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Chorkonzerte und Kammermusik

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Ein Konzert der Wiener Sängerknaben (die in Wien selten genug zu hören sind!) brachte mit alten Motetten (Purcell, Krieger, Palestrina, Gallus) idealen A-cappella-Knabengesang zu schönster Geltung, während im zweiten Teil des Abends moderne Chormusik aufklang. Sie gipfelte in Hans Erich Apostels „O sage, wo du bist", einem sechsstimmigen, äußerst subtile Tönung fordernden Chor von elegischer Grundhaltung, dessen In- tonations- und andere Schwierigkeiten die kleinen Sänger, von Helmuth Froschauer ebenso präzise wie liebenswürdig geführt, mit erstaunlicher Sicherheit meisterten. Von breiterer Wirkung, weil doch einfacher im Klang, erwiesen sich Chöre von Zoltan Kodäly, Waldemar Bloch und Helmut Bräutigam. In kleinen Chören von Mozart und Schubert boten die Knaben auch solistischb Leistungen.

In einem gemeinsamen Konzert des Münchner und des Wiener Gewerkschaftschores hatte man Gelegenheit, die ernste chorerzieherische Arbeit der beiden Dirigenten Rudolf L a m y und Erwin Weiß festzustellen und sich an ihren Ergebnissen zu erfreuen. Die Münchner Gäste boten in der exakten und blitzsauberen Wiedergabe von deutschen Volksliedern (Sätze von Lamy) sowie Chören von Paul Peuerl und Orlando Lasso bemerkenswertes Können, die Wiener mit Werken von Kodäly, David und Hindemith den größeren Schwung. Mit zwei gemeinsam gesungenen Chorliedern klang der Abend aus.

Franz Schmidts Offenbarungs-Oratorium „D a s Buch mit sieben Siegeln“ gehört bereits zum eisernen Bestand der Wiener Konzertprogramme. Unter den verschiedenen Dirigenten des Riesenwerkes darf Heinz W a 11 b e r g als der die dramatischen Effekte am stärksten und straffsten gestaltende gelten. Von den Solisten erreichten Fritz Uhl (Tenor) und Heinrich Harrer (Baß) nicht die ideale Abgestimmtheit der beiden Frauenstimmen Wilma Lipp und Hilde Rössel-Majdan, auch nicht die weiche Fülle der „Stimme des Herrn“ Otto Edelmanns. Die überragende solistiscbe Leistung aber war der Johannes Anton Dermotas. Chor und Orchester klangen ebenso exakt wie ausdrucksvoll. Den bedeutenden Orgelpart mei-terte Josef Nebois.

Der Initiative des Französischen Kulturinstituts danken wir ein Konzert des P a r- renin-Quartetts im Eroicasaal des Palais Lobkowitz. Drei Meisterwerke französischer Kammermusik aus neuerer Zeit standen auf dem Programm: das monothematische, Gabriel Faure gewidmete Quartett von Ravel, Debussys bekanntes Opus aus dem Jahre 1893 und das — auch in Frankreich — weniger bekannte einzige Streichquartett in D aus den Jahren 1931/32 von Albert R o u s s e 1. Es zeigt seinen Schöpfer auf der Höhe der Meisterschaft und ist charakterisiert durch einen dissonant und kontrapunktlich gehärteten Impressionismus. Fesselnd vom ersten Takt mit seinem heftigen Bewegungsimpuls bis zum Fugato des Finales, erfuhr dieses Werk, wie auch die übrigen Stücke, bestmögliche Interpretation durch ein Ensemble, das aus jüngeren Musikern besteht und seit etwa 15 Jahren konzertiert. In dieser Zeit hat das Parrenin- Quartett Weltruhm erworben und die genannten Werke auch auf Schallplatten (Vega) aufgenommen. Sehr lebhafter Beifall eines interessierten, den Saal bis auf den letzten Platz füllenden Publikums.

Paul Anger er versteht es, interessante Programme zusammenzustellen. Sein letztes Konzert mit dem Kammerorchester eröffnete er mit einer aparten Suite von T e 1 e m a n n („Ouvertüre des Nations anciens et modernes“), die klangschön, sauber und 6ubtil vorgetragen wurde. Ebenso erfreulich war die Begegnung mit Frank Martins „C o n- cert pour clavecin et orchestre" aus dem Jahre 1951: ein in seiner Verhaltenheit und Klangkultur sehr typisches Werk des Genfer Komponisten, in welchem man gewissen charakteristischen „Grundfiguren" melodischer und harmonischer Art wiederbegegnet, die erstmalig in der „Petite Symphonie concertante“ formuliert wurden. Geistvoll und apart: die aus vier Miniatursätzen bestehende „Suite Nr. 1" von Igor Strawinsky. — Weniger befriedigend: die Interpretation von Mendels sohns 1. Symphonie c-moll, op. 11, die zu dramatisch, zu wuchtig, zu schwer dargeboten wurde: so, als stamme dieser symphonische Erstling vom jungen Beethoven.

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