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Mit zwölf Kontrabässen

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Im Großen Musikvereinssaal: das kulturelle und das offizielle Wien, vor allem das letztere, und auf dem Podium das Orchester in Frack und in voller Besetzung, etwa 125 Mann. Auf dem Programm: Beethovens „Große Fuge B-dur“ und die „A 1 p e n s y m p h o n i e“ von Richard S t r a u s s. Das war das von Wolfgang S a w a 1-lisch geleitete Festkonzert anläßlich des 60jährigen Bestandes der Wiener Symphoniker. — Angesichts des festlichen Anlasses soll das Programm nicht kritisch gewertet werden, schließlich will ein fleißiges und mit schwierigen neuen Werken vielstrapaziertes Orchester auch einmal glänzen und bei den vielen offiziellen Gästen Gefallen finden. Und dafür eignet sich Straussens 22teiliger Bilderbogen in Agfacolor ganz ausgezeichnet. —' Beethovens Streicherfuge ist ein großes, ernstes und bedeutendes Werk. Aber zur Intensivierung der Spannung, die es von der ersten bis zur letzten Note erfordert, hat die Riesenbesetzung mit 12 Kontrabässen und insgesamt etwa 80 Streichern auf dem Podium nicht beigetragen. — Die Jubilare wurden zu Beginn in einem Festprolog von 0. M. Fontana und am Schluß lebhaft und lang anhaltend von ihrem Publikum gefeiert.

Paul Sa eher aus Basel, alljährlicher und immer gern gesehener Gast im Wiener Konzerthaus, hatte zwei Standardwerke neuer Musik auf das Programm seines heurigen Konzertes mit den S y mp h o n i-kern gesetzt. — Bela Bartöks Zweipersonenoper in einem Akt „H e r z o g Blaubarts Burg“, 1911 geschrieben, aber erst 1918 in Budapest szenisch uraufgeführt, wurde an dieser Stelle wiederholt besprochen. Diese inäpirierte, durchaus schon eigenartige Musik eines kaum 30jährigen erweist immer wieder ihren Rang und ihre Suggestionskraft. (Heinz Rehfuß und Ira Malaniuk waren die Hauptrollen-träger.)' Aber jetzt sollte man 6ie, nach so vielen erfolgreichen Konzertaufführungen, endlich einmal auf die Opernbühne bringen. Freilich nur mit einem Regisseur und einem Bühnenbildner, denen etwas einfällt. — Strawinskyj 1945 geschriebene „S y m-phonie in drei S ä t z e n“, eine Summa seines kompositorischen Könnens, seines Witzes und seiner verwandelnden Kraft, geriet merkwürdig spannungslos und trocken, so daß man minutenlang zweifeln konnte, ob hier jenes Stück gespielt wird, das wir als ein Meisterwerk in Erinnerung haben.

Zwei Harfenkonzerte standen auf dem Programm des von Paul Anger er geleiteten zweiten Konzerts des Kammerorchesters im Mozart-Saal. So verschieden die beiden Komponisten und ihre Werke sind, so zeigt sich doch, daß die Harfe zu einer umgänglicheren Sprache anleitet und auch solche Meister zu Impressionismen verführt, denen diese sonst nicht gerade in die Wiege gelegt sind. — Bei Hindemith dominieren und gelingen am besten die bewegten Sätze (sein Werk hat auf weite Strecken den Charakter einer Spielmusik), in Kreneks Konzert gibt es zwei langsame Sätze, von denen das Schlußadagio der weitaus gelungenste ist. Sein „Humor“ ist eher grimmassierend, wie zumeist bei den Zwölftönern (das begann schon bei Mahler.'). Luise D r e y e r - Z e i d 1 e r war die tüchtige Solistin, der vor allem für die Bewältigung des ziemlieh spröden Soloparts im Krenek-Konzert Anerkennung gebührt, das Kammerorchester unter Paul Ange-ters Leistung begleitete fast ausnahmslos präzis und spielte zu Beginn des Konzertes eine schöne, mehr-sätzige Ouvertüre in C (eigentlich eine Suite) von J. J. Fux und zum Abschluß die Serenade Nr. 1 von Brahms (in Symphonieformat). ;

Enrico Mainardi, alljährlich Gastin unseren Konzertsälen und weltbekannter Meistercellist, braucht im einzelnen nicht votgestellt zu werden. Es spricht für den Künstler Mainardi, jaß er der reinsn. Virtuosenprogramme müde geworden zu sein scheint (die Literatur für das Cello ist ja auch wirklich armselig). An den Anfang seines Konzerts stellte er die von heftigen Bewegungsimpulserl bestimmte Sonate op. 11, Nr. 3, von Paul Hindemith, ein Stück aus dem Jahr 1923, in dem man das Draufgängertum des damals 27jährigen Erzmusikanten mit Vergnügen spürt. M a i n a r d i s eigene Sonate für Violoncellosolo, dreisätzig und vor einem; Jahr geschrieben, hat rhapsodischen Charakter und nutzt, selbstverständlich, alle technischen und klanglichen Möglichkeiten des Instruments. Aber nicht nur das: sie hat auch Phantasie und, in einigen sehr aparten Klangzaubereien, unüberhörbare Eigenart.

