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Konzertante Oper und Pezzi sacri

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Alban Bergs Oper „Lulu“, nach den Tragödien Wedekinds „Erdgeist“ und „Die Büchse der Pandora“, wurde 1929 begonnen und im Particell 1934 fast beendet. Die Vollendung und Instrumentierung des dritten Aktes hat Berg zugunsten des Violinkonzerts zurückgestellt, so daß, als der Komponist am 24. Dezember 193 5 starb, der letzte Akt als Torso hinterlassen werden mußte. Man hat aber trotzdem Lösungen für eine szenische Realisierung dieses Werkes gesucht und gefunden. Über einen dieser Versuche berichteten wir anläßlich der Berliner Festwochen 1958, in deren Rahmen die Hamburger Staatsoper mit „Lulu“ gastierte. In Wien wurde Bergs letzte Oper noch nicht szenisch, wohl aber, vor mehr als zehn Jahren,' im Wiener Konzerthaus aufgeführt, wo auch die heurige konzertante Darbietung, als gemeinsame Veranstaltung mit den Wiener Festwochen, stattfand. Unter der Leitung des italienischen Komponisten und Dirigenten Bruno M a d e r n a haben die Wiener Symphoniker, besonders bei der Wiedergabe einiger Zwischenspiele, ein Höchstmaß an Disziplin und Klangkultur gezeigt. Von den neun Sängern, von denen mehrere in Doppelrollen beschäftigt waren, müssen vor allem die beiden Protagonisten hervorgehoben werden: die junge Amerikanerin Evelyn Lear (eine geradezu sensationelle Entdeckung, was dramatische Intensität, Timbre, Kra't und Schönheit der Stimme betrifft) sowie der in Italien lebende rumänische Tenor Petre M u n-t e a n u als Aiwa (eine erstklassige Belcantostimme von edlem metallischem Klang und berückend schönem lyrischem Espressivo). Für beide Sänger bedeutete der schwierige deutsche Text eine zusätzliche Belastung, die jedoch mit Einfühlung und Intelligenz überwunden wurde. In den übrigen

Rollen: Margit Kobeck, Margareta Sjöstedt, Kurt Equiluz, Heinz Rehf.uss, Scipio Colombo, Hans Braun und Erich Majkut. Die hochdifferenzierte farbige und ausdrucksvolle Musik Alban Bergs machte einen tiefen Eindruck.

Das Philharmonia Orchestra of London setzte den am Eröffnungstag der Wiener Festwochen begonnenen Beethoven-Zyklus unter Otto Klemperer fort und gab zwei weitere Konzerte unter der Leitung von Carlo Maria G i u I i n i und Heinz W a 11 b e r g. Das Paradestück des ersten Konzertes war Strawinskys „Feuervogel“-Suite, die sogar noch bei der Rundfunkübertragung in leuchtenden Farben glänzte, das des zweiten Ravels „Bolero“, der auch im fff der letzten Minuten von vollkommener Tonschönheit war (Trompeter!). In den „Vier letzten Liedern“ von Richard Strauss, die Elisabeth Schwarzkopf sang, erwies sich das Orchester als subtiles Begleitensemble, nicht minder in dem von Wolfgang Schneiderhan mit großem Ton vorgetragenen Violinkonzert von Brahms, während dem Dirigenten Heinz Wallberg das Feingefühl für den Nervenkontrapunkt Mahlers („Kindertotenlieder“, gesungen von Marga Höffgen) zu fehlen scheint, so daß die Wiedergabe dieses Werkes etwas matter geriet. Intensität des Streicherklanges konnte man bei Schönbergs „Verklärter Nacht“ (unter Wallberg) ebenso bewundern wie im Tristan-Vorspiel (unter Giulini). Ilelmut A. Fiechtner

Mit den Wiener Sängerknaben, dem Chorus Viennenis und den Symphonikern gestaltete Wolfgang Sa wallisch die „Q uattro pezzi sacri“ von Verdi zu eindrucksvoller Wirkung, die besonders beim Te Deum die ganze Größe und Weihe Verdischer Sakralmusik erreichte. Wo räumliche und künstlerische Mittel es ermöglichen, dürfte dieses Werk im Gottesdienst seinen richtigsten Platz haben. Im folgenden „D e t-t i n g e r T e Deum“ von G. F. Händel boten Otto Wiener, Kurt Equiluz und ein ungenannt gebliebener Sängerknabe schöne solistische Ledstungen, während der Chor (in elf von vierzehn Nummern) seine gewaltige Aufgabe verschiedener Ausdrucksformen zwischen dramatischer Bewegtheit, hymnischer Breite und homophoner Schlankheit vorbildlich löste.

Von der ins Festwochenprogramm eingebauten Kirchenmusik hörten wir eine künstlerisch (und liturgisch) vorbildliche Ausführung der M i s s a c h o r a 1 i s von Franz L i s z t in der Franzikaner-kirche, gestaltet durch den Akademiekirchenchor unter Hans Gillesberget, das Choralproprium unter Franz Kosch. Die Ausführenden: ein unter ständiger Schulung stehender Chor, stimmlich und persönlich ausgewogen, erfreulich im geistigen Habitus und in der singenden Einheitlichkeit. Schwerer hat es der Chorleiter in den Vorstadtkirchen (Joseph Haydns Theresienmesse in der Karmeliterkirche), wo statt der ausgewählten Stimmen da ist, was eben kommt und die (zumeist honorierten) Sänger und Spieler von Fall zu Fall oft andere sind und die wünschenswerte Abgestimmtheit und Ausgeglichenheit daher nur selten erreicht werden kann.

Irmgard S e e f r i e d und Eberhard Wächter sangen in einer von Erik W e r b a besorgten (und begleiteten) dialogischen Reihung alle 4; Gesänge des Italienischen Liederbuchs von Hugo Wolf. Die geistvollen, elegischen, öfter aber spöttischen und humorigen Lieder boten sich in dieser Interpretation wie eine (kurze!) Szene aus einer ungeschriebenen heiteren Oper, obwohl die Gestik der Singenden sich mit Andeutungen begnügte. Frau Seefrieds nuancenreichere Ausdruckskunst wurde der musikantisch ein wenig schwereren Darstellung Wächters ein übermütiger und äußerst silbenreicher Kontrapunkt. Und Erik Werba spielte als Dritter im Bunde.

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