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Post festum

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Nach dem Fest beginnt der Alltag wieder. Auch in der Oper, auch im neuen Haus. Mit den acht Festopern (einschließlich Ballettabend) konnte man natürlich nicht lange auskommen. Daher wurden in rascher Folge ältere Werke vom Theater an der Wien herübergenommen, adaptiert, zum Teil umbesetzt und als „Neuinszenierungen“ vorgestellt.

Puccinis „La Boheme“ machte den Anfang, und zwar gleich in zwei verschiedenen Besetzungen und unter zwei Dirigenten. Die Bohemiens des ersten Abends waren Karl Terkal, Walter Berry, Paul Schöffler und Oskar Czerwenka. An die Stelle von Berry trat später H. Pröglhöf und an die Schöfflers Marcel Cordes, ein Gast aus München (beide „Neuen“ etwas schwächer). Im ganzen war das männliche Ensemble stimmlich und darstellerisch durchaus auf der Höhe. Hilde Güden. eine der intelligentesten und kultiviertesten Sängerinnen, die wir haben, ist prima vista keine Mimi, aber sie singt und spielt ihre Rolle vorzüglich. Emmy Loose als Musette kann leider nur als Fchlbesetzung bezeichnet werden. Dankbar vermerken wir, daß jenes unmögliche Kostüm, in das man sie bei der Premiere gesteckt hatte, bereits bei der dritten Aufführung durch ein wesentlich geschmackvolleres ersetzt worden war. Den Orchester-part haben wir schon schöner gehört als unter Wilhelm L o i b n e r, zum Beispiel unter Heinrich Hollreiser. Aber wie wär's einmal mit einem italienischen Dirieynten? Und wie wär's mit einer gründlichen Erneuerung (und Aufhellung!) des Bühnenbildes der Mansarde und der Barriere d'Enfer? Nur das Quartier Latin, obwohl viel zu angeräumt, mit einem leuchtenden Himmel ä la Signac als Hintergrund, ist hübsch und pariserisch.

Gibt es eine Steigerung von „vollkommen“? So wurde nämlich an dieser Stelle die Neuinszenierung des „Rosenkavaliers“ im neuen Haus bezeichnet. Durch zwei Umbesetzungen hat das Sängerensemble noch an Natürlichkeit und Glanz gewonnen. Lisa Deila Casa singt jetzt die Marschallin: nobel, beseelt und so ernst, daß man die allzu jugendliche Erscheinung nicht als störend empfindet. — Oskar Czerwenka ist ein gemütlicher, bauern-schlauer Ochs, der auf seine Art sogar sympathisch wirkt (ähnlich wie der große Richard Mayr), weil er — vielleicht — ein wenig sich selbst spielt. Die Sänger und Darsteller der übrigen Rollen, mit Sena Jurinac, Hilde Güden und Alfred Poell an der Spitze, wurden bereits während des Opernfestes gewürdigt. Die musikalische Leitung hat, nach Hans Knapperts-busch, Rudolf M o r a 11, der ausgezeichnete Strauss-Dirigent, übernommen. Wenn er das Orchester da und dort noch ein wenig dämpft, ist auch seine Leistung vollkommen.

Auch die „Z a u b e r f 1 ö t e“ ist ins große Haus übersiedelt, mit einer glänzenden Besetzung nicht nur der Hauptrollen (Kurt Böhme — Sarastro, Wilma Lipp — Königin der Nacht, Hilde Güden — Pamina, Anton Dermota — Tamino, Walter Berry — Papageno, Peter Klein — Monostatos und Paul Schöffler. als Sprecher), sondern auch der Nebenpartien mit den drei „königlichen“ Damen Judith Hellwig, Christa. Ludwig und Hilde Rössel-Majdan sowie mit den drei weiblichen „Knaben“ Anny Felbermayer, Ruthilde Boesch und Dorothea Fraß. Regie führte Josef Witt, aufmerksam und agil leitete Rudolf M o r a 11 die Aufführung. Die aus dem alten Haus übernommenen und adaptierten Bühnenbilder freilich bedürften einer gründlichen Erneuerung und stilistischen Vereinheitlichung.

Im amerikanischen USIS-Theater im Josefssaal in der Josefsgasse wurde Gian-Carlo M e n o 11 i s weihnachtliches Legendenspiel „Amahl und die nächtlichen Besucher“ (in englischer Sprache) unter der Leitung von Milo W a w a k (Regie: Heinrich Krauss, Bühnenbilder: Engele) aufgeführt. Amahl — das ist ein armer, verkrüppelter Hirtenjunge, zu dem, auf dem Weg nach Bethlehem, die „nächtlichen Besucher“, das sind die Heiligen Drei Könige, kommen, um in seiner ärmlichen Behausung zu übernachten. Amahls Mutter stiehlt etwas von dem Gold der „Night Visitors“, der Kleine aber schenkt ihnen, gewissermaßen als Wiedergutmachung, seine Krücke. Und da braucht er sie plötzlich nicht mehr, er kann wieder gehen, springen und tanzen, wie andere Kinder. Diese einfache, anspruchslose und rührende Geschichte hat Menotti selbst ausgedacht und bereits 1951 für den amerikanischen Fernsehfunk komponiert. Ein Wiener Sängerknabe und eine Reihe talentierter amerikanischer Sänger sind die Interpreten dieses naiven und erfreulichen Weihnachtsspieles, zu dem man getrost auch Kinder mitnehmen kann. (Ab JO. Jänner linden — bei freiem Eintritt — etwa zehn weitere Vorstellungen im Josefssaal statt.)

Gern möchte man von dem vorletzten Werk, das Bela B a r t 6 k in Amerika vollendete, sagen, daß es bei jeder Aufführung, von mal zu mal, gewinnt. Aber dieses „Konzert für Orchester“ von 1943, das wir in Wien schon mehrfach, unter anderem unter Wilhelm Furtwängler im Rahmen eines Philharmonischen Konzerts, gehört haben, ist eigentlich eine fünfsätzige Programmsymphonie, deren sehr persönliche Aussage (Heimweh, Sehnsucht, Reminiszenzen und Unbehagen, ja Protest gegen die neue Umwelt) stärker und unmittelbarer ansprechen als die musikalische Substanz und ihre Verarbeitung. Im 4. Abonnementkonzert der Philharmoniker dirigierte Rafael K u b e I i k — zwischen der Egmont-Ouvertüre von Beethoven und der Vierten von Brahms — eine sehr lebendige, kontrastreiche und dramatische Aufführung des Werkes.

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