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Internationales Mozart-Fest

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Es wurde Sonntag durch den österreichischen Bundespräsidenten eröffnet und begann mit einem glanzvollen Konzert der Wiener Philharmoniker unter Dr. Karl Böhm, das neben zwei seltener gespielten Werken, der Symphonie Es-dur, KV 184, und dem Klavierkonzert G-dur, KV 453, die bekannte g-moll-Symphonie KV 550 umfaßte. Als pianistischer Interpret zeigte sich Geza Anda dem Elan der Philharmoniker gewachsen. Besonnte Klarheit über perlenden Passagen, in rhythmische Präzision gefaßt, machte das Klavierkonzert zum Juwel, ohne die Herzenswärme der g-moll-Sympho-nie zu erreichen. In der Festrede schilderte Univ.-Prof. Dr. Erich Schenk Mozart als den europäischen Menschen und vollendetsten Künder europäischen Geistes, den freilich nur ein Europa der geistigen und gesellschaftlichen Einheit hervorbringen konnte. — Gleichsam als Vorausnahme zum Fest erlebten wir die festliche Aufführung von. i C o s i f a n t u 11 e“ im Redoutensaal, deren künstlerische Höhe keinen Wunsch offen ließ, es sei denn hinsichtlich der Akustik des unvergleichlich schönen Saales, der durch Architektur und Bestimmung alle Kluft zwischen Bühne und Zuschauer aufhebt. Irmgard Seefried und Christa Ludwig als die beiden Schwestern Fiordiligi und Dorabella, Anton Dermota und Erich Kunz als ihre Freier, Emmy Loose als Despina und Paul Schöffler als Don Alfonso hoben stimmlich wie darstellerisch, mit vollendeter Haltung und dadurch ermöglichter vielfacher, übermütig improvisierter Gestik den Hörer weit über das in seiner Simplizität und “Stilisiertheit wenig ergiebige Textbuch hinaus in die beglückende Welt mozartscher Vollendung, getragen auf den Flügeln des glitzernden und schwebenden Orchesters. Dr. Karl Böhm als Mozartdirigenten loben hieße das Einmaleins aufsagen.

Drei Ausstellungen sind in ihrer Fülle und Weltweite in einmaliger Art Weiser in Mozarts Leben und Schaffen, in seine Zeit und seine Welt, die nicht aufhört. Die erste und gleichsam innerlichste: „Mozart, Werk und Zeit“ im Prunksaal der Nationalbibliothek, veranstaltet im Auftrage des Bundesministeriums für Unterricht von der Oesterreichischen Nationalbibliothek im Zusammenwirken mit anderen Sammlungen. In 61 Vitrinen werden über 300 Objekte gezeigt: Briefe, Textbücher, Theaterzettel, Porträts, Städteansichten und Kulturdokumente des 18. Jahrhunderts, ein Stammbaum der Familie Mozart und eine Landkarte seiner Reisen. Von besonderem Interesse sind die ausgestellten Instruinente der Mozartzeit, worunter die Blasinstrumente in ihrer ganz anderen Form als wir sie heute kennen, direkt musikgeschichtlichen Anschauungsunterricht bedeuten. Die Ausstellung ist mit großer Liebe, Ehrfurcht und Sorgfalt durchgeführt und hinterläßt nachhaltigen Eindruck. Sie v/ird aufs Liebenswürdigste ergänzt durch die vom British Council gezeigte kleine Schau „M ozart und England“ im Portikus der Albertina. Den historischen Bildern und Dokumenten reihen sich hier solche der Entwicklung des Mozartkults in England bis auf den heutigen Tag an, der für wahre Größe immer offenen Nation zur Ehre und der Weit zur Freude gereichend. — Heutiges Wirken zeigt in großem Stil die Ausstellung „Technik im Dienste von Musik und Musikwissenschaft“ im Festsaal der Wiener Universität, unter deren Titel sich eine verwirrende Fülle verbirgt. Instrumentenbauer, Verleger, Tongeräte aus aller Welt kommen mit dem Besucher in unmittelbare Berührung, was von abermals weltweiter Bedeutung dadurch bewiesen wird, daß diese mit Unterstützung des Ministeriums für Handel und Wiederaufbau durchgeführte und von Prof. Wilhelm Rohm betreute Ausstellung im Rahmen des Internationalen Musikwissenschaftlichen Kongresses steht und in der Tat internationale Arbeit und Erzeugung sich dem internationalen Besucher und Wissenschaftler unmittelbar präsentiert. Auch hier ist — wie wäre es im Mozartjahr anders denkbar — Wolfgang Amadeus Mozart Mitte und Kern, was allein schon die Mozartausgaben der verschiedenen Länder beweisen. Bereits der Beginn des Mozartfestes ist dergestalt eine Schau ins Tiefe und Weltweite der Kunst und Wissenschaft von bisher nicht gekanntem Ausmaß.

