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Neue Werke alter Meister

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Die beiden Altmeister der zeitgenössischen Musik, Richard Strauß und Hans Pfitzner, während der Glanzzeit ihres Schaffens temperamentvolle Antipoden, rücken während der letzten Jahre durch eine Reihe von abgeklärten Alterswerken in brüderliche Nähe. Natürlich sind die Wesensunterschiede auch in ihren letzten Kompositionen noch deutlich genug spürbar, aber eindrucksvoller treten gewisse gemeinsame Züge hervor, die nicht nur Ausdruck der Zugehörigkeit zur gleichen Generation sind, sondern auch eine ähnliche Entwicklung zu einem — wenn wir diese Umschreibung wagen dürfen — „apollinischen“ Schönheitsideal hin erkennen lassen. Die rauschhaften Farben sind verblaßt (auch Pfitzner war in vielen seiner früheren Werke nicht der Klangasket, zu dem man ihn stempeln wollte), die große dramatische Gebärde ist zu sanfter Ruhe gebändigt, die Aussage ist, bei aller Wahrung des Persönlichen, nicht mehr so ichbezogen wie ehemals. Das bedingt äußerlich eine Abkehr von den großen Formen und Besetzungen und eine Hinwendung zum Kammerstil in jedem Sinne.

Das Concertino für Klarinette, Fagott, Streichorchester und Harfe von Richard Strauß in drei ineinander übergehenden Sätzen -zeigt immer noch das schlanke und bewegliche Handgelenk des Komponisten eines „Eulenspiegel“ und „Rosenkavalier“. Während zwei andere Alterswerke von Strauß, die seinerzeit an dieser Stelle besprochen wurden, eher eine Verwandtschaft mit der Tonsprache der „Ariadne“ und der „Daphne“ aufweisen, knüpft Strauß im Concertino an seine frühere und mittlere Periode an. Auf jene besondere Art freilich, wie sie eingangs zu umschreiben versucht wurde. Die vollkommene Transparenz des Orchestersatzes und die virtuose Behandlung der Soloinstrumente bezeugen den Meister in allen Künsten der Instrumentation und der effektvollen Wirkung. (Franz Litsdiauer dirigierte das Kammerorchester der Konzerthaus-Gesellschaft. Leopold Wlach und Karl öhlberger waren die ausgezeichneten Solisten der Aufführung.)

Seine Kleine Symphonie (vier Teile in einem Satz) nennt Hans Pfitzner eine „Sonatine für Orchester“. Dieses Orchester besteht aus Streichern, acht Holzbläsern, Trompete, Harfe und Becken. Es fehlen also Hörner, Posaunen und schweres Schlagwerk. Die bekannte Eigenart des Meistens prägt sich vor allem in dem roman- tisch-versponnenen langsamen Satz aus, während die bewegten Teile einen durchaus heiter-liebenswürdigen Zug und eine Eleganz der Formulierung zeigen, wie sie in früheren Kompositionen Pfitzners nicht gerade häufig sind. (Wir hörten das Werk im 5. Konzert des Kammerorchesters unter Franz Litschauer.)

Äußerlich verwandt, aber im Wesen sehr verschieden, ist von diesen Werken Gustav Mahlers unvollendet nachgelassene X. Symphonie. Ernst Krenek hat zwei Teile des auf fünf Sätze geplanten Werkes nach dem Particell fertig instrumentiert und herausgegeben. Das große Orchester ist kammermusikalisch eingesetzt, reine und ungemischte Klänge der Streicher und besonders der Holzbläser dominieren durchaus, die Dynamik ist maßvoll, zurückhaltend. Oft weicht die Farbe einem gespenstischen Grau in Grau. Inhaltlich trennt eine Welt diese beiden Sätze (Adagio und Scherzo), welche die Symphoniker unter Rudolf Moralt spielten, von den letzten Werken eines Strauß und Pfitzner. Denn die Gefühle, die Mahler in seinem Sdiwanen- gesang ausdrückt, sind: Leid, Schmerz, Resignation und Angst…

Unter die Altmeister der Moderne im engeren Sinne müssen wir auch schon den 1891 geborenen Sergei Prokofieff zählen. Er, der geistesklare, draufgängerische, sich ständig wandelnde Avantgardist, kommt freilich aus einer anderen Welt und steht, auch heute wieder, im Mittelpunkt kunsttheoretischer und weltanschaulicher Kontroversen. Sein III. Klavierkonzert ist eines seiner Meisterwerke, an dem man Prokofieffs charakteristische Züge ablesen kann: die klar konturierte Form, die kurzatmige, prägnante Thematik, den zündenden Rhythmus, die gepfefferte Instrumentierung und die elegische Kantilene ä Ja Chopin mit ironischen Seitenblicken. (Friedrich Wührer war der Solist im 3. Pro- Arte-Konzert der Symphoniker unter Moralt.)

Die Staatsakademie gedachte in einem Orchesterkonzert dreier ihrer Lehrer. Von Franz Schmidt und Julius Bittner jährte sich zum zehntenmal der Todestag, Carl Prohaska wäre heuer 80 Jahre geworden. Die Hauptwerke des Programms waren: zwei Sätze aus Schmidts I. Symphonie, Orchesterlieder von Prohaska sowie Fragmente aus „Der Musikant“ und „Tänze aus Österreich“ von Bittner. Alle drei verbindet nicht nur das Band der gleichen Generation, sondern — stärker und tiefer — das Fundament der gleichen musikalischen Tradition und die gleiche musikalische Sphäre. Das Erfreulichste an diesem Konzert war die Darbietung der Werke durch das Orchester und junge Solisten der Staatsakademie. Natürlich waren, etwa in den Symphoniesätzen Schmidts, die Grenzen der Leistungsfähigkeit des Schülerorchesters deutlich. Trotzdem aber: was für ein talentiertes, gewandtes und aufmerksames Musizieren! In exponierten Partien bewährten sich alle Klanggruppen, am befriedigendsten vielleicht die Holzbläser. Aber auch bei den Streichern und den Blechbläsern gab es schöne und vielversprechende Leistungen. Denn dies Konzert war vor allem ein Versprechen, ja eine Versicherung, daß die hohe Musiktradition Wiens in ihren jungen Künstlern lebendig ist und von geschickten und eifrigen Lehrern zur vollen Reife gebracht werden wird.

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