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Von Pfitzners deutscher Seele

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Die Kantate „Von deutscher Seele" ist aus einem Liederspiel nach Eichendorff-Gedichten für Singstimmen und Klavier entstanden und kann, neben „Palestrina", als das charakteristischeste Werk Pfitzners gelten. In Eichendorfl begegnet der Komponist jener Welt, der er wahlverwandt und von eh und jeh verbunden war, es ist — nach einem Wort des Pfitzner-Biographen Hans Rutz — „jene ewige, jenseits einer geschichtlichen Periodik stehende Romantik als eine künstlerische Grundstimmung", die sich zusammensetzt aus Vergänglichkeitsgefühl und Todesahnung, poetischer Schwärmerei und träumerisch-elegischer Rückwärtsgewandtheit, die sehr plötzlich ins Diesseitig- Biedere Umschlägen kann. Bereits von der C-dur- Stelle vor dem Schlußgesang (Baßsolo) schrieb einer der eifrigsten Pfitzner-Verehrer, A. Berrsche, daß sie „mit ihrer etwas zu populären Haltung neben dem hohen Rang alles Vorhergegangenen schwer bestehen dürfte". Und dann erst der Schlußgesang selbst: diese patriotisch-pathetische Liedertafelei, fast schon Pimpfonie in Bal-dur… „Die Deutschen sind von vorgestern und übermorgen." Das Wort stammt von Nietzsche. Von vorgestern oder, wenn man will, zeitlos-gültig ist die Grundstimmung des Werkes. Aber die Kunstmittel, die Pfitzner anwendet, sind von einer sehr persönlichen Modernität, die der Romantik Eichendorffs ein ganz neues Gesicht verleihen, die alte romantische Farbe, das Himmelblau, in vielfältiger Brechung zeigen und die „blaue Blume" betörende Düfte ausströmen lassen. Josef Keil- berth ist der Mann, der für diese komplizierte und in vielen Einzelschönheiten ergreifende Musik nicht nur die richtige Hand, sondern auch das Herz hat. Mit den Philharmonikern, Franz Schütz an der Orgel, dem Singverein und den Solisten Wilma Lipp, Margarete Klose, Lorenz

Fėhenberger und Ludwig Weber stand ein Ensemble zur Verfügung, das im Zyklus „Die große Symphonie" eine geradezu ideale und höchst eindrucksvolle Interpretation des großen und bedeutenden Werkes gewährleistete.

Helmut A. Flechtner

Die Beurteilung eines Orgelkonzertes wird problematisch, wenn die Orgel in ihren Unzulänglich- lichkeiten, späten Ansprüchen und anderem immer problematischer wird und man nicht mehr genau feststellen kann, was auf Konto des Instruments gegen den Spieler und umgekehrt zu setzen ist. In dieser Relativität ist dem Spiel von Doktor Josef N e b o i s Präzision und Sauberkeit sowie technische und stilistische Sicherheit gutzuschreiben. Das Programm bot eine Auswahl zeitgenössischer Orgelwerke, unter denen eine Suite von Anton Heiller und eine Toccata mit Fuge von Ernst Pepping die bedeutendsten waren und wohl auch in der ersten Reihe der jungen Literatur stehen. Eine „Kleine Partita über zwei Passionslieder" von Johann Nepomuk David erschien un» für diesen großen Orgelkomponisten wenig repräsentativ gewählt. Die „Musica pro organo” von Paul Angerer wirkte in ihrer Quintigkeit etwas dürftig. Durch Kompositionen von Buxtehude, J. S. Bach, Franz Schmidt und Reger ergänzt, blieb das fast querschnittige Programm dennoch mehr wertvolle Leistung als geistige Synthese.

Die am Orgelkonzert erfreulich anteilnehmende Jugend fehlte leider auffallend bei dem Klavierduoabend Juliane Lerche-Inge borg Herkomer (Weimar) im Vortragssaal der Akademie für Musik, obwohl dieser Abend eine aparte Auslese von zeitgenössischen Kompositionen dieses an Literatur nicht überreichen Genres bot. Hindemiths Sonate, in scharfer Profilierung und raumweiter Klangdeutung musiziert, konnte als Erlebnis gebucht werden. Anton Heillers Toccata, sein vielleicht meistgespieltes Werk, hatte nicht ganz den stürmenden Elan ihrer Struktur. — Heinz Schröters „Bagatellen", op. 7, erreichten in Spiel und Auffassung mühelosen Erfolg, während Benjamin Brittens „Mazurka Elęgiaca", op. 23 2, zweifellos nicht zu den stärksten Schöpfungen dieses bedeutenden englischen Komponisten gehört. Mit dem Concerto d-moll von Poulenc und Milhauds genialem „Scaramouche" abschließend, wuchs dieses ausschließlich der Klaviermusik des 20. Jahrhunderts gewidmete Programm zu in sich geschlossener Einheit, das im exakten und ausdrucksvariablen Zusammenspiel der beiden Interpretinnen überzeugende Gestaltung gewann.

Das Philharmoniaquartett stellte ein Werk von Dimitri Schostakowitsch an die Spitze (Streichquartett, C-dur, op 49), das jedoch infolge seiner geringen Aussage und hinter mancherlei Primitivismen versteckten Leere das Interesse der Hörer nur in geringem Maße erobern konnte. — Mittelpunkt des Abends und sein wirklicher Gewinn war die ausgezeichnete, gelegentlich vielleicht etwas zu tragisch-pathetisch« Wiedergabe von Johannes Brahms’ Streichquartett a-moll, op. 51 2, dessen großem und raumweitem Stil jedoch die Interpretation in zeitloser Gültigkeit gerecht wurde, allerdings in Aufzehrung der Kräfte, so daß in Beethovens Streichquartett F-dur, op. 59 1, weder Konzentration noch Präzision auf der gleichen Höhe blieben. Doch wurde die große Kurve des Abends vom Hörerkreis mit großem Beifall bedankt.

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