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Hindemith-Konzert und Thomanerchor

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Im Großen Sendesaal des Oesterreich i- schen Rundfunks leitete Paul Hindemith ein außerordentliches Konzert. Sein Konzert für Trompete, Fagott und Streichorchester (mit den Solisten E. Loidl und H. Lorch) aus dem Jahre 1949 setzt die Reihe der konzertanten Spielmusiken fort und zeichnet sich durch gute Laune, durchsichtigen Satz und frische thematische Erfindung aus. — Hindemiths letzte Komposition, die 1958 zur 200-Jahr-Feier der amerikanischen Industriestadt Pittsburgh geschriebene Symphonie, ist von anderer Art: prunkvoll, pathetisch, zuweilen etwas lärmend in den Ecksätzen, während der langsame Mittelteil durch originelle irisierende Farben und ein keckes Originalthema aus Pennsylvania in typisch amerikanischem (synkopiertem) Rhythmus erfreut. — Zwischen diesen beiden eigenen Werken dirigierte Hindemith Goffredo Petrassis „Coro di m o r t i“, ein dramatisches Madrigal für Männerchor, drei Klaviere, Bläser, Kontrabässe und Schlagwerk nach Worten von Leopardi. Das ernste, gutklingende Werk macht einen originellen Eindruck, freilich nur, auf den, der Strawinskys „Psalmensymphonie“ nicht kennt. (Ausführende waren: der Chor und das Orchester des Oesterreichischen Rundfunks.)

Im Mittelpunkt des 3. Abonnementkonzertes im Zyklus „Die große Symphonie“ stand Schönbergs Konzert für Klavier und Orchester, op. 42, aus dem Jahre 1942, ein fast heiteres, spielerisches Werk, dessen dichte Thematik sich in einem stets lockeren, durchsichtigen Orchestersatz verbirgt. Die Schwierigkeit für den Hörer liegt nicht in den „Dissonanzen“, sondern im raschen, kaleidoskopartigen Wechsel der Stimmungen, des emotionalen Ablaufs, dem man beim ersten Hören nicht ohne weiteres zu folgen vermag. Wolfgang Sawallisch, die Symphoniker und der Solist Walter Klien, der den schwierigen Klavierpart wahrhaft brillant spielte, taten das Menschenmögliche, diese anspruchsvolle Partitur klar und plastisch nachzugestalten. (Voraus ging

Händels „Concerto grosso", D-dur; nach der Pause folgte Beethovens 3. Symphonie.)

H. A.F.

Seiner großen Tradition würdig, erfreute der Thomanerchor aus Leipzig durch außergewöhnliche Ausgewogenheit der Stimmen und Homogenität des Klanges, Sicherheit und Sauberkeit der Intonation, kurz, durch eine vorbildliche musikalische Ordnung, der allerdings Impuls und Beschwingtheit zuweilen allzusehr untergeordnet waren. In Motetten von Bach, Schütz, Kuhnau, Palestrina und Scarlatti bewies dieser Jugendchor eine staunenswerte stilistische Eingelebtheit. Die zeitgenössischen Chorkompositionen von Siegfried Strohbach und dem Dirigenten Kurt Thomas mieden alle Problematik und blieben an Intensität hinter den alten Meistern zurück. Mit Werken von Bruhns, Reger und der d-moIl-Toccata von Bach holte sich der Organist Krämer einen verdienten Separaterfolg.

Händels Oratorium „Israel in Aegypten“ sang der Staatsopernchor unter dem jungen Dirigenten Harald Goer tz. Das Werk ist zu drei Viertel für Doppelchor komponiert, der mit rhythmischer und klanglicher Sicherheit seine Aufgabe absolvierte. Die solistischen Partien (Friederike Sailer, Margarete Bence, Fritz Wunderlich, Hans Braun, Fritz Linke) hatten bescheidenes oratorisches Ausmaß. Dennoch störte eine fremde, aus einem anderen Händel-Oratorium herübergenommene Sopranarie als willkürlicher Einschub. Der Dirigent vermochte bei Chor und Orchester (Symphoniker) groß angelegte Steigerungen zu erzielen; dennoch blieb der Gesamteindruck: mehr Routine als Sorgfalt.

Drei Graduale von Bruckner, eine Motette von David und die „Vesperae solennes de confessore“ von Mozart, KV. 339, musizierten der Akademie-Kammerchor und das Akademie- Kammerorchester unter Thomas Christian David. Sauberste Intonierung, wie auf der Goldwaage gewogen, sehr gepflegte Textaussprache und absolute Ausgewogenheit des Klanges sind die Vorzüge dieses Chors, dem die Leistung des Orchesters nachstrebte. Die dem Programmheft beiliegende „Kleine Revue österreichischer Gegenwartsmusik" dürfte, besonders in ihrem letzten, von der „dritten Kraft“ handelnden Teil, mit einigen Formulierungen auf Widerspruch stoßen. — Zwischen den Gesängen lasen Hermann Thimig und Judith Holzmeister Dichtungen aus Oesterreich, unter denen man leider Ferdinand von Saar und Rudolf Henz vermißte. Die dem „Tag der Fahne“ gewidmete würdige Veranstaltung schloß mit der Bundeshymne.

Franz Krieg

Drei von den sechs Flötenquartetten Joseph Haydns, auf deren Wiederentdeckung wir in einer Notiz (in Nr. 44 der „Furche“) bereits hingewiesen haben, wurden im vollbesetzten Vortragssaal des „Instituts für Wissenschaft und Kunst" mit der Entdeckerin der Manuskripte, Hedy L o u r i ė, am Cellopult, erstaufgeführt. Ihre Partner waren Kamillo Wanausek, Eduard Melkus und Thomas Kruschka, tüchtige jüngere Musiker, denen man einen sehr positiven Eindruck von diesen Quartetten verdankt, die in ihrer Form freilich noch mehr als Suiten oder Divertimenti anzusprechen sind und die ziemlich sicher einen Platz im Repertoire ambitionierterer Kammermusikvereinigungen finden werden.

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