorträge von Janine Da Costa illustriert, eine im Westen hochgeschätzte Pianistin mit auffallend weichem Anschlag und erfreulich klarem, fast zeichnerischen Vortrag der Melodielinien. Viel Beifall eines interessierten Publikums für den Vortragenden und die junge Künstlerin.

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