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Konzertkaleidoskop

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Man hört den Pianisten Shura Cherkassky nur selten neue Musik spielen. Im Musikverein machte er in dieser Hinsicht eine Ausnahme, stellte Richard Rodney Bennetts „Fünf Studien“ vor: flexible Strukturgebilde von erstaunlicher Spannung, pianistische Stenogramme voll Leidenschaftlichkeit und Verve, fragmentarisch im Charakter, gleichsam kunstvoll gedrechselte Apercus, die er bravourös vorexerzierte. Liszts Ungarische Rhapsodien (Nr. 2 und 5) gestaltete Cherkassky zu einem Furioso pianistischer Glanzlichter, Tschaikowskys halbstündige G-Dur-Sonate (op. 37) mit großem Aufwand an Sentiment. Daß diese Sätze des Russen im Grunde nach einer Transkription eines Orchesterwerkes anmuten, konnte der Pianist nicht kaschieren. Meisterhaft klar, ökonomiisch, mit Sachlichkeit und doch einfühlsam Interpretiert gerieten Beethovens „Waldstein“-Sonate und die in B-Dur von Mozart.

Jörg Demus wies sich im Musik* verein erneut als hervorragender Interpret romantischer Klaviersonaten aus. Besonders so versponnener wie der von Schumann (fis-Moll, op. 11), die er abwechslungsreich, wie ein mehraktiges Schauspiel, vorzutragen weiß. Die träumerisch-empfindsame Komponente arbeitet Demus immer wieder besonders liebevoll heraus: Bei Schuberts postumer B-Dur-Sonate speziell im Gefühlsstrom des singenden Andante oder bei der in Es-Dur („Les Adteux“) von Beethoven in der poesievollen „Absence“. Janä-teks es-Moll-Sonate, „1. X. 1905: Die Ahnung — Der Tod“, geriet konzise, in den knappen Formulierungen wie im Stimimungsgehalt sehr präzise.

Das Trio Pichler-Beyerle-Erben stellte sich im Brahms-Saal mit Beethovens Streichtrios (op. 3 und op. 9/1) und der Serenade (op. 8) vor. Wenn auch manches Problem dieser schwierigen Werke nicht ganz bewältigt wurde und der Cellist Valentin Erben nach einer Erkrankung noch nicht ganz in Hochform war, boten die hochbegabten jungen Musiker doch ihr Bestes. Immer wieder blitzten mit viel Geschmack und schöner Tongebung pointierte Partien auf. die Eleganz und prik-kelnde Frische des Prestofinales in Opus 9 überraschten. Ein versprechendes Debüt.

Das Austauschkonzert des österreichischen Rundfunks mit Ungarn und Jugoslawien bewies dank der Auswahl eindeutig die Überlegenheit der Werke der österreichischen Komponisten: Vor allem Rudolf Weishappels Kantate „Von der ungeordneten Verlassenschaft“ (nach Worten von KiessMng), in unorthodoxer Zwölftontechnik gearbeitet, hält sich seit vielen Jahren als zeitlos gültiges, eigenständiges Werk. Das Kriegserlebnis wird da zum Anlaß, um Ungeduld zu beten, damit wir nicht gleichgültig werden und uns nicht abfinden mit dem Übel. Fritz Leitermeyers Lieder in Afri-kaans (op. 25), Mimi Coertse gewidmet, sind etwas konventionell, indes mit viel Geschmack und Feingefühl komponiert. Georg Piers Transition I bis 1JI klingt nach einem Lehrstück. Unter den Kompositionen der Jugoslawen gefiel lediglich Klemens Klavierxonate, ein knappes, sachliches Stück, das serielle Techniken immerhin mit Flair anwendet; Avdo Smoümrics und MilenJco Zivkovics Stücke boten bescheidenste Folkloreübungen. Die Ungarn, Zsolt Durko mit seinen „Psicogramma“ und Andreas Mihaly mit seinem „Mouvement“, zeigten immerhin satztechniseh solide Arbelten. Vor allem Durko, dessen Werk nur leider das Repertoire gängiger Effekte der neuen Musik zu sehr abnützt. Viel Applaus. Speziell für die Ausführenden Magda Hm'ossv (Sopran). Sünna Abram, Walter Sengstschmid und Robert Scholltim (Klavier), Karl Dvorak (Fagott) und Peter Rocsek (Cello).

Im 4. Konzert des Internationalen Chor-Orchesterzyklus dirigierte die Wiener Philharmoniker der kaum vierzigjährige elegante Thomos Schippers, der schon mit 14 Jahren Organist'war, die besten amerikanischen Musikschulen besuchte und während der letzten 20 Jahre eine einzigartige internationale Karriere gemacht hat. Bei den Bayreuther Festspielen hat er „Die Meistersinger“ und zur Eröffnung des neuen Opernhauses im Lincoln Center die Weltpremiere von Barbers Festoper dirigiert, und seit 1961 ist er der künstlerische Leiter der Festspiele von Spoleto. An zwei sehr ungleichen, aber doch wiederum auch innerlich verwandten Werken — Bar-töks „Konzert für Orchester“ und Richard Strauss' „Heldenleben“ — konnte er zeigen, was für ein versierter Dirigent er ist. An Spannung und Effekt ließ er sich nichts entgehen. Mit Bartöks eigenen Maßstäben gemessen, gehört dieses 19*3 in New York für Kussewitzky geschriebene „Concerto per Orchestra“ zu den gefälligeren, wenn auch keineswegs leichten Werken des großen Komponisten. Die autobiographischen Züge begünstigen sein Verständnis. Und autobiographisch ist ja auch „Ein Heldenleben“ von Strauss. Aber Schippers zielte nicht nur auf dramatische Bewegung und dynamischen Effekt, sondern er ließ sich auch Zeit für die ruhigen, lyrischen Passagen. — Die Philharmoniker waren in Hochform. Erfreulich, daß nun auch Bartöks Orchesterwerk zu den Glanzstücken ihres Repertoires gezählt werden kann.

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