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Solistenparade

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Dem neunten Abeonnementkon-zert der Philharmoniker am Pfingstmontag ging tags vorher mit dem gleichen Programm — als Beitrag der Wiener Festwochen — eine Aufführung im Konzerthaus voraus. Der Rezensent, welcher dieser beiwohnte, fragt sich nun, ob es Wahrheit oder Einbildung seinerseits ist, daß unser Meisterorchester das ihm eigene „philharmonische Fluidum“ erst in seinem angestammten „Goldenen Saal“ voll und ganz ausstrahlt, hier also noch besser musiziert als im Konzerthaus. Claudio Abbado, bei Publikum und Orchester gleich beliebt, hat (nicht zuletzt auf Grund der elitären Programmwahl) diesmal wohl das schönste der drei von ihm in dieser Saison geleiteten Philharmonischen Konzerte dirigiert. Bartöks „Deux Portraits pour Orche-stre“ aus einem ursprünglich als Violinkonzert gedachten Opus entstanden (jetzt auch als 1. Violinkonzert bezeichnet), stellen ein und dieselbe Person dar, musikalisch durch ein einziges Hauptthema belegt; doch zeigen die Bilder einmal einen idealen, das andere Mal einen verzerrt-grotesken Ausdruck, worauf die Titel des Andantes und des Prestos hinweisen. In diesem aus dem Jahr 1907 stammenden Frühwerk des Komponisten tritt in manchen Wendungen schon der originelle, revolutionäre Ton seiner späteren Schöpfungen hervor. Mozarts leidenschaftlich-düsteres d-Moll-Konzert (KV 466) mit den Kadenzen von Beethoven spielte Friedrich Gulda, für den erkrankten Rudolf Serkin einspringend, mit der bei 'ihm gewohnten souveränen Technik. Mehr noch: Die zweiten Melodienbögen der Romanze sang der oft so exzentrische Antiromantiker Gulda so wundervoll, als ob er immer nur Mozart-Adagios gespielt hätte. Die ganze reiche orchestrale Pracht, die Debussy in seinen „Nocturnes“ und Ravel in die Klanigfreske seiner symphonischen „Daphnis-und Chloe“-Fragmente hineinlegte, breitete Abbadö wie einen farbsatten Tonteppich vor den höheren aus. Die Begeisterung am Schluß des Konzertes, bei dem auch der Wiener Jeu-nesse-Chor (Ravel-Suite) mitwirkte, riß dem Publikum den Applaus aus den Händen. P. L.

„Rosa mystica“ ist der Titel eines Zyklus von acht Gesängen auf chronologisch weit auseinanderliegende Texte von H. C. Artmann, die sich Gottfried von Einem zum Zweck der Komposition sejbst zusammengestellt hat. Dieses' Auftragswerk und dieses ganze Konzert, von den Philharmonikern unter der Leitung von Dr. Karl Böhm ausgeführt, waren als Geburtstagsgeschenk für Doktor h. c. Manfred Mautner Markhof gedacht, der im September seinen Siebzigsten feiert. Es wurde dargebracht von der Spar-Casse, deren Oberkurator, von der Wiener Konzerthausgesellschaft, deren Präsident und von den Philharmonikern, deren Ehrenmitglied der Jubilar ist. Gottfried von Einem hat in der Zeit vom 8. Jänner bis 19. Februar dieses Jahres die jeweils von einem kurzen signalartigen Motiv eingeleiteten Lieder mit einer Gesamtdauer von 18 Minuten komponiert. Was wir hörten, hätte vor 100 Jahren geschrieben sein können (Hugo Wolf zum Beispiel ist harmonisch differenzierter). Aber man schrieb auch viel später noch in dieser Art, zum Beispiel Richard Strauss seine „Vier letzten Lieder“. Es besteht für den Kritiker daher kein Anlaß, sich mit diesem Werk auseinanderzusetzen noch gar die schöne Feier post festum zu stören. Dietrich Fischer-Dieskau war in Bestform und hat mit baritonaler Dramatik den Solopart vorgetragen, und die Philharmoniker haben unter Dr. Böhms Leitung so schön gespielt, wie seinerzeit bei der Aufführung der bereits genannten Strauss-Lieder. Für die Interpretation der beiden die Novität flankierenden Mozart-Symphonien (die große g-Moll und die Jupiter-Symphonie) kann nur das Prädikat „vollkommen“ gelten.

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Ein merkwürdiges Phänomen ist zu registrieren: Je wichtiger und interessanter die Programme, um so

schlechter ist der Besuch. Das am vergangenen Sonntag veranstaltete Konzert hätte es verdient, vor einem überfüllten Saal stattzufinden. Drei Konzerte Bartöks standen auf dem Programm, und drei ausgezeichnete, hierorts noch unbekannte junge Instrumentalisten waren die Solisten. — Bartöks letztes Werk, das für William Primrose geschriebene Bratschenkonzert, ist nur im Particell auf uns gekommen. Aber Tibor Serly hat es nach den Intentionen Bartöks instrumentiert und die junge Japanerin Nobuko Imai hat mit schönem, vollem, nicttt sehr großem Ton den melodiösen Solopart gespielt. Das Werk hat die Schönheit eines erloschenen Vulkans, und die Interpreten taten gut daran, den eher statischen, zuweilen fast „akademischen“ Charakter dieses Stückes nicht durch falsche Dramatisierung zu kaschieren. — 1926 entstand Bartöks 1. Klavierkonzert, formal mit zwei Sonatensätzen, dazwischen ein etwas steifes Interludium als Andante, im ganzen ein überaus fesselndes Werk, das den Komponisten unterwegs zu neuen Ufern zeigt, auch in der häufigen Bitonalität. Der 1947 in Montevideo geborene Homero Francesch spielte den schwierigen Solopart brav nach Noten, mit Kraft und rhythmischem Elan. — Nach Noten spielte auch, aber keineswegs brav, sondern mit bemerkenswertem Temperament und virtuoser Bravour die 1952 in Rumänien geborene Silvia Marcovici, das zweite, 1938 vollendete Violinkonzert. Sie hat bereits viel im Ausland konzertiert, man braucht ihr die internationale Karriere daher nicht mehr vorauszusagen, sondern kann nur ihren Rang als sehr fähige und interessante Geigerin bestätigen, die sich den Ansprüchen dieses letzten Meisterwer-

Bela Bartök um 1939

kes, das Bartök vor seiner Emigration in Europa schrieb, voll gewachsen zeigte. — Ein Pauschallob gebührt dem mit pädagogischem Geschick begleitenden Dirigenten, Prof. Karl Österreicher, und densehr sorgfältig spielenden Symphonikern, die sich gleichfalls den Schwierigkeiten der Bartökschen Musik voll gewachsen zeigten. Sehr lebhafter und langanhaltender Beifall nach allen Darbietungen für alle Beteiligten.

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