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Solti und Franqaix mit Tochter

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Eine Gestalturig spiegelhafter Klarheit gelang Georg Solti im Philharmonischen Konzertprogramm: Mozart, Bartok, Brahms. Mit der Jupiter Symphonie zu beginnen, ist fast eine Kühnheit, denn sie ist schwer zu überleuchten. Der Glanz des Finales, Sonatensatz und Doppelfuge zugleich, strahlte seinen vollen Zauber aus wie ein Kristall auf dem dunkleren Grunde des Andante cantabile. Bartöks „Divertimento für Streichorchester“ (1937 für Basel komponiert), eine freie Form des Concerto grosso, gehört zu den liebenswürdigsten und eingän- gisten Werken des großen Ungarn. Die fast durchsichtig klare Wiedergabe war eine Glanzleistung des Orchesters, und nicht weniger die abschließende Vierte Symphonie von Johannes Brahms, deren durchgeistigter Herbheit und klassischer Formenstrenge (Passacaglia des 4. Satzes!) das verbindliche Profil nicht fehlte.

„Alles Mühen ist vergeblich" steht als unsichtbares Motto über der 6. Symphonie Gustav Mahlers, die er selbst die Tragische nannte. Und nach 74minütiger Dauer ist man von dem Motto längst überzeugt. Das darf man bei allem Respekt vor Mahlers Genius sagen, besonders vom Finale dieser Symphonie, so viel Ahnung und Bekenntnis auch darin steckt. Jascha Horenstein dirigierte die Wiener Symphoniker, die diesem letzten Dirigenten der alten Garde willig folgten, denn er wußte das überdimensionale Werk mit Sicherheit und Präzision zu gestalten und die mancherlei Schönheiten, die ihm innewohnen, glaubhaft und in logischem Aufbau aufzuzeigen. Voran ging das „Konzert für Violine und Orchester D-Dur, op. 77“ von Johannes Brahms, im Solopart tra- giert von Pina Carmirelli, deren Interpretation vieles bot und einiges schuldig blieb. Vor allem fehlte Brahms. Die enormen technischen Schwierigkeiten wurden nicht immer gemeistert, es blieb ein gleitendes, diffuses Bild anstatt einer klaren Linie.

Als ein Eigenständiger auf seinem Gebiet erwies sich Hans Haselböck an seinem Orgelabend, den er zum größten Teil weltlichen Kompositionen für dieses Instrument widmete. Die „Tanzsuite nach Tabulatursätzen anonymer Meister des 16. Jahrhunderts" hörte man wohl zum erstenmal und begriff, wieviel ungehobene Schätze dieser Art noch der Entdek- kung harren mögen. Sie zaubern eine Welt vor Augen und Ohren des

Hörers, die vielseitig genug ist, unserer Zeit ein Beispiel zu sein, und der auch die Kompositionen von Paul Hindemith (Sonate I) und Jehan Alains (2. Phantasie und „Litanies“) in irgendeiner Art verwandt sind. Ein Echowerk und Variationen über eine Gagliarda von Samuel Scheidt zeigen auch diesen Organisten des 17. Jahrhunderts auf weltlichen Wegen, und nicht weniger den großen J. S. Bach mit seinem „Concerto a-Mdll nach Antonio Vivaldi“. Als einzig kirchliches Werk stand gleich zu Beginn das „Offertoire“ von Franęois Couperin. Die Interpretation Haselböcks ist eine persönlich ausgeprägte, aus dem Wissen um das Instrument und seiner Vergangenheit wie Gegenwart gestaltete. Wie sehr die Zuhörer mitgingen, bewies die Notwendigkeit von Draufgaben, bei einem Orgelabend fast ein Novum.

Am vergangenen Sonntagvormittag leitete der junge Volksopemdiri- gent Dietfrid Bemet, in seiner Gestik ein kleiner Karajan, im Großen Sendesaal des österreichischen Rundfunks ein Konzert der Wiener Symphoniker. Die interessante Novität, im Mittelpunkt des Programms, stammte von Jean Franęaix, Jahrgang 1912, dessen vor kurzem geschriebenes Konzert für zwei Klaviere und großes Orchester erst in Paris und in den USA gespielt wurde. Also eine Wiener Erstaufführung. Das neue Werk von Frangaix, der eine flinke Feder führt und ein leichtes, liebenswürdiges, fast zu gefälliges Talent besitzt, ist in seiner ganzen Haltung der Ästhetik der Gruppe der SIX verpflichtet und zeigt — der Komponist war mehrere Jahre lang Schüler von Nadja Boulanger — wiederholt Anklänge an Strawinsky. Es beginnt mit einem dramatisch-drohenden Triller, aber alsbald ist Frangaix wieder in seiner vertrauten Kinderwelt, mit Puppen, Automaten, allerlei Spielwerk und kecken Gassenhauern. — Was Frangaix mit Geschick zu produzieren und auch zu präsentieren versteht, ist anspruchsvolle Unterhaltungsmusik. Doch dafür ist das halbstündige, pausenlos durchgespielte Stück um mindestens zehn Minuten zu lang... An den beiden Flügeln saßen der Komponist und seine Tochter Claude. Letztere, etwa 20 Jahre alt und ihrem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten, spielte ihren nicht allzuschweren Part mit Leichtigkeit und Akkuratesse. — Divertimentocharakter haben auch die meisten Orchesterkompositionen Gottfried von Einems. Seine das Konzert einleitenden „Meditationen“ op. 18 sind persönlicher profiliert, die erste von den beiden weist härtere Dissonanzen und schärfere dynamische Akzente auf, während es in der zweiten neben einigen hübschen rhythmischen Stellen auch einige „Luftlöcher“ gibt. — Das Konzert wurde mit der Symphonie c-Moll für Orgel und Orchester op. 78 von Camille Saint-Saens beschlossen, die der Referent aber nicht mehr hören konnte.

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