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„Musica Nova“ im Rundfunk

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Zum drittenmal fand während des vergangene! Wochenendes ein kleines Musikfest statt, das de Oesterreichische Rundfunk im Rahmen der Reih „Musica Nova" im Großen Sendesaal veranstaltet In vier Konzerten wurden insgesamt 15 neue Werki gespielt, darunter mehrere zum allerersten Mal.

Die Brücke in die Vergangenheit schlug de 65jährige, in Paris lebende Alexander von Spitz müller mit seinem Nonett op. 30, das den pro grammatischen Titel trägt „U m ein verwaiste Haus”. Das dreisätzige 15-Minuten-Werk knüpf deutlich an Mozarts JLacrymosa“ an und atmet - im ' gedämpften Streidm- ?mnd. pastoralėm H jlz bläserklang — elegische StimmungasĮtfis nVÄTn iP mal, und wird nie wiederkehren...“ Die impressio Bistisch gefärbte Tonsprache ist durchaus tonal.

Mit sparsamsten Mitteln und für kleinste Be' Setzung hat Hanns Jelinek Verse von Ftan: Kießling vertont. „Unterwegs" heißt die ur aufgeführte Miniaturkantate für einen kantabel ge führten Sopran (Ilona Steingruber), Vibraphon un Kontrabaß, die in der subtilen melodischen Er' findung ebenso originell ist wie in der Verwendunj der beiden solistisch behandelten Instrumente.

Ein Miniaturwerk ist auch die nur zwölf Minuter dauernde „Missa minima" für Sopran, Klarinette Violine und Violoncello von Friedrich W i 1 d g a n s deren fünf Sätzchen stilistisch wenig einheitlich geraten sind. Der Komponist beruft sich auf Miehae Haydn als Vorbild„ aber es gibt da auch Zwölf- töniges, Punktuelles, an Bach und Hindemith Anklingendes sowie folkloristische Elemente: bei allem artistischen Reiz ein etwas allzu gemixtes Compositum, besonders im Hinblick auf die Dauer be- ziehungsweise die Kürze der einzelnen Sätze.

Paul Hindemiths vorläußg letztes Werk, das „Oktett von 1957/58, in Deutschland wiederholt aufgeführt, erklang in Wien zum erstenmal, interpretiert von der Kammermusikvereinigung des Oesterreichischen Rundfunks? Von den fünf Sätzen, die zusammen etwa 40 Minuten dauern, erscheint besonders der erste neuartig und originell, die mittleren variieren bekannte Hindemithsch melodische und rhythmische Figuren, und der letzte amüsiert und beeindruckt durch die virtuose Satzkunst, mit der hier drei „altmodische Tänze" (Walzer, Polka und Galopp) in Fugenform verarbeitet werden.

Das umfangreichste und den größten Apparat erfordernde Werk war das symphonische Oratorium „Jesaiah, der Prophet“ von dem 1897 in Polen geborenen und seit vielen Jahren in Paris lebenden Alexander Tansmann. Die sieben- teilige, solistenlose Komposition wurde bereits 1949 geschrieben und erklang im Großen Sendesaal gleichfalls als Erstaufführung. Der aus dem Französischen ln ein kraftvolles und poetisches Deutsch übertragene Text schildert den Fall des jüdischen Volkes, die Wiederversöhnung mit Gott und die Heilsprophezeiung. Die großen, oft homophon geführten dramatischen und lyrischen Chorsätze sind durch eine ausgedehnte, an Reger anklingende Fuge und ein längeres Interludium unterbrochen. Tans- man-n schreibt im allgemeinen tonal, bedient sich aber häufig interessanter Mischklänge sowie der Septim und der Non zur Akkordbildung. Diese Musik wirkt echt und ehrlich empfunden und ist immer dort am schönsten, wo der Komponist den

Chor zu leisen und sonoren Ostinati deklamieren läßt, während einige besonders expressiv- sein sollende Stellen zu lärmend geraten sind.

Das 2. Klavierkonzert von Nikos S k alko 11 a s (1904—1949) meidet jederlei Effekt, hat monologischen Charakter und beeindruckt durch die strenge, feine und saubere Arbeit. Die (zwölftönige) Sprache dieses zu Lebzeiten fast unbekannten Meisters hat den Reiz des Spröden und wirkt zuweilen etwas abstrakt, besonders in dem zu lang geratenen ersten Satz. Zwei Griechen waren die Interpreten des schwierigen Werkes: Georg Hadjinikos, der den komplizierten Solopart mit bewunderungswürdiger icBbfh 'hftätffenifi'ä'ißie fe', und ltiadfe ‘St illlV;' als Dirigent. '

Ihm, dem talentierten Interpreten neuer Musik, ist wohl kaum anzulasten, daß bei der Wiedergabe von Hans Erich Apostels „Rondo ritmico" die vorletzte Feile fehlte. Das ist um so bedauer-

lieber, all es sich dabei um die Uraufführung eines feinen und bedeutenden Werkes handelt, von dem man sich kein ganz zutreffendes Bild machen konnte. Das große, fast immer kammermusikalisch behandelte Orchester enthält u. a. drei Saxophone, die lediglich den Klang dezent färben, jedoch keineswegs Jazz-Assoziationen erwecken. „Ritmico“ bedeutet bei Apostel nämlich keineswegs „Ostinato", sondern, im Gegenteil, ständige rhythmische und metrische V e r än d e r u n g, wie sie sich in den pausenlos ineinander übergehenden Teilen Scherzo-Walzer- Rondo-Passacaglia und Reprise spiegelt. Ebenso reich wie die klangliche Skala ist auch die gefühlsmäßige dieses neuen Werkei von Apostel, das vom Heiter-Scherzhaften bil zum Hochdramatischen reicht.

Von den übrigen Werken seien wenigstens noch einige genannt, die wir entweder von früheren

Rundfunksendungen oder aus dem Konzertsaal kennen: Olivier Messiaens symphonische Meditationen „Les Offrandes oubliees", Hans Werner Henzes „Nachtstücke und Arien“ und Goffredo Petrassis „Invenzione Concertata“ (gespielt von den Wiener Symphonikern unter Kurt Richter), ferner Anton von Weberns I. Kantate und Schönbergs Monodram „Erwartung“ (Chor und Orchester des Oesterreichischen Rundfunks mit Christiane Sorell als Solistin unter Michael Gielen).

Eine Bemerkung am Rande: Konzertprogramme, besonders solche für Darbietungen zeitgenössischer Werke, sollten möglichst sachliche Einführungen, Erläuterungen und Analysen enthalten, aber nicht Werturteile suggerieren. Besonders keine negativen.

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