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Gesamtein dru eis: wenig befriedigend

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Das dritte außerordentliche Konzert der Wiener Symphoniker war Holland gewidmet. Holländisch war im ersten Teil des Programms außer dem Dirigenten Willem van Otterloo nur der Solist Hermann Krebbers, der das Violinkonzert von Brahms spielte (nach der Manfred-Ouvertüre von Schumann). Der Referent beschränkte sich daher — und weil gleichzeitig im Brahms-Saal ein anderes Konzert mit ausländischen Gästen stattfand — auf den zweiten Teil. Hier wurde die 3. Symphonie von Henk Badin gs (geb. 1907) erstaufgeführt, ein routiniert gemachtes, ziemlich lärmendes Werk ohne eigenen Stil. Erstaunlicherweise hatte der Dirigent diese umfangreiche, etwas wirre Partitur Nöte für Note seinem Gedächtnis eingeprägt. Den versöhnlichen Abschluß bildete Ravels II. Suite aus dem Ballett „Daphnis und Chlo e“, eines der brillantesten und reizvollsten Orchesterstücke, welche die französische Musik hervorgebracht hat. (Wir haben dieses wirkungssichere Stück schon besser und wir haben es schon schwächer gehört ...)

Vom Programm der beiden amerikanischen Pianisten Dougherty und R u z i c k a, die vor kurzem auch in einem Orchesterkonzert unter William Strickland spielten, hörte der Referent nur den ersten Teil. Mit Mozart (Sonate in C-dur, KV. 521) zeigten sich die Interpreten besser vertraut als mit Schubert (Fantasie op. 103). Ihr Spiel ist ein wenig mechanisch aufeinander abgestimmt, aber es entbehrt der vollkommenen Einheitlichkeit und der Poesie. Nie hatte man den Eindruck, einem Ueberklavier, an dem ein inspirierter Musiker sitzt, zu lauschen. Man nennt diese Art zu spielen Teamwork. Auch gut/ Bei Schubert — leider — bewährte es sich nicht recht. Als Uraufführung hörten wir die Bearbeitung eines tonalen Orgelwerkes von Arnold Schönberg. Diese Variationen über ein Rezitativ op. 46, stark chromatisierend, romantisch und ziemlich virtuos, klingen wie eine Komposition von Max Reger mit einigen falschen Noten Dieses Werk — eines der letzten Schönbergs — kennenzulernen, war insofern interessant, als es erweist, daß sich der Komponist im Gefühlsmäßigen von seinen spätromantischen Anfängen nicht weit entfernt hat.

Bei der Programmierung des 4. Kammer-orcheste r-Konzerts im Mozart-Saal hatte man vergessen, die Stoppuhr zu Rate zu ziehen. Trotz ihrer übergroßen Länge möchte man die 2. Serenade (was für ein bescheidener Titel für diese ausgewachsene Symphonie!), die man Brahmsens „Pastorale“ nennen könnte, ebensowenig missen wie Mozarts elegante Symphonia Concertante, die von Eva Hitzker und Karl Stierhof gespielt wurde. Nach diesem ausgedehnten ersten Teil folgte das dicke Ende: eine Musik für Viola d'amore und Kammerorchester von Armin Kaufmann und das 1. Violinkonzert von Benjamin Britten.

Nachdem der erste Schreck über die banalen Harfenarpeggios, mit denen Kaufmann sein Werkchen beginnt, überwunden war, konnte man sich anschließend an manch nettem melodischem und instrumentalem Einfall erfreuen, vor allem an der sorgfältigen und schonenden Behandlung der lyrischdunklen Violapartie. — Beim Anhören von Brittens op. 15 hat man zunächst den Eindruck, als hätte der Komponist in den ersten beiden Sätzen tant bien que mal niedergeschrieben, was ihm gerade eingefallen ist. All dieses „Zufällige“ hat er freilich, ständig nach dem Solisten und dem Publikum schielend, möglichst effektvoll ausstaffiert. In den unverblümten melodischen Trivialitäten und den billigen, aber um so schwieriger auszuführenden Zirkusnummern des Soloinstruments zeigt sich eine Geringschätzung des Publikums, die sich eigentlich nur ein Siebzehnjähriger, aber schon kein seriöser Siebenundzwanzigjähriger mehr leisten darf (Britten ist 1913 geboren und schrieb dieses Konzert während eines Amerikaaufenthaltes im Jahre 1940). Schwer begreiflich und bewunderungswürdig, wie Edith Bertschinger sich diesen Solopart auswendig merkte. Michael Gielen, der das Konzert leitete, bedarf als Interpret zeitgenössischer Musik kaum mehr der Bestätigung. Daß er auch klassische und romantische Musik mit Stilgefühl und Ausdruck dirigieren kann, erwies dieses Konzert.

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