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Honegger-Kantate, Schmidt-Konzert

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Einen festlichen Abend mit zwei sehr beeindruckenden Chorwerken bescherte die Musikalische Jugend vor den Weihnachtstagen: Arthur Honeggers „Weihnachtskantate“ und Mozarts C-Moll-Messe (KV 427) wurden unter Leitung von Günther Theuring vom Wiener Jeunesse- Chor und den Tonkünstlern im Musikverein präsentiert.

Die überragende Leistung bot dabei der Chor, der sich in beiden Wiedergaben durch Homogenität, Klangfülle und akkurate Stimmführung auszeichnete. Vor allem Honeggers spannungsvoll arrangierten, mit viel Geschick verbundenen Weihnachtsliedsätzen mangelte es da keinen Moment an Eindringlichkeit, Stimmungskraft und Konzentration. Günther Theuring erwies sich erneut als souveräner Chorleiter und sorgte bei der Realisierung der instrumentalen Partien für farblich differenziertes, in vielfältigen Nuancen abgestuftes Musizieren. In der Aufführung der c-Moll- Messe von Mozart gefielen besonders Ileana Cotrubas und Gerlinde Lorenz, die ihre Soli technisch makellos mit Verinnerlichung und stimmlichem Glanz vortrugen. Peter Baillie und Christoph Runde bewältigten ihre Gesangspartien routiniert. Alles in allem war es ein harmonisch gestaltetes, durch profilierte Leistungen überzeugendes Konzert.

Sir John Barbirolli, in England geboren, aufgewachsen und tätig, ist in Wien ein so seltener Gast, daß man ihn vorstellen muß. Der 1899 geborene Venezianer Giovanni Battista Barbirolli leitet seit nunmehr bald 25 Jahren das Hallė- Orchester von Manchester und wurde nicht nur in den Adelsstand erhoben, sondern auch mit zwei englischen Ehrendoktoraten ausgezeichnet. Im 5. Abonnementkonzert der Philharmoniker dirigierte er Mozarts „Linzer Symphonie", Debus- sys drei symphonische Skizzen „La Mer“ und die Vierte von Brahms. Der kleine energische Mann mit den immer noch jugendlich-lebhaften Bewegungen liebt das Monumentale und Festliche in der Musik. Der von ihm angestrebte Orchesterklang ist weniger differenziert, als kompakt und wuchtig. So gestaltet er Debus- sys „La Mer" eher als dreisätzige Symphonie denn als impressionistische Stimmungsbilder. Die Philharmoniker folgten ihm mit jener Anpassung, die sie immer zeigen, wenn eine bedeutende Musikerpersönlichkeit das Zepter schwangt.

Die Aufführung des „Deutschen Requiems" von Johannes Brahms im Konzerthaus atmete Festlichkeit, ein wenig theatralische Spannung. Zdenėk Košler, ein, wie sich bereits mehrmals erwies, überzeugende!1 Arrangeur der dramatisch ausladenden Form, wußte das Werk in einer monumental angelegten, auf den sechsten Satz hinstrebenden Steigerung mit barocker Ausdrucksfülle zu gestalten. Vom sanften „Selig sind...“ und dem fast gotischen „Denn alles Fleisch ...“ des Chores bis zum mystischen Baritonsolo „Wir werden alle verwandelt werden“ erlebte man da vor allem einen effekt voll gefügten Aufbau in den Stimmlinien, in den Orchesterfarben, in der zunehmenden Konzentration. Besonders den fulminanten Höhepunkt „Zur Zeit der letzten Posaune“ konturierte Košler plastisch, mit kraftvollem Impetus. Den Abgesang im „Selig sind die Toten" vollzog er in edler Gemessenheit, weihevoller Ruhe. Die Wiener Singakademie nahm sich ihrer Aufgabe mit Sorgfalt an: die korrekt einstudierten, mit Leidenschaft vorgetragenen Chorpartien dokumentierten dies. Gun- dula Janowitz’ schlanker, geschmeidiger Sopran und Kurt Skrams am ehesten in den lyrischen Momenten aufblühenden Bariton setzten deutliche Akzente. Die Symphoniker folgten akkurat und mit Einfühlung.

Der dritte Abend im Tonkünstler- Zyklus im Musikverein war Franz Schmidt gewidmet, genauer: dem Zwischenspiel und der Karnevalsmusik aus seiner Oper „Notre Dame, den „Beethoven“-Variationen und der meisterhaften 4. Symphonie. Heinz Medjimorec, der junge Wiener Pianist, der sich hier wie im Ausland längst ausgezeichneten Ruf erspielt hat, bestätigte mit der Wiedergabe der konzertanten Variationen (F-Dur) erneut, daß er ebenso ein hervorragender Techniker wie ein sensitiv empfindender Interpret ist: der „Noctume“-Teil wie überhaupt die in schönen Klängen schwelgenden Partien funkelten dank seines flexiblen, wohl regulierten Anschlags und seines Flairs für koloristische Valeurs. — Die „Vierte“ lag bei Heinz Wallberg in den besten Händen: Behutsam durchleuchtete er den in den Details differenziert gestalteten Formenkomplex, suggerierte all die süße Schwermut, Resignation, das „Sterben in Schönheit“. Die Tonkünstler musizierten korrekt: in der Begleitung — man müßte präziser sagen, als Partner — im Variationenwerk klanglich locker, anmutig, mit einem Hauch Artistik, in der Aufführung der Symphonie und der Stücke aus „Notre Dame“ solid, manchmal ein bißchen breit und gewichtig.

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