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Saul und Salomo

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Seitdem sich — es siptLfast gfcnailbaäerf zig Jahre her — der Göttinger Kunsthistoriker Hagen nachdrücklich für die Wiederbelebung der Opern Georg Friedrich Handels eingesetzt hat, sind auch die theatralisch-szenischen Aspekte und Erwägungen in den Oratorien Handels oft diskutiert worden. Sie drängten sich bei der konzertanten Aufführung des „S a u 1“ im Sendesaal des Österreichischen Rundfunks auf, sie sind auch beim „Salomo" im Großen Konzerthaussaal nicht von der Hand zu weisen gewesen, hier vielleicht weniger. Das Oratorium „Saul", in der kurzen Zeit von wenig mehr denn zwei Monaten geschrieben, hat nämlich eine starke innere Handlung, und die von hohem Adel und starkem Ethos erfüllte Musik kann — gute Solisten und einen umsichtigen Dirigenten vorausgesetzt — die Szene entbehren. Diese Bedingungen waren im Rundfunk vorhanden. Tiefen Eindruck hinterließen die einleitende Sin- fonia (übrigens die längste Handels), die Siegesfeier und die Trauerfeier (erster, beziehungsweise dritter Akt). Es wirkten mit: Orchester und Chor des Österreichischen Rundfunks unter Hans Swarowsky: die Solisten Otto Wiener (Saul), Anton Dermota (Jonathan), Sonja Draksler (David), Nina Stano (Merab), Theresa Stich- Randall (Michal) und Kurt Equiluz sowie Franz Fuchs. Das Oratorium wurde in der Einrichtung von Brahms dargeboten.

Selten ist auch das Oratorium „S a- 1 o m o" : hier mußte man schon weit eher an barocke Szenerie denken, obschon die Größe des Werkes weniger im Dramatischen als im Bildhaften liegt — aber die Szene hätte eben diese Bildhaftigkeit beträchtlich unterstützt Wahrscheinlich hat man zur Zeit der Entstehung auf szenische Verwirklichung verzichten wollen. Die Wiedergabe der drei Akte — mit der nicht allzu günstigen Pause nach dem zweiten Akt — hatte vor allem dank der chori- schen Leistung (Wiener Singakademie) überzeugende Kraft, zuweilen sogar Ansätze von Monumentalität, wird ja das wesentliche musikalische Element vom Chor hereingebracht. Von den dreizehn Chören des Originals sind sieben achtstimmig, fünf fünfstimmig und einer nur dreistimmig. Das Hymnische strahlte un- verdunkelt jederzeit auf. Die Solisten boten keine untereinander gleichwertige Leistung. Kostas Pasqualis (Salomo) wirkte ziemlich zurückhaltend und weich; Kurt Equiluz war diesmal vorzüglich, die Charakteristik seiner Tenorstimme rückte die Partie des Zadok weit in den Vordergrund. Mimi Coertse zeigte viel Verständnis für die Tonsymbolik und Akzentuierung. Laurence Dutoit hatte als Königin wirksame dramatische Momente. Das Kammerorchester der Wiener Konzerthausgesellschaft spielte ausgezeichnet, Hans Gillesberger wirkte ‘irti’jedet Hinsicht Ätsammenfassend als Dirigent. Er hat große Geste nicht nötig. Josef Nebois erwies sich als verläßlicher Cembalist.

Die Prager Philharmoniker und Karel A n i e r 1 sind uns von ihrem letzten Wiener Konzert in guter Erinnerung, die herzliche Begrüßung durch das Publikum der Reihe „Große Sympho- n i e“ im Musikvereinssaal war daher begreiflich. In dem durchweg tschechischen Meistern gewidmeten Programm bildeten die Stücke aus Smetanas Zyklus „M a V1 a s t“ (Mein Vaterland) unweigerlich den Schwerpunkt, trotz der beschwingten Ouvertüre zur „Verkauften Braut“, trotz des Violinkonzerts von Dvorak. Nun ist „Ma Vlast“, in dem Stoffe aus der böhmischen Geschichte und Sage verarbeitet und verklärt wurden, eine, man muß das immer wieder hervorheben, untrennbare Reihe von sechs einsätzigen, konsequent thematisch entwickelten Stücken. Auch wenn man daraus fortwährend den zweiten Teil „Vltava“ (Die Moldau) prunkhaft exerziert (als Dank für die stürmischen Beifallsbezeigungen hörte man diesen Abschnitt zusätzlich), und wenn man, wie diesmal, den vierten, fünften und sechsten Teil aus Kontinuitätsgründen hintereinander mit höchster Meisterschaft spielte:

