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Von Bach bis Berg

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In fünf, meise achtstimmigen Motetten von Joh; Seb. .Bach zeigte der Sing verein der Gesellschaft der Musikfreunde, geleitet von Reinhold Schmid, sein stimmliches Können in reichster Weise. Die Klarheit in der Führung der Stimmen, ohne Hervorstechen der Themen, alles ohne Mätzchen einer problematischen Interpretation, hob die Wiedergabe zur Meisterschaft. Gewiß wären die Oberstimmen durch den schlankeren Klang von Knaben „bachscher” besetzt, auch dürfte die Größe des Chors, über damalige Verhältnisse hinausgehen, was die Schwierigkeit der Ausführung erhöht und das Klanggewoge leicht wolkig macht; dennoch war die Wiedergabe unter den gegebenen Voraussetzungen vorbildlich.

Im Zyklus „Oesterreichisches Musikschaffen der Gegenwart” hörten wir (Chor des Oesterreichischen Rundfunks, Chor der Wiener Kammerkonzerte, Niederösterreichisches Tonkünstlerorchester, Dirigent Miltiades Caridis) Leopold Mathias Walzels Missa Gregoriana für gemischten Chor und Orchester. Der Titel „Missa gregoriana” ließe auf Verwendung gregorianischer Themen oder, auf gregorianischen (liturgischen) Geist schließen; hier ist weder das eine noch das andere der Fall, Walzel begnügt sich mit pentatonischen Motiven und schreibt eine absolut konzertante Musik, die zweifellos subjektive Aussagewerte, aber wenig musikalische Substanz und Einfall hat. Die Polyphonie bleibt in ihrer ersten Projektion gleichsam Stecken, die Harmonie desgleichen. Mit dem. kirchlichen Text geht der Komponist sehr selbstherrlich um, wodurch dieser seiner Monumentalität ebenso beraubt wird wie seiner Gesetzmäßigkeit. Gegen die ermüdende Gleichförmigkeit des Werkes wirkte die folgende Kantate „Orpheus” von Waldemar Bloch wie erlösend, obwohl hier mit keineswegs neuen Mitteln und sehr unscharfem persönlichem Profil eine primitivere, aber zügige Musik gemacht wird. Die den Abend eröffnende Orgelsonate von Erich Romanovsky bewies saubere und konsequente Führung ihrer allerdings nicht besonders einprägsamen Themen und mehr ruhige Klarheit als Temperament.

Im Furtwängler-Gedächtniskonzert spielten die Philharmoniker unter Leitung von Dr. Karl Böhm Joseph Haydns Symphonie „Mit dem Paukenschlag” und Franz Schuberts „Siebente”. Beide Werke sind uns Erbgut der Tradition, Genußmusik (oder Musikgenuß) im höchsten Sinn, und dennoch unter ganz verschiedenen Voraussetzungen. Dem Alters- tu ntfül s:i nämmt,. . suusritsvasonsJ neis werk Häfydns’ mtP’Sbiner über den Dingen stehenden Heiterkeit tritt hier Schuberts reifste Symphonie und in ihr sein romantisches Lebensgefühl mit den tragischen Untertönen entgegen, ein in mehrfacher Hinsicht direkt auf Bruckner weisendes Werk. Die Ausführung war ebenso beschwingt wie zerebral.

Isolde Ahlgrimm spielte die „Kunst der Fuge”. Es scheint kaum möglich diese Summe von Kontrapunkt klarer, übersichtlicher, entschiedener und nicht zuletzt ausdrucksvoller zu interpretieren. Man war überrascht, als dieses seiner Länge wegen gefürchtete Werk zu Ende war und man keine Müdigkeit, keine” Abspannung verspürte. In der Spiegelfuge für 2 Cembali wirkte Friederike Bret- schneider mit.

Klavierstücke von Alban Berg, Hans Erich Apostel, Friedrich Cerha, Wladimir Vogel, Arnold Schönberg und Frank Martin, ein Programm somit, das an Ansprüchen nichts zu wünschen übrigläßt, spielte die junge Genferin Marianne Bonnet mit exaktem Können, aber auch mit feiner geistiger Deutung und mit der Abzeichnung persönlichen Profils. Bei den meisten dieser Kompositionen (Hans Erich Apostel: Klavierstück op. 8, Friedrich Cerha: 6 Klavierstücke, Wladimir Vogel: Epitaphe ä Alban Berg) vermochte die Interpretin nicht an Vorbildern zu wachsen, mußte vielmehr aus eigener Kraft gestalten. Da es sich um äußerst diffizile Werke handelt (die man häufiger hören möchte), ist die Leistung um so bedeutender. Von den Kompositionen sind die des Jüngsten der Gruppe, Friedrich Cerha, am kompliziertesten zu deuten. (obwohl sie die kürzesten sind); kein Wunder, er baut auf der Kunst der Meister, von denen er hier umgeben war, weiter.

Im Großen Musikvereinssaal konzertierte das Bulgarische Jugendorchester; eigentlich ein Kinderorchester, denn von den 120 Spielern (darunter etwa ein Drittel junge Mädel) sind 50 unter 15 Jahren. Das Orchester kommt von einer Tournee durch Belgien und Westdeutschland, und man versteht, daß es überall, wo es auftrat, großen Erfolg hatte. Es besitzt, zunächst, ein ungewöhnliches Klangvolumen: bereits in der zur Eröffnung gespielten „Ouvertüre solennelle” von Händel vollführte es einen so intensiven festlichen Lärm, daß man den Eindruck hatte, das lauteste Orchester zu hören, das je im Musikverein gespielt hat. Die jungen Musici wirken keineswegs ;,auf Perfektion dressiert”: in Bachs 3. Brandenburgischen Konzert gab’s im 1. Satz bei den tiefen Streichern kleine Pannen, und im letzten Satz liefen die Geigen dem Dirigenten Wladi Simeonoff einfach davon: was dieser mit einem Lächeln quittierte. In den mittleren Teilen von Beethovens 1. Symphonie , haben sich die jungen Spieler ein wenig gelangweilt, aber im Räkoczi-Marsch und in Wagners Meistersingervorspiel legten sie los, daß einem die Ohren dröhnten. Das ganze Ensemble birst gewissermaßen vor Tatendrang und Vitalität; Technik und Disziplin einzelner Gruppen sind hervorragend. Das war einmal ein lustiges und wirklich unterhaltsames Konzert! (Zu Uen Kuriositäten der Gäste gehört, neben den roten Krawatten, auch, daß sie ein Stück im Repertoire führen, das „Die lustigen Weiber von Nürnberg” heißt und identisch ist mit der eben erwähnten Meistersinger-Ouvertüre von Wagner.)

Am gleichen Abend dirigierte Raimund Weißensteiner im Großen Konzerthaussaal sein alljährliches Kompositionskonzert. (Es spielten die Wiener Symphoniker, Solistin war Gertraud Hopf, Sopran.) Sämtliche Werke wurden an dieser Stelle bereits anläßlich ihrer Erstaufführung besprochen: die 5. Symphonie, die Choralvariationen Nr. 2 und die Hymne „O nun Liebe Du” für Sopran und Orchester.

Ein öffentliches Rundfunkkonzert mit besonders interessantem und hörenswertem Programm leitete Kurt Richter: Gottfried von Einems Suite aus der Oper „Dantons Tod”, Milhauds Harfenkonzert und Prokofieffs III. Symphonie. Die Sendung findet am 13. Mai um 21,10 Uhr im 3. Programm statt und wird darnach an dieser Stelle besprochen.

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