Klar und streng wie sein aus dem gregorianischen Choral entwickelter Stil erklang Tommaso Ludovico da Vittorias Officium defunetorum in vorbildlich lebendiger Wiedergabe durch den Wiener Kammerchor unter Hans Gillesberger. Es war verdienstvoll, dieses sehr selten gehörte Werk vorzuführen, und zugleich ein Beweis mehr, daß der liturgisch gebundenen Musik im Konzertsaal das Wesentlichste fehlt, das innere Leben, das nur als musikliturgische Funktion sich räum- und herzfüllend ausschöpft und daher Domkirchen erfüllt und im Konzertsaal dürftig bleibt. Etwas davon, wenngleich in ganz anderem Sinne, gilt auch für Anton( Bruckners Messe in e-moll für achtstimmigen Chor und Bläser, die in der Wiedergabe (in der Fassung von 1882) dem Werk Vittorias folgte. Hier ist natürlich der liturgische Charakter von allen Klangwundern der Romantik umblüht, wie es neben und nach Bruckner nie mehr geschah. Aufbau und Steigerungen, innere wie äußere waren in der Ausführung, die sichtlich von der Freude der Ausführenden getragen wurde, vorbildlich dokumentiert, alle Lichter der stimmlichen und instrumentalen Mixturen blitzten und alle metaphysischen Untertönungen schwangen. Dennoch fehlte auch hier zur vollen Erfüllung der Musik das gottesdienstliche Geschehen, dem sie dient. Singakademie, Kammerchor und Symphoniker wuchsen unter Gillesbergers Intentionen zu einer geistbedingten Einheit zusammen, die gleichwohl hymnisch sakral zu wirken vermochte.

Mittel- und Höhepunkt des vom Konzert hausquartett gestalteten Abends (Zyklus IV, 7. Konzert) war Anton Dvoraks Streichquartett F-dur, op. 96, das in allen seinen Stimmen sang und schwang und seine thematischen Meisterführungen echt musikantisch mit vollem Herzen ausbreitete, wobei dem ausdrucksvollen Cello ein Sonderlob gebührt. Die umrahmenden Werke: Haydn-Streich-quartett f-moll, op. 20/5, und Präzision der Wiedergabe etwas bläßlich im Vergleich zum Mittelwerk.

In der Schweizer Altistin Elsa C a v e l,t i legitimierte sich eine Sängerin und eine Persönlichkeit von weit überdurchschnittlichem Format. Die warme, große, vorbildlich gut geführte Stimme vermochte sich (allerdings durchwegs der Romantik zugehörenden Liedern) sehr differenziert auszugeben, erstaunlich gut bei Schubert und Hugo Wolf, deren letztes, Oesterreichisches ihr begreiflicherweise verschlossen bleibt wie das SpanischrFurioso der Can-ciones von Manuel de Falla; dagegen vermochte sie in Gesängen von Othmar Schoeck die zuweilen etwas dürftige Schlichtheit mit ihrer ganzen stammverwandten Wesenheit zu erfüllen und sie zum Erlebnis, zu verdichten. Hans Willi Haeußlein betreute den Klavierpart.

Nicht sehr groß, doch kultiviert und beweglich und von einschmeichelnder Tönung klingt der Bariton voh Camille M a u r a n e, der in der Interpretation alter Gesänge (Monteverdi, Hammerschmidt, Lully und französische Chansons aus dem 15. Jahrhundert)' eine künstlerisch sehr ansprechende Leistung bot. Unter den Komponisten jüngerer Zeit waren Claude Debussys Lieder „Jeau soir“ und „Mandoline“ die, bedeutendsten: allerdings vermochte Maurane den intimeren (und sentimentaleren) Liedern von Duparc, Reynaldo Hahn usw., ihre besonderen Stimmungsfarben zu geben, wodurch der Abend in ein sehr apartes Fluidum getaucht war, Franz Krieg

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