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Randbemerkungen zu Konzertprogrammen

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Ein Festkonzert aus Anlaß des Geburtstags des Bundespräsidenten und zugunsten der Theodor-Körner-Stiftung für Kunst und Wissenschaft wurde von Rudolf Moralt, dem Festdirigenten, und den Wiener Symphonikern in Lack und Frack exekutiert. Dem repräsentativen Charakter entsprach das Repräsentationsprogramm:

Meistersinger-Vorspiel, Richard-Strauss- und Marx- Lieder von Irmgard Seefried verfeinernd und stellenweise vertiefend interpretiert sowie Straussens Monster- und Ueber-Makart-Tongemälde, die „Alpensymphonie". Weniger festlich wirkte eine mehr als halbstündige Pause, die eingelegt werden mußte, da einige Bläser nicht rechtzeitig zur Stelle waren ...

Mischa El m an, einer jener großen Geiger, die aus dem östlichen Getto kamen und zu Weltruf aufstiegen, hat in Wien so lange nicht konzertiert, daß sein Name ein wenig vergessen schien. Aber er macht ihm noch alle Ehre, wenn auch von Elmans charakteristischem süßen Flötenton, den man von früher im Ohr hatte, kaum mehr eine Spur geblieben ist. In der Cesar-Franck-Sonate erreichte der heute etwa Sechzigjährige klassische Größe und bedeutenden Ausdruck; den Leerläufen und Akademismen von Glazunows Violinkonzert vermag auch er keinen Inhalt zu geben. Aber in der „Malaguena" von Fritz Kreisler war plötzlich der Zauberton von ehemals da, dem dieser Geiger einst seinen Ruhm verdankte ...

Nicht unbekannte junge Solisten oder Spezialisten für neue Musik waren die Ausführenden des Bela-Bartök-Konzerts im Zyklus „Mu- sica viva", sondern Irmgard Seefried und Wolfgang Schneiderhan, von Erik Werba und Carl Seemann begleitet, hatten sich in den Dienst dieses strengen und anspruchsvollen Meisters gestellt. Die „Dorfszenen" nach slowakischen Hochzeitsgedichten können in ihrer Vereinigung von Urtümlichem, fast Barbarischem und Hochspirituellem geradezu als Paradigmata für Bartöks Kunst und Stil gelten. Irmgard Seefried hat in einem klugen und gründlichen Aufsatz in der letzten Nummer der „Oesterreichischen Musikzeitschrift" 9. Jahrgang, Heft 4 über ihren „Weg zu Hindemith und Bela Bartök" berichtet und die Schwierigkeiten geschildert, die der Interpret dieser „Lieder" zu bewältigen hat. Kein Wunder, daß nach so gründlicher gedanklicher Auseinandersetzung auch die künstlerische Gestaltung so hervorragend, ja geradezu beispielhaft geriet. — Die sehr spröde und noch schwierigere Violin- sonate aus dem Jahr 1922, die eine Krise in Bartöks schöpferischer Entwicklung widerzuspiegeln scheint, spielte Wolfgang Schneiderhan mit echter Hingabe und Selbstverleugnung. Die instrumentalen und klanglichen Härten, die eigentümliche Abstraktheit und Verbohrtheit einzelner Stellen führt oft an die Grenze des eben noch Erträglichen. Erik Werba und Carl Seemann waren ausgezeichnete Begleiter; letzterer setzte sich als Solist für die recht undankbaren „Improvisationen” und die spielerische, Dudelsack und Bärentanz malende, freilich ihren Titel kaum rechtfertigende ..Sonatine" aus dem Jahre 1915 ein.

Das letzte Musica-Nova-Konzert im großen Sendesaal der R a v a g, das am 12. Mai um 20.30 Uhr über den Sender Wien I übertragen wird, zeichnete sich durch ein interessantes Programm und die wohldosierte Mischung von Gefälligem, Klassisch-Gültigem und Extrem-Abseitigem aus. In seiner „Sinfonietta la Jolla" aus dem Jahre 1953 bietet Bohuslaw Martinu genau das, was man von einem jüngeren, temperamentvollen, aber wohlerzogenen Landsmann von Smetana und Dvorak erwartet. Die persönliche Eigenart des Komponisten, der stärkere Werke geschrieben hat als das besprochene, manifestiert sich erst im letzten Allegro-Satz. In seiner dreisätzigen „Kleinen Suite für Streichorchester" spricht der 1904 geborene und 1949 verstorbene griechische Komponist Nikos Skalkottas jene dodeka- phonischc Allerweltssprache, die sich während der letzten zehn Jahre immer mehr durchzusetzen scheint. Mehrfache Teilung der Streicher und eine gewisse Farblosigkeit erschweren das lineare Hören, während die konzise Form und häufige Baß-Ostinati der Plastik der einzelnen Sätze und der ganzen Komposition zugute kommen. Igor Strawinskys „Konzert für Klavier und Blasorchester", 1924 geschrieben, nimmt um Schaffen des Komponisten etwa jene Stellung ein, die der „Mathis" bei Hindemith hat: es bezeichnet einen Höhepunkt schöpferisch-gestaltender Kraft und stilistischer Geschlossenheit. — Ernst K f e n e k s „Potpourri" op. 54 aus der „Jonny"-Zeit ist grell, parodistisch und sentimental wie die Schlagerplatten der zwanziger Jahre. Wie oft bei Kfenek, weiß der Hörer nie genau, wann er vom Autor „auf den Arm genommen" und wann er fallen gelassen wird, mit anderen Worten: was ernst und was ironisch gemeint ist. Carl Seemann Klavier und die Wiener Symphoniker waren die Ausführenden, Felix Prohaska hat die vier grundverschiedenen Stile der Werke sicher erfaßt und dirigierte genau und elastisch.

Weniger ergiebig war das „S o 1 i s t e n k o n- z e r t" des Wiener Kammerorchesters unter der Leitung Michael Gielens. Eine „Konzertante Symphonie" von D i 11 e r s d o r f für Kontrabaß und Bratsche,, ein prunkvoll-farbenprächtiges „Concerto a cinque" von Respighi, die altertümlich stilisierte „Franciscus-Legende" für Tenorsolo und Soloinstrumente von einer bekannten Persönlichkeit des österreichischen Wirtschaftslebens, die sich bescheiden unter dem Pseudonym Freihofer verbirgt, sowie das Cellokonzert von 1931 von Bohuslav Martinu boten einer Reihe jüngerer Solisten, mit dem jungen Dirigenten an der Spitze. Gelegenheit, sich an verschiedenartigsten Aufgaben zu bewähren. .Für sie alle, die Lobenswertes geleistet haben, stehe der Name des Solisten im Martinu-Konzert, Ludwig Beinl. Junge, talentierte Künstler im Dienst neuer Werke — das ist immer ein erfreulicher Anblick und Eindruck.

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