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Wiener Konzerte

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Das „Institute of European Stu-dies“ stellt einen Sängerknabenchor aus Phoenix, Arizona, vor. — In den nur wenig mehr als zwei Jahrzehnten, die nach dem Gründungs jähr des „The Phoenix Boys Choir“ verstrichen sind, haben sich die jungen Sänger einen festen Platz auf dem Sektor der nordamerikanischen Chormusik erobert. An ihrer Spitze steht seit zehn Jahren Harvey Smith, der zu seinem akademischen Grad „Masters of Music“ noch den eines „Doctor of Musical Arts“ zu erwerben im Begriff ist.

Als ihr ausgezeichneter Lehrer, Dirigent und Leiter ihres Opera Workshop hat er die vierzig sympathischen, in tadelloser Haltung im Chor stehenden, einherschreitenden und sich immer neu gruppierenden kleinen und großen Sängerknaben zu einer Einheit verschmolzen, welche ihre Könung im Zusammenklang der hervorragend geschulten Stimmen fand und eine faszinierende Wirkung ausübte.

Ein mehrere Jahrhunderte umfassendes geistliches, ein weltliches und ein volksmusikalisches Programm bilden fast immer das gesamte Repertoire eines Chores der USA, der auf Tournee geht. Bei der Jugend aus Arizona war die geistliche deutsche Musik durch BacJi, Michael Haydn, Mozart und Brahms vertreten, die weltliche Moderne durch Poulenc und Kabalevsky, während das japanische Volkslied inmitten mexikanischer und spanisch-afrikanischer Carols und Spirituals wie eine fremde Blume blühte. Einen der stärksten Eindrücke vermittelte der eigenartig grandiose Psalm 150 von Benjamin Britten. Das alte deutsche „Gute Nacht“ singend und jedem einzelnen Zuhörer die Hand drük-kend, wanderten die jungen Künst-I 1er durch die Kirche, welche wieder j zum Schauplatz einer wertvollen und | hochinteressanten Begegnung geworden war. A. C. K. *

Zum erstenmal gab es in den „Arkadenkonzerten“ eine Aufführung der „Neunten“. Als Beethoven 1823 nach den schon in die Jahre 1815, 1816 und 1817 zurückreichenden Skizzen die 9. Symphonie in Angriff nahm, rang er noch immer mit dem Problem, ob es ein rein instrumentales oder auch einen vokalen Teil enthaltendes Werk werden sollte. Denn eine Symphonie mit Gesangsolisten und Choreinsatz war für die damalige Zeit ein ungeheures Wagnis und Novum. Und zwei Jahrzehnte später erklärte sogar Richard Wagner, daß in dem Schlußsatz der „Neunten“ eine Bankrotterklärung der Instrumentalmusik zu ersehen sei. Daß eine noch spätere Zeit die Heranziehung von Singstimmen in symphonischen Werken und in der Kammermusik aber als etwas durchaus Gegebenes betrachtete, beweist das Schaffen Mahlers, Debussys und Schönbergs.

Ihre präponderierende Stellung als die wohl bedeutendste von Beethovens Symphonien hat sich die „Neunte“ nur langsam errungen, wirklich „populär“ und dem Verständnis des Publikums voll erschlossen ist sie erst um die Jahrhundertwende geworden; doch wirkt sich ihr großes Aufgebot an Mitwirkenden manchmal erschwerend aus, vor allem, wenn das Werk eine seinem Wert entsprechende erstklassige Wiedergabe erhalten soll. Dieser Forderung wurde die Aufführung im Arkadenhof unter der Leitung des in Graz engagiert gewesenen und jetzt nach Innsbruck verpflichteten jungen Dirigenten Edgar Seipenbusch leider nur spärlich gerecht. Seiner „Auffassung“ konnte man beim besten Willen nicht beistimmen, denn die Tempi in dem stark überhetzten Trio, in dem überhasteten langsamen Satz, die ein Aussingen der wundervollen Melodik verhinderten, waren so störend, daß sie durch die besser geglückte Chor- und Orchesterkongruenz im Finale nicht wettgemacht werden konnten. Dabei hatte Seipenbusch in den in bester Disposition spielenden Wiener Symphonikern und dem mit der „Neunten“ so vertrauten, sauber singenden Singverein tüchtige Helfer, und auch das Solistenquartett war ziemlich gut besetzt: Hier trat überragend der Bassist Manfred Schenk hervor, das Sopransolo Lotte Rysa-neks konnte überzeugen, ausreichend war Ingrid Mayr in der Altpartie, weniger entsprach allerdings das Tenorsolo Peter Baillies.

Viel erfreulicher gestaltete sich ein Abend der Symphoniker, an dem sie eine andere, die heitere Wiener Klassik vertraten und dem großen Johann Strauß Sohn ihre Reverenz erwiesen. Heinz Wallberg, der Dirigent des 3. Arkadenkonzertes, bringt den nötigen Schmiß und die wienerische Einfühlung in die eigenartige Rhythmik, in. das „Heberte“, des Straußwalzers mit, -um die Hörerschaft mitzureißen. Manchmal selbst als „Stehgeiger“ fungierend, leitete er ein Programm von 15 Piecen, darunter Zuckerln wie „Frühlingsstimmen“- und „Kaiser“-Walzer, „Schöne blaue Donau“, „G'schichten aus dem Wienerwald“ und „Fledermaus“- und „Zigeunerbaron“-Ouverturen. Großer Jubel für den Dirigenten und das famos spielende Orchester.

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Für seinen Abend im großen Galeriesaal des Schlosses Schön-brunn hatte das „Österreichische Streichquartett“ ein auch seinem Namen und dem Ort der Aufführung Rechnung tragendes Programm gewählt: Werke der zwei großen Österreicher Haydn und Mozart wurden gespielt, und zwar an einer Stätte, welche wie Schönbrunn viel Musik alter österreichischer Herkunft gehört hat und mit dem Namen Mozart eng verbunden ist.

Die vier Quartettisten, die Herren Roczek, Katt, Geise und Tachezi, können als wesentliche Vorzüge natürliche Musikalität und technisch gute Ausbildung für sich buchen, denen sich hörbare Spielfreudigkeit und eine als ausgeglichene Homogenität sich äußernde Tuchfühlung der Spieler angliedert. Das seit drei Jahren als „Quartet in residence“ an die Salzburger Musikhochschule „Mozarteum“ verpflichtete, nur Lehr- und Konzerttätigkeit ausübende und von jedem Orchesterdienst befreite Ensemble ist zu einem Klangkörper herangewachsen, der die Konkurrenz mit manchem vielgelobten, auswärtigen Quartett nicht zu scheuen braucht. Den Konzertbeginn machte Haydns C-Dur-Opus 52/11, dessen heiße Ecksätze nicht das Bild eines so gern „Papa Haydn“ genannten Komponisten hervorrufen, sondern auf einen dem Leben fröhlich sich zuwendenden Meister weisen. Kleine Klanghärten und leichte Intonationstrübungen im Kopfsatz fielen als Einspielerscheinungen nicht ins Gewicht. Einen Höhepunkt in subtilem Spiel erzielten die Künstler — am zweiten Violapult wirkte Irmgard Schuster mit — im Adagio von Mozarts g-Moll-Quartett (KV 516), das in manchen Momenten eine Brücke zur Romantik zu schlagen scheint.

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