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Friedensoratorium und Weltsymphonie

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Der Westschweizer Frank Martin schrieb sein Oratorium „In Terra Pax im Auftrag des Genfer Rundfunks bereits 1944. In einer Nachtsendung, unmittelbar nach dem „offiziellen“ Kriegsende wurde es gesendet, und wer zufällig in jener späten Stunde am Radio saß, wird das Erlebnis noch nicht vergessen haben. So unsystematisch und nur vom Gefühl geleitet, wie die Zusammenstellung der Texte, ist auch die Komposition ausgeführt. Worte aus dem Alten Testament, aus der Apokalypse' und dem Neuen Testament (einschließlich Bergpredigt und Vaterunser) wurden in jene musikalischen Formen gebracht, die im Oratorium und in der Passion üblich sind: Rezitative mit ariosem Einschlag, Soli, Ensembles und Chöre. Die Einheitlichkeit des Gefühlsausdrucks — die Stimmung einer gewissen temperierten Ergriffenheit — wird durch die spezifisch Martinsche Chromatik mit ihren Binnenspannungen und die dem Französischen eigene weiche, wenig akzentuierte Deklamation verwirklicht. Die stärkste Wirkung geht von einigen psalmodierenden Chorsätzen aus, deren Klagen und Anrufungen von ruhig schreitenden Bässen getragen werden. Heben wir als besonders geglückte Stellen den kanonischen Chorsatz „Alles Fleisch ist wiie die Blume" und den unmittelbar darauffolgenden fanfarenartigen Einsatz des Soprans und Tenors bei den Worten „Mache dich auf, Volk des Herrn“ hervor; allzu gleichmäßig gerieten dagegen einige längere Soli, für die Martin einen ganz eigenen Stü zwischen Arie und Rezitativ gefunden hat. (Es sangen: der Staatsopernchor und die Solisten E. Matheis und M. Radev, E. Majkut, P. Mollet und O. Cerwenka.)

Zu Beginn des Konzerts wurde Hindemiths neuestes Werk — „Die Harmonie der Welt" — erstaufgeführt, das in der letzten Folge der „Furche“ (Nr. 12) bereits vorgestellt wurde. Der Vergleich mit der gleichfalls dreiteiligen „Mathis" -Suite liegt nahe, zumal der mittlere Satz („Musica humana“) auch thematisch gewisse Ähnlichkeiten mit der „Grablegung" aufweist. Die neue, für großes Orchester geschriebene und sechs Schlagwerker berchäftigende Partitur ist prunkvoller, farbenprächtiger, zum Teil auch effektvoller als die des „Mathis“. Im ersten Satz („Musica Instrumentalis“) ist die Fixierung auf einen bestimmten Stil etwas zu stark fühlbar, während es im letzten dem Komponisten tatsächlich gelingt, mit Hilfe der'alten Formen, wie Fugato und Passacaglia, die „postulierte Harmonie der Welt“ zu symbolisieren. So sehr diese drei Stüdce auch als absolute Musik befriedigen, so lebhaft erregen sie den Wunsch, das ganze Werk vollendet zu wissen und kennenzulemeii. Paul Sacher, dem die Partitur gewidmet ist, dirigierte die Wiener Symphoniker und ließ in jeder Geste spüren, wie sehr er gerade dem Geist dieser Musik und der seines Landsmannes Frank Martin verbunden ist.

Im Mittelpunkt des Interesses und des Programms, das die Bamberger Symphoniker unter Joseph Keilberth exekutierten, stand die im Jahr 1946 geschriebene „Symphonia serena" von Hindemith. Wir haben das Werk bald nach seiner amerikanischen Uraufführung gehört und konnten feststellen, daß es auch beim Wiederhören seinem. Namen Ehre macht. Besonders geglückt sind die beiden Mittelteile: die heitere Paraphrase über den York- Marsch (der zu lustigem Streicher- und Holzbläsergeplauder zunächst stückweise vorgetragen wird und der dann die Wiedervereinigung der getrennten Teile mit lautem parodierendem Geschmetter feiert), und das „Zwiegespräch" des dritten Satzes zwischen einer Violine und einer Bratsche mit dem entfernt postierten, wie ein Echo wirkenden Schwesterinstrument. Nach diesen zart-meditativen „Colloquies“ hebt ein Musizieren an, wie man es so elegant, geistreich und heiter selten hört. Während das eine Streich-: orchester eine lebhafte Scherzando-Achtel- bewegung ausführt, singt das zweite dazu eine gefühlvolle Melodie. Hiedurch entsteht jene eigenartige Bewegung zwischen Fließen und Schreiten, die ein besonderes Kennzeichen von Hindemiths Stil ist und die sich zur Darstellung der Schönheit in der Bewegung, die man Anmut nennt, besonders eignet. — Es war ein guter Gedanke der Bamberger, gerade dies Werk gewählt zu haben. Das vorgesehene „Philharmonische Konzert ist als Komposition vielleicht wertvoller, aber schwerer zugänglich. In der Wiedergabe des Hindemith-Werkes, aber auch in der „Prager Symphonie von Mozart und in der „Fünften“ von Dvorak zeigte sich der hohe technische Standard des jungen Orchesters, das bekanntlich der legitime Nachfolger der Prager Deutschen Philharmonie ist und in Deutschland als eines der besten Konzertorchester gilt.

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