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Virtuosenkünste

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Eine ergreifende, prächtige Aufführung von Mozarts „Ave verum“ und , .Requiem“ bescherten die Symphoniker unter Josef Krips im Musik-verein: Es war ein« Wiedergabe ohne Pathos und falsche Theatralik, im Ausdruck eher etwas zurückgenommen und auf die großartige Schlußsteigerung zustrebend. Der Singverein (Einstudierung: Hel-muth Froschauer) sang mit präziser Artikulation, sehr homogen ergreifend im Ausdruck. Solide, wenn auch etwas uneinheitlich, das Solistenquartett: Hervorragend Ernst G. Schramm (Baß), der zu den verläßlichsten, am meisten versprechenden jungen Oratoriensängern zählt. — Ein Liederabend wäre für ihn im Musikverein fällig. — Gabriete Fuchs schlanker Sopran und Ger-trude Jahns Alt gefielen. Anton Der-mota sprang für den erkrankten Peter Schreier ein. Schuberts „Achte“ hörte man vor der Pause in einer mustergültigen, stimmungsdichten Wiedergabe.

Horst Stein leitete das Sonntagsvormittagskonzert der Symphoniker Im Sendesaal. Er führte das Orchester resolut, mit sparsamer Zelchenge-bung. Ein Dirigent, der Intellekt und Sentiment perfekt zu dosieren weiß, beide im richtigen Spannungsverhältnis walten läßt. Dementsprechend frisch und unkonventionell wirken seine Interpretationen: Richard Strauss' Suite „Der Bürger als Edelmann“ wurde au einem prik-kelnd-kapriziösen Lehrgang des „vornehmen Lebens“, ein tänzerisches Ereignis mit viel Witz, Ironie und kräftigen Seitenhieben gegen Parvenüs aller Art. SibeHus' „Zweite“ von 1902 baute er monumental auf: eine heroisch-auftrump-fende Szenerie voll Theaterpathos. Ereignis des Konzerts: Boris Blüchers Violinkonzert von 1948 mit Christian« Edinger als Solistin. Ihre Wiedergabe war brillant, klar in den Konturen, durchsichtig. Behutsam flocht sie Kantilenenfrag-mente zu einem kühl schimmernden Gewebe über dem Orchester. Musikalische Bonmots blitzten auf. Ihre souveräne Technik wie der schöne, volle Ton ließen keinen Wunsch offen.

Erneut wies Alexander Jenner mit seinem Klavierabend im Großen Musikvereinssaal nach, daß er für die Wiedergabe romantischer Klaviermusik das richtige Flair, Fingerspitzengefühl, zugleich den Mut zu unkonventionellen Interpretationen hat Für Chopin vor allem, dessen Werke er frei von allen spätromantischen Klischees spielt, ohne die so oft anzutreffende Sentimentalisie-rung, ohne Neigung zu leerer Dekc-rationskunst und Artistik. Die b-Moll-Sonate wie die Nocturnes in f-Moll und Es-Dur atmeten stellenweise fast aggressive Spannungsmomente, ohne daß Jenner selbst in monumentalen Steigerungen Eleganz oder seinen klarzeichnenden Anschlag vermissen ließ. Farbabstufungen überraschten immer wieder durch die feine Lyrik. Beethovens „Pathetique“ wirkte ein wenig romantisiert.

Der deutsche Organist und Leiter einer Orgelklasse an der Hamburger Musikhochschule, Martin Günther Förstemann, ist, obwohl seit seinem vierten Lebensjahr blind, hervorragender Interpret. Souverän spielt er auf den Manualen schwierigste Passagen, verfügt über virtuose Pedaltechnik, weiß mit stu-pender Sicherheit Register zu behandeln. Wenn ihn nicht seine Gattin aufs Podium führte, wüßte man nichts von seinem schweren Schicksal, das er durch WUlensstärke gezähmt hat. Besonders glanzvoll geriet der Reger dedizierte Teil nach der Pause mit Phantasie und Fuge (op. 46) über das Thema B-A-C-H. Monumentale Größe wurde da spürbar. Vorher hörte man Stücke von Pachelbet, Buxtehude und Bach, die Förstemann mit feiner Einfühlung und brillanter Technik vorexerzierte.

