6721755-1965_15_15.jpg
Digital In Arbeit

Marienvesper und Bruckners Sechste

Werbung
Werbung
Werbung

Die 1610 komponierte Marienvesper (Vespro della Beata Vergine) von Claudio Monteverdi, an der sich verschiedene Herausgeber um ein möglichst historisches Klangbild des Instrumentars bemühten und vermutlich noch bemühen, da viele der damaligen Instrumente nicht mehr existieren, wurde im Mozartsaal in der Ausarbeitung von Dörr unter Leitung von Hans Gillesberger aufgeführt, der den Wiener Kammerchor, das Wiener Kammerorchester und eine Reihe von sieben Solisten zu der großartigen Einheit des Werkes zu führen verstand. Von den Solisten ist vor allem Werner Krenn als Tenor bester Stimmqualität hervorzuheben, ferner die sehr respektable Leistung der japanischen Frauenstimmen Emiko Ijama, Funiko Matsumoto (Sopran) und Kinu Egowa (Alt). Ihnen schlössen sich mit einigem Abstand Rudolf Resch (Tenor), sowie Franz Wimmer und Eberhard Kummer (Bässe) an. Die bedeutendste Leistung aber vollbrachte der Chor, der trotz gelegentlicher leichter Ermüdungserscheinungen vortrefflich intonierte und die Sätze in voller Durchsichtigkeit sang. Im Orchester lösten besonders die Bläser ihre schwierige Aufgabe mit hervorragender Disziplin. Die eingelegte Pause war eine kluge Vorsichtsmaßnahme, durch die eine Ermüdung des mit den Stilelementen weniger vertrauten Hörers geschickt vermieden wurde. — Vor der Riesenkantate spielte Herbert Tachezi auf der neuen Orgel drei kleinere Stücke von Frescobaldi, Merulo und Andrea Gabrieli, also von Zeitgenossen Monteverdis: mit sauberer Technik und trotz geringen Registerwechsels klarer Führung der Stimmen. F. K.

Das Violoncello als Soloinstrument Ist ein merkwürdig Ding: in der obersten Lage quietscht und winselt es, und in der tiefen brummt es und grunzt. Pierre Fournier, der im Großen Saal des Konzerthauses einen Soloabend gab, läßt uns mit seinem noblen Ton und seiner unfehlbaren Technik diese Kalamitäten vergessen, besonders wenn er Solosuitcn von Bach (Nr. 3 in C-Dur) spielt oder Schumanns „Adagio und Allegro“ vorträgt, das zwar prächtig klingt, aber — ganz entgegen der Meinung des Komponisten — allzu glatt konzipiert ist. — Überragend als Werk und in der Wiedergabe durch Fournier und seinen Begleiter Franz Holetschek am Flügel, die große Sonate in F von Johannes Brahms. Strawinskys „Suite italienne“ (für Klavier und Violoncello bearbeitete Teile aus der „Pulcinella-Suite“) und Tschaikowskijs Rokoko-Variationen ließen mehr den Virtuosen zu Wort kommen.

Ein erstklassiges Ensemble sind „Les solistes de Brüxelles“, die unter der Leitung von Lola Bobesco im Brahmssaal konzertierten. Sie spielten Murik des 17. und 18. Jahrhunderts, vornehmlich alte Italiener (Viraldi, Marcello, Monteuerdi), aber auch eine „Lustige Suite“ von Tele-mann und eine Sinfonia des Brüsselers Pierre van Maldere (1729—68). Nichts ist so geeignet, unseren Geschmack zu bilden, wie diese Musik. Und kaum ein anderes Ensemble spielt sie so tonschön, so intensiv und so stilsicher, wie diese zwölf hervorragenden Musiker. Das Tonvolumen, das die sechs Geigen, zwei Bratschen, zwei Celli nebst Kontrabaß und Cembalo erreichen, ist erstaunlich. Lola ßobesco, eine jugendlich-schlanke blonde Dame mit rumänischem Namen, leitet das Ensemble vom ersten Pult aus sehr zielbewußt und energisch — und versteht auch, sich als Solistin (in einem Concerto von Vivaldi) zu behaupten. Langanhaltender Beifall eines Publikums, das diese feine und disziplinierte Art des Musizierens zu schätzen wußte und das die Harmonie zwischen der edlen Musik und der Schönheit des äußeren Rahmens (Brahmssaal) sichtlich genoß.

In allerbester Form, wie sie auch ein Meisterorchester nicht alle Tage aufzuweisen hat, präsentierten sich am vergangenen Sonntag abend die Wiener Symphoniker unter Wolfgang Sawallisch im Großen Musikvereinssaal. Orchester und Dirigent haben sich während der letzten Jahre als Bruckner-Interpreten einen international anerkannten Namen gemacht. Bei der Sechsten kommt noch hinzu, daß sie weniger „abgespielt“ ist als manche ihrer (noch) gewaltigeren Schwestern. Sawallisch beginnt den 1. Satz ziemlich heftig, mit kraftvoller Vehemenz: Bruckner als temperamentvoller Sanguiniker, der er ja gleichfalls, neben vielem anderen, war Aber auch an lyrischen und meditativen „Höhepunkten“ fehlt es nicht. Die Streicher waren von ungewöhnlicher Intensität und Präzision, das Blech von besonderer Tonschönheit und Sonorität, das ganze Orchester klang absolut homogen, ohne daß je die vom Komponisten gezogenen klanglichen Konturen verwischt wurden. Zu Beginn spielte die ausgezeichnete Geigerin Neil Gotkowsky-Paris das Violinkonzert von Beethouen, ein ausgesprochenes „Männerkonzert, das Sawallisch und die Symphoniker mit aller wünschenswerten Akuratesse begleiteten. Neil Gotkowsky spielt ganz ohne Pose, sehr musikalisch, sehr intim, zuweilen wie monologisierend. Ihr Ton ist voll und weich, wenn auch nicht übermäßig groß, ihre Technik tadellos. Langanhaltender Beifall nach beiden Werken.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung