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Ariadne, Bruckner-Konzert und Cantica Davidi Regis

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Auf „Ariadne auf Naxos“, die Oper mit dem geistvollsten Libretto und der feinsten Musik, die Richard Strauss geschrieben hat, — dieses Schmerzens- und Lieblingskind von Hofmannsthal und Strauss, freut man sich immer schon im voraus. Diesmal war die Vorfreude und das Vergnügen an dem kapriziösen Vorspiel im Haus des „reichsten Mannes von Wien“ stärker als der -Eindruck, den man von der Opera seria empfing. Bei der Beurteilung dieser N e u i n s zenierung in der Staatsoper hat es der Kritiker einmal leicht, denn er kann sein Urteil gewissermaßen in Schwarzweiß wiedergeben. Vorzüglich in Spiel und Gesang: Christa Ludwig als Komponist, Erika K o e t h (Zerbinetta), Hilde Z a d e k (Ariadne), Hilde Rössel-Majdan als Dryade, Gerda Scheyrer . (Echo) sowie das Buffo-quartett und die Nebenrollen im Vorspiel; ungenügend: Josef Gostic als Bacchus und Ruthilde Boesch als Najade. Sehr gut: Spielleitung und Dekorationen des ersten Teils sowie des Anfangs der eigentlichen Ariadne-Oper; völlig mißglückt: der Schluß, angefangen mit der „Erscheinung“ des jugendlichen Gottes. Vorzüglich auch die musikalische Leitung (Dr. Karl Böhm). — Die Wiener Staatsoper wird demnächst bei den Maifestspielen in Wiesbaden gastieren und dort auch „Ariadne“ vorführen. Wir hoffen sehr, daß noch die Möglichkeit besteht, die Regie (Josef Gielen) in Ordnung zu bringen, für den Schluß wenigstens ein Schiff für Bacchus beizusteuern (Stefan Hlawa) und zwei Partien umzubesetzen.

Im fünften von der Gesellschaft der Musikfreunde für den Oesterreichischen Gewerkschaftsbund veranstalteten Konzert dirigierte Rudolf Moralt Bruckners „Neunte“ und, nach einer kurzen Pause das „Te De um“. Die Wiener Symphoniker und der Große Chor des Singvereins (von Dr. Reinhold Schmid einstudiert) waren die Ausführenden, Josef Nebois spielte den Orgelpart. Die Aufführung der Symphonie möchten wir, trotz kleiner Ungenauigkeiten (etwa zu Beginn des Trios, erste Violinen!), als respektabel bezeichnen. Das „Te Deum“ gelang höchst eindrucksvoll. Hier hat der bewährte Chor wieder einmal Vorzügliches geleistet. Das Solistenquartett klang sehr homogen, weich und lyrisch. Jeder der vier Künstler (Liane

S. Dubin, Sonja Draksler, Murray Dickie und Frederick Guthrie) verdiente ein Sonderlob.

Nach Raimund Weissensteiners „Konzert-suite für Streicher und Altsaxophon“, die an dieser Stelle bereits besprochen wurde, dirigierte Hans Gillesberger im Zyklus „Neue und unbekannte Musik“ drei zeitgenössische Chorwerke. Der aus Siebenbürgen stammende und gegenwärtig in Ostdeutschland lebende Rudolf Wagner-Regen y, vor 20 Jahren als Komponist der Opern „Der Günstling“ und „Johanna Balk“ bekanntgeworden, wollte mit seinen „Cantica Davidi Regis“ für dreistimmigen Knaben- oder Frauenchor, Baßstimmen, Bariton und kleines Orchester, ein sangbar-volkstümliches Werk schreiben, etwa in der Art der alten Italiener, das auch mit bescheidenen Kräften aufgeführt werden kann. Bescheiden ist leider auch die Gesamtwirkung, man findet kaum Spuren eines persönlichen, geschweige denn jenes lapidaren Stils, den der Text nahelegt und als dessen Meister sich Wagner-Regeny in früheren Werken erwiesen hat. — Dagegen ist über die aufgeführte A-capella-Messe „C u n c-tipotens Genitor Deus“ op. 43 von Karl Schiske nur das Beste zu sagen: ein auf der Diktion der Gregorianik basierendes, strenges und sauberes Werk, das einfach und konzentriert gearbeitet ist. Die vier Stimmen zeigen meist die gleiche Bewegung; eine eigentümliche und reizvolle Wirkung wird oft dadurch erzielt, daß die beiden äußeren Stimmen „monoton“ gehalten sind, während die mittleren sich lebhaft bewegen und dadurch die überraschendsten harmonischen Wirkungen hervorbringen. — Luigi Dallapiccolas ergreifende „Canti di prigionia“ (1938 bis 1941 geschrieben) sind in Wien zwar schon erklungen, aber es war, als hätten wir sie zum erstenmal gehört. Von faszinierender Wirkung ist vor allem die Klangphantasie des Komponisten, der die zwei Klaviere, zwei Harfen, Röhrenglocken, Xylophon, Vibraphon und großes Schlagwerk nicht als Begleitung oder Klangkulisse, sondern als souverän gehandhabtes Instrument im Dienst ganz bestimmter Klangvorstellungen einsetzt. — Jedem der aufgeführten Werke, besonders aber dem zuletzt genannten, kam die sicher, elastische und hochmusikalische Interpretation durch den ausgezeichneten Dr. Hans Gillesberger und den ambitionierten Chor sehr zustatten.

Vermerken wir aus der an Veranstaltungen überreichen Woche wenigstens noch: das Festkonzert der „Theodor-Körner-Stif-t u n g“ im Großen Musikvereinssaal, geleitet von Rudolf Moralt und Robert Stolz mit Wilma Lipp und Waldemar Kmennt als Solisten in Werken von Mozart und Johann Strauß. — Schließlich einen von der I G N M veranstalteten Klavierabend, bei dem Gershon J a r e c k i aus Jerusalem, ein feiner und ernster Musiker, Werke seiner Landsleute Hannoch Jacoby, Haim Alexander, Paul Ben-Haim, Joseph Kaminski und Ernest Bloch spielte. Mit Ausnahme der Sonate des letzteren handelt es sich durchweg um nachromantische bzw. impressionistische Genrestücke, deren gefälliger Charakter in einem merkwürdigen Gegensatz steht zu dem hart umkämpften und mit größten Opfern behaupteten Land, in dem sie geschrieben wurden.

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