Eine Folge von Concerti ä l'ita-lienne präsentierte der Concentus Musicus im Mozart-Saal. Eine Folge mit Geschmackskultur ausgewählter und perfekt aufeinander abgestimmter kleiner Meisterkompositionen höfischen Charakters, die für Kenner zum Erlebnis wurde. Glanzstücke des Abends waren Vivaldis Concerto für Oboe, Fagott und Streicher und das fürs nächste einmal Pergolesi zugeschriebene f-Moll-Concertino. Die Solisten — Jürg Schaeftlein (Oboe) und Milan Turkovic (Fagott) — brillierten mit schönem, rundem Ton, geschmeidigen Kantilenen, tänzerischer Verve. Das Ensemble ließ es nicht an Engagement mangeln. Wir konnten leider nicht den ganzen Abend hören, der überdies noch Concerti von Albinoni, Legrenzi und Geminiani auf dem Programm hatte.

Karlheinz Roschitz

Das von dem Cellisten Ernst Knava 1965 gegründete Ensemble „Die In-strumentisten“ hat im Laufe der Zeit eine Anzahl wertvoller Instrumente des 18. Jahrunderts, darunter ein Hammerklavier aus dem Jahr 1785, gesammelt und sie in den Dienst der Wiedergabe von Werken dieser Epoche gestellt Das letzte, ausausschließlich Beethoven gewidmete Konzert im Palais Schwarzenberg brachte neben der von den Herren Sumpik und Weissberjr virtuos gespielten „Frühlingssonate“ die selten aufgeführte Serenade II in D-Dur für Flöte, Violine und Viola, welche den Ständchencharakter durch das Hervortreten des Bläserparts besonders betont. Als glänzender Solist auf dem Flauto traverso bewährte sich Wolfgang Schulz. — Daß das Streichquartett op. 18/2 den Namen „Komplimentierquartett“ erhalten hat, rechtfertigt das von der ersten Geige ausgeführte, flgurative Spiel im Kopfsatz, das man als ein musikalisches Verneigen vor den anderen Instrumenten auslegen kann. Die auf vollste Homogenität ausgerichtete Wiedergabe des Werkes war den Herren Sumpik, Grünberg, Fürlinger und Knava zu verdenken; neuerdings bestätigte der Abend eine allererste Stellung der „Instrumentisten“ unter den heimischen Kammermusikvereinigungen.

In seinem Konzert im Großen Musik-vereinssaal hatte der Wiener Män-nergesangsverein neben weltlichen Chören von Beethoven, Bruckner, Siegl und Gotovac sakrale Werke Palestrinas, Viadanas und Vittorios am Programm und brachte zum Gedächtnis an den 1969 verstorbenen, bekannten Kirchenmusiker

Ernst Tittel dessen Missa „Lau-date Dominum“ als konzertante Erstaufführung heraus. Tittel hat ein von vitalen Impulsen gespeistes, nicht der modernen Kirchenmusik zuzurechnendes Werk geschrieben, das Kanon, häufig Imitationen und gregorianische Wendungen heranzieht und mit einer grundierenden Orgelbegleitung und dem sparsam verwendeten Einsatz eines Bläserquartetts gute Orchestrierungseffekte erzielt Dazu kommen ein auf einen Könner hinweisender Chorsatz und eine wirkungsvolle Gegenüberstellung abwechslungsreicher dynamischer Akzente. Für gute Einstudierung hatte Karl Etti gesorgt. Als wertvolle Programmergänzung spielte Josef Böck mit großer manueler Geläufigkeit wenn auch in der Registrierung etwas farblos, Bachs Präludium und Fuge in Es-Dur. In der Begleitung der verschiedenen Chöre erwies er sich als vorzüglicher Organist. Viel Beifall.

Im Großen Musikvereinssaal feierte die Chorvereinigung „Freie Typographia“ das Jubiläum ihres 80jährigen Bestandes mit einer Aufführung von Haydns „Schöpfung“. Man muß anerkennen, daß sich alle Mitwirkenden redliche und von Erfolg gekrönte Mühe gaben, das Werk in einer würdigen Wiedergabe herauszubringen, gewiß nicht zuletzt ein Verdienst des Dirigenten Michael Resch, der für eine genaue Einstudierung, richtige Tempi und, unterstützt durch eine deutliche Zedchen-gebung, einen ungestörten Zusammenhalt zwischen Chor, Solisten und dem sauber spielenden Hayin-Or-chester gesorgt hatte. Um die in diesem Oratorium besonder» groß angelegten Solopartien bemühten sich Lilian Sjöstrand (Sopran) und die Herrn Robert Frei (Tenor) und Ladtslaw lllavsky (Baß), im Chor fielen die frischen Sopranstimmen auf. Die von Bundespräsident Franz Jonas besuchte Aufführung wurde mit einer die Geschichte des jubilierenden Vereines behandelnden Ansprache von Frau Vizebürgermeister Sandner eingeleitet und von dem zahlreich erschienenen Publikum mit lebhaftem Beifall bedacht

Paul Lorenz

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