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Neues aus dem Konzertsaal

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Der französische Komponist Albert Roussel (1869 bi6 1937) wird mit Recht als ein Musiker bezeichnet, der in der Tradition des 19. Jahrhunderts wurzelt und der doch — weltoffen und hellhörig — alle Anregungen, die das 20. Jahrhundert brachte, auf originelle Art verarbeitete. Sein hoher Rang ist vor allem an den vier Symphonien und an der Orchestersuite in F abzulesen (die jedem ambitionierten Dirigenten empfohlen 6eien), und auch die II. Orchestersuite aus dem Ballett „Bacchus et Ariane“, die Igor Markewitsch mit den Wiener Symphonikern aufführte, ist ein wertvolles, klanglich und rhythmisch interessantes Werk, das seine Wirkung nicht verfehlt, obwohl es ein wenig im Schatten der II. Suite aus „Daphnis und Chloe“ von Ravel steht. — Ob die Ballade für Chor und Orchester: „Die erste Walpurgisnacht“ von Mendelssohn nach einem ausgefallenen Text von Goethe die Aufbietung eines 60 großen Apparates rechtfertigt, möchten wir nicht ohne Vorbehalt mit ja beantworten. — Der bekannte ungarische Geiger Joseph Szi- geti spielte zwischen den beiden genannten Werken da6 Violinkonzert von Beethoven — und hatte leider keinen guten Tag.

Im Kompositionekonzert von Raimund Weißeneteiner hörten wir unter der Leitung des Komponisten die an dieser Stelle bereits besprochenen „Choralvariationen Nr. 2 über die Ostersequenz und als Novitäten das „Te Deum für gemischten Chor, Soli und Orchester: ein strenges, eindrucksvolles Werk, das sich in seiner Diktion an Bruckner anlehnt und nur für einen einzigen Satz („Te ergo quaesumus.. . ) die drei Solisten bemüht, sowie die VIII. Symphonie. Sie fügt dem Stilbild von Weißensteiners Symphonik, wie wir es aus früheren Aufführungen gewonnen haben, keine neuen Züge hinzu und zeigt — vor allein in den stereotypen harten Blechbläsereinwürfen, meist im Fortissimo — den Komponisten auf dem Wege, in einer bestimmten Manier zu eretarren. Was ihm not täte, wäre Auflockerung und Assimilation neuer Elemente, vielleicht durch r-eue künstlerische und landschaftliche Eindrücke. (Es spielten die Wiener Symphoniker, es sang der Tonkünstlerchor.)

Der Schumann- und Schubert-Interpretation des polnischen Pianisten Stanislaw Niedzielskis fehlte die „dritte Dimension“, da6 Poetische und das Romantische. Besser geriet Ihm Chopin, am besten ein Reihe kleinerer Stücke von Ravel, Poulenc, de Falla und Frėdėric Monpou, der Debussys Stil in seinen „Charmes“ vereinfacht und vergröbert. Das „Ballet Goyesqu-e“, eine Origdnal- komposition des Pianisten, zeigte, daß der Musiker Niedziel6ki aus etwas grobem Holz geschnitzt ist.

Vor allem der mutige und unermüdliche Einsatz ausübender Künstler ebnete der zeitgenössischen Musik au6 einer ungesunden Isolation heraus den Weg zum großen Publikum, so daß ein Konzertprogramm ganz ohne heutige Musik bereits zu den Seltenheiten gehört. Besonders der jüngeren Generation sind ja die „Dissonanzen der Modernen keine Medusa, wie den Nachzüglern der Entwicklung; nicht selten ist ihnen „ihre“ heutige Musik unmittelbarer zugänglich als die traditionelle. E6 ist kein Zufall, daß Anton Heillers Orgelsonafe (1946) mit ihrer knappen Formung und ihrer Verdichtung der harmonischen Funktionen die beste Leistung des Orgelabends von Dr. Joseph Neboi6 war, der gewiß seinen Bach vornehm spielte (und besonders dezent und geschmackvoll registrierte), aber dennoch zu Franz Schmidt (Choralvorspiel „Der Heiland ist erstanden“), und noch mehr zu Hindemith (Sonate II) und J. N. David (Geistliches Konzert „E6 sungen drei Engel“) viel realere Beziehungen offenharte. — Auch der bekannte Geiger Joseph Szigeti mit seinem nicht 6ehr großen, aber edlen Ton bekundete 6eine Meisterschaft weniger bei J. S. Bach (Adagio und Fuge g-molf für Violine allein) als neben einem sehr beseelten Schubert (Introduktion und Rondo brillant op. 70) in der recht hartnäckigen Sonatine von Maurice Ravel und der milden und aparten Sonate D-dur op. 94 von Prokofieff, die wohl auch die hartgesottensten Historisten der Muslik versöhnen kann. — Im Konzert der Österreichischen Gesellschaft für zeitgenössische Muiik, das ausschließlich jüngeren Talenten gewidmet war, hörten wir durch ihre Verhaltenheit auffallende Lieder von Marcel Rubin, knapp aussagende von Wolfgang Gabriel, eine Sonate für Klavier zu vier Händen von Joseph Dichler, die zuweilen ins Unterhaltende abgleitet, ein Streichtrio von Peter Traunfellner und ein sehr musikanti6ches Trio für Violine, Gitarre und Kontrabaß von Armin Kaufmann. Das bedeutendste Werk erschien uns Raimund Weißensteiners Streichquartett, dem wohl die Ausgewogenheit zwischen Form und Inhalt mangelt, das jedoch durch den künstlerischen Ern6t seiner Aussage überwog. Die Ausführenden, obgleich zumeist Frauen, stellten ihren Mann.

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