6778636-1969_32_14.jpg
Digital In Arbeit

Rappresentatione“ und Mozart

19451960198020002020

Nach viertägigem Präludieren und Abwarten — bei subtropischen Temperaturen — gab es bei den Salzburger Festspielen einen ersten Höhepunkt, der während der folgenden Wochen kaum übertroffen werden wird: die Aufführung der „Rappresentatione di Anima e di Corpo“ in der Kollegienkirche. Wir haben über das Werk Emilio de Cavalieris (1550—1602), der zusammen mit Peri und Caccini einer der Väter der modernen Oper und der Schöpfer des ersten religiösen Dramas war, anläßlich der Salzburger Premiere in der Felsenreitschule vor genau einem Jahr ausführlich berichtet. Nun ist das bedeutende Werk, das im Februar 1600 unter der Leitung des Komponisten im römischen Oratorio delle Vallicella uraufgeführt wurde, an den Ort seines Ausgangs und seiner Bestimmung zurückgekehrt, nämlich in den sakralen Raum. — Herbert G r a f als Regisseur, die beiden Römer Colosanti und Moore, der Dirigent Ernst Märzendorfer und der Choreograph Kurt J o o s haben die bestens geglückte Transferierung durchgeführt und damit den Sälzbürger Festspielen ein neues, echtes Fest- und Weihespiel geschenkt, von dem das Publikum merkbar beeindruckt war.

19451960198020002020

Nach viertägigem Präludieren und Abwarten — bei subtropischen Temperaturen — gab es bei den Salzburger Festspielen einen ersten Höhepunkt, der während der folgenden Wochen kaum übertroffen werden wird: die Aufführung der „Rappresentatione di Anima e di Corpo“ in der Kollegienkirche. Wir haben über das Werk Emilio de Cavalieris (1550—1602), der zusammen mit Peri und Caccini einer der Väter der modernen Oper und der Schöpfer des ersten religiösen Dramas war, anläßlich der Salzburger Premiere in der Felsenreitschule vor genau einem Jahr ausführlich berichtet. Nun ist das bedeutende Werk, das im Februar 1600 unter der Leitung des Komponisten im römischen Oratorio delle Vallicella uraufgeführt wurde, an den Ort seines Ausgangs und seiner Bestimmung zurückgekehrt, nämlich in den sakralen Raum. — Herbert G r a f als Regisseur, die beiden Römer Colosanti und Moore, der Dirigent Ernst Märzendorfer und der Choreograph Kurt J o o s haben die bestens geglückte Transferierung durchgeführt und damit den Sälzbürger Festspielen ein neues, echtes Fest- und Weihespiel geschenkt, von dem das Publikum merkbar beeindruckt war.

Werbung
Werbung
Werbung

Bereife 1964 plante der Regisseur Herbert Graf, das von Hofrat Bernhard Paumgartner wiederentdeckte und musikalisch bearbeitete Werk Cavalieris im Dom von Monreale bei Palermo aufzuführen. Als das Projekt nicht zustande kam, schlug Graf die Salzburger Kollegienkirche als Äufführungisort vor, wo ja 1922 Hofmannsthals „Salzburger Großes Welttheater“ uraufgeführt worden war. Später entschied sich Professor Paumgartner für die Felsenreitschule, die aber heuer wegen Umbau-arbeiten nicht zur