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Brahms-Konzert und Zeitgenossen

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Mit elementarer Gewalt bricht das 1. Thema über dem Paukenwirbel wie Blitz und Donner herein.“ So ein Kommentator über den Beginn des 1. Satzes von Brahm's 1. Klavierkonzert. In der Wiedergabe der Tonkiinstler unter Heinz Wallberg stellte sich diese Stimmung erst allmählich ein. Zunächst spielte das Orchester ein wenig zaghaft, was vielleicht auf eine gewisse Unvertrautheit des Ensembles mit dem nicht gerade häufig aufgeführten Werk zurückzuführen ist. Der Solist Friedrich Wührer freilich ist ein hervorragender Brahms-Interpret, der über Kraft, Brillanz und Ausdruck gleichermaßen verfügt. In der 2. Symphonie von Brahms schien uns das Dramatische auf Kosten des pastoralen Elements, von dem gerade dieses Werk so viel enthält, zunächst ein wenig forciert. Aber im Verlauf der übrigen Sätze kam es dann zu

vielen schönen Momenten und einem effektvollen Abschluß, der vom Publikum mit lebhaftem Beifall quittiert wurde.

Drei Uraufführungen gab es in dem vom österreichischen Rundfunk veranstalteten Zyklus „Wir stellen zur Diskussion“. Chor und Orchester von Radio Wien unter Karl Österreicher waren die Ausführenden. In der im Herbst 1963 komponierten 1. Duineser Elegie (nach Rilkes berühmtem Text) erweist der bald 80j ährige, seit vielen Jahren in Oxford lebende Egon Wellesz ungeminderte Schaffenskraft. Die im Doblinger-Verlag erschienene Komposition für Sopransolo, Chor und Orchester ist vor allem in ihrem zweiten Teil von höchster Ausdruckskraft. Von der meist rezitativisch, zuweilen in großen Intervallen geführten Singstimme hebt sich der lapidare Chorsatz wirkungsvoll ab — und verschmilzt trotzdem mit dem Orchesterpart zu einem Ganzen. Das Unkomponierbare — hier wurde es Ereignis. Die junge Sopranistin Irmgard Stadler, die einzelne Strophen auch zu sprechen hatte, verdient Bewunderung, nicht nur wegen ihrer leistungsfähigen Stimme, sondern auch wegen der stupen-den Treffsicherheit. — Hocherfreulich auch die beiden anderen Begegnungen dieses Abends. Marcel Rubin schrieb seine dreisätzige ///. Symphonie bereits 1939 in Paris, wo er Schüler Milhauds war. Aber erst nach einer gründlichen Revision und Straffung, die 1964 vorgenommen wurde, gab er das knapp halbstündige Werk zur Uraufführung frei. Die Thematik, besonders. der bewegten Teile, ist plastisch und kraftvoll, der Klang seines Orchesters ist hell, an den Höhepunkten strahlend, das Ganze eher geist-. voll-spielerisch als sentimental oder pathetisch — und trotzdem nicht „unsymphonisch“. Dabei ist diese Musik harmonisch sehr avanciert und trotzdem gut anzuhören: eine gelungene Arbeit, ein gutes Stück, dem man bald wiederzubegegnen wünscht. — Paul Walter Fürsts im Vorjahr entstandene „Farbspiele“ op. 38 für großes Orchester zeichnen sich durch Kontrastreichtum, plastische Gestaltung und wohltuende Kürze aus (die fünf pikanten wohlgeformten Sätze dauern 15 Minuten). Der 1926 geborene Wiener, der gegenwärtig Bratschist bei den Philharmonikern ist, kennt die modernen Techniken und Möglichkeiten, ohne aber eine Musik „ä la maniere de“ zu schreiben. Auch dieses Werk verdient eine Wiederholung im Konzerthaus. Die Leitung der Musikabteilung des Österreichischen Rundfunks hat in diesem Konzert nicht nur Diskussionsbeiträge, sondern drei gelungene Kompositionen vorgeführt.

Im Institut Francais am Lobkowitzplatz konzertierte das bestrenommierte „Qua-tuor Instrumental de Paris“, das aus den Damen Volant-Planel, Gauci, Reculard und Manet besteht, deren jede das Zeug zu einer Solistin hätte. Aber sie ziehen es vor, gemeinsam Musik des 17. und 18. Jahrhunderts und Zeitgenössisches zu spielen. Die Trios und Quartette von Gaultier, Couperin, Young, Corette und Quantz für Geige, Flöte, Gambe und Spi-nett sind auch für den professionellen Konzertbesucher Raritäten. Die Qualitäten und Anforderungen dieser Musik sind bekannt. Unter den Werken, die den 2. Teil des Programms bildeten, finden sich zwei, die speziell für das Pariser Ensemble geschrieben wurden: das zugleich impressionistische und altertü-melnde „Tombeau de Marin Marais“ von Pinchard (Jahrgang 1928) und das effektvoll zupackende Quartett von Florent Schmitt mit dem maliziösen Untertitel „pour presque tous les temps“, dessen zweiter Teil heißt „au clair de la R(epu-blique) 4*' und zu seiner Realisierung natürlich des Konzertflügels statt des Spi-netts bedarf. Das Stückchen von Ruyne-man (geb. 1886) nach einem japanischen Poem könnte man als eine Chinoiserie bezeichnen. Als der weitaus eleganteste und geistreichste Zeitgenosse erwies sich der 1962 verstorbene Jacques Ibert mit einem anmutigen Andante und einem reizvoll hispanisierenden Allegro mit Gitarrenklängen. Neun kurze Stücke — und eine brillante Ausführung: ein unterhaltsames Konzert.

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