Daß es in Wien immer noch Hauskonzerte von hohem Niveau gibt, bezeugte ein Abend im Salon von Dr. Otto Mayr. Hier spielte Eduard Melkus (der vor kurzem in einem eigenen Konzert mit Partiten und Solosonaten von Bach hervorgetreten ist), begleitet von Lily Schönburg, Sonaten von Beethoven und Schubert. Die Leistung des Geigers und seiner Begleiterin können als durchaus podiumreif bezeichnet werden. Helmut A. Fiechtner

Das „Konzert für Orchester“ von Bela B a r 16 k, in der „Furche“ von früheren Aufführungen her wiederholt besprochen, ist als Symphonie mit konzertantem Finale zu bezeichnen und eines der packendsten Werke des großen ungarischen Komponisten. Im 4. Philharmonischen Konzert erfuhr sie unter Herbert v. K a r a j a n eine Wiedergabe, die ihrem ausdrucksmäßigen wie ihren virtuosen Werten in glänzender Weise entsprach. Ihrem Sehnsuchtsund Heimwehgedanken ging der Ausdruck des Entsagens und sich Bescheidens in der III. Symphonie von Johannes Brahms nahezu parallel, bei aller Verschiedenheit der Mittel und der zeitlichen Struktur hier wie dort das tönende Manifest der Einsamen.

Im Zyklus „Die Große Symphonie“ legitimierte 6ich der junge Dirigent Christoph v. Dohnänyi als bewußter Gestalter und sicherer Orchesterführer. Anton Bruckners IV. Symphonie wurde formal straff und klar, in Maß und Gewicht ausgewogen präsentiert, verlor allerdings etwas von ihrem Unsagbaren, Untergründigen. Das Konzert für Klavier und Orchester von Joh. Seb. Bach bezog seine Wesenheit und Aussage vom Solisten Friedrich G u 1 d a, der auch klanglich dem Klavier fast cembaleske Farben entlockte. Die vorangehende Ouvertüre zu „A 1 k e s t e“ von Christoph Willibald Gluck geriet rhythmisch und formal exakt, und dies so sehr, daß sie fast eckig wurde.

Die Bläserkammermusikvereinigung der Wiener Symphoniker bestach wieder einmal durch die blitzende Sauberkeit ihrer Intonation und ihrer rhythmischen Feinheiten bei einem diesmal leider nicht sehr ergiebigen Programm, das in der Serenade op. 7 von Richard S t r a u s s gipfelte, darin sich ein junger, vitaler und genialer Komponist in reichen Einfällen aussingt. Gerade die Einfälle waren es, die den anderen Werken nur spärlich gegeben waren. Beethovens Oktett op. 103 ist trotz der hohen Opuszahl ein Frühwerk mit allen Kennzeichen damaliger Tafelmusik, und Anton D v o r a k s Serenade op. 44 gehört zweifellos zu den späteren Werken des böhmischen Meisters. In Franz Hasen-öhrls Sinfonietta für 13 Bläser freut man sich des gekonnten Handwerks, ohne einer zwingenden Aussage zu begegnen.

Der Madrigalchor Sankt Veit veranstaltete gemeinsam mit dem Schülerchor der Bundesrealschule Wien III und dem Volksopernorchester eine Aufführung von Joh. Seb. Bachs „W eihnachts-oratorium“, dessen erster Teil nicht hoch über eine Schulaufführung hinauskam. Nach der Pause aber fanden sich die Kräfte zu schönem geistigem und gestaltungsreichem Musizieren, das der Dirigent Xaver Mayer zu beschwingter Aussage steigern konnte. Der Chor intoniert sicher und sauber, im Orchester hatten besonders die Trompeten schwierige Passagen, und man merkte es. Unter den Solisten boten Annelies Hückl (Sopran) und Kurt Equiluz (Tenor) die stimmlich und stilistisch besten Alexander J e n n e r spielte an seinem 1. Klavierabend Werke von Claude Debussy, Maurice Ravel und Igor Strawinsky. Erstaunlich und bravourös, wie er die diffizilen Feinheiten Debussys, die aparten harmonischen Beziehungen Ravels und gleichsam als Kontrapunkt dazu die übereinandergelagerten Rhythmen und „Bilder“ Strawinskys (Trois mouve-ments de „Petrouchka“) mit grandioser Sicherheit zu gestalten wußte. Dies verbunden mit einer persönlichen Bescheidenheit, die nicht nur sympathisch, sondern auch künstlerisch von Bedeutung ist, da sich in ihr mehr offenbart als das Virtuose allein.

Mimi C o e r t s e, begleitet von Viktor Graef, überraschte an ihrem Liederabend durch die ebenso einfache und natürliche als künstlerisch durchdachte Wiedergabe von kleinen Gesängen von J. S. Bach und Joseph Haydn, die man sich kaum erinnert, so liebenswürdig gehört zu haben. Auch Lieder von Schubert und Hugo Wolf, sorgsam ausgewählt, gelangen ihr überzeugend, selbst wenn die Stimme dem kleinen Raum und dem kleinen Lied sich nicht immer richtig anzupassen versteht, in der tieferen Lage auch nicht trägt. Vier Lieder von Arnold van Wyk 6ind Stimmungsbilder' im Stil des Nach-. Impressionismus.

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