es bleibt eine Lücke. Denn im sechsten Teil (Blänik) erklingt doch als Bekenntnis und Mahnung das Vysehräd-Thema (erster Teil des Zyklus: „VySehräd“). Man entbehrte diese programmatische Einleitung, in welcher der sagenhafte Sänger Lumir sein Saitenspiel rührt. Finden wir doch auch in der „Moldau“ Anklänge daran, ebenso in dem Teil „Aus Böhmens Hain und Flur". „Särka“ hinwieder, diese zehn Minuten des dritten Teiles, bilden einen bedeutsamen Übergang zwischen dem ersten, dem zweiten und dem vierten Satz, zur Naturmalerei der in ungebrochenen Farben angelegten Pastorale „Aus Böhmens Hain und Flur“. Ohne diese Voraussetzungen wirken auch die patriotischen Bekenntnisklänge von „Täbor“ und „Blänik" etwas zu isoliert. Es stellt den Prager Gästen ein schönes Zeugnis aus, daß sie das Fragmentarische auf weite Strecken hin vergessen ließen. Das nächste Mal möchten wir aber doch den Zyklus ungekürzt hören. Mit dem Violinkonzert vo Dvoräk hätte die Spielzeit im ganzen 113 Minuten betragen, bei Verzicht auf die Ouvertüre der „Verkauften Braut". — Das Violinkonzert, im Schatten des Cellokonzerts stehend, das Dvoräk geschrieben hat, empfing das Maß der Interpretation durch die Tatsache, daß auf dem Podium Josef Suk stand, Urenkel Dvoräks und Enkel jenes Josef Suk, der, Geiger des berühmten Streichquartetts, 193 5 in Bene- ar slsestpriieftajs&GlPie , technische Bril- Janz, bei bq;ont§r,: äußerer Ruhe, der klangvolle, nicht zu dicke Tort (eä ist Pfihodaä Stradivari, die da zu hören war), die Fülle des stilistischen Wissens um diese Musik und die ungekünstelte Bekenntnisfreude umfassenden Gefühls haben dem Solisten viel Beifall eingebracht.

Im Institut für Wissenschaft und Kunst gab es einen Kompositionsabend mit Kammermusikwerken von Paul K o n t. — Auf den Komponisten der „Indischen Legende“ und des Wiener Musicals „Traumleben“ (beide zusammen mit Jörg Mauthe), mehrerer Ballette und Bühnenmusiken sowie der Oper „Lysi- strata“ werden wir ein andermal ausführlicher zurückkommen. Hier, an diesem Abend, präsentierte sich Kont vor allem als Liedkomponist mit Zyklen nach Eichendorff, Theodor Storm, Weinheber und polnischen Volksdichtungen. Kont liebt kurze Texte und gibt diesen eine „zusätzliche" aphoristische Formulierung. (In den 15 Liedern — mit Klavier, mit Violoncello und Instrumentaltrio — war keine einzige Wortwiederholung zu beobachten, ebenso fehlt jedes figurale Ornament.) Die Musik folgt streng der Vers- und Strophengestalt, bei Weinheber der des antiken Metrums. So entstehen kleine plastische Gebilde von sprödem Reiz, als deren Paradigma etwa „Der Weckruf“ nach Eichendorff gelten kann. — Die beiden Instrumentalstücke waren freier, rhapsodischer, mitteilsamer, vor allem die „Sonate bjelorusse“ für Violoncello und Klavier aus dem Jahre 1961, deren vier Sätze aber auch nur eine knappe Viertelstunde dauern. — Für seine Werke, die der Komponist am wenig sonoren Flügel begleitete, hatte Kont zwei ausgezeichnete Interpretinnen. Hedy L o u r i £, die vor kurzem ihren ersten erfolgreichen Soloabend im Brahms-Saal gegeben hat, erfreute auch beim Vortrag der zwölf- tönigen „Wiesenstücke" und der „Pinsk“- Sonate durch einen schönen, ausdrucksvoll-warmen Ton und eine dem Duktus dieser Musik fein angepaßte Technik. Christiane Brenning sang mit hellem, guttragendem, intelligent geführtem Sopran die schwierigen Lieder, 25 an der Zahl, ohne zu straucheln und zu schwanken. Sie ist, wie man hört, Mitglied des Volksopernensembles, aber man hat sie dort kaum je gehört ᾠ Sollte es ihr eines Tages auf diesen Brettern nicht mehr gefallen, so hätte Christiane Brenning andernorts und als Liedersängerin sicher eine Karriere vor sich. — Lebhafter Beifall eines interessierten Publikums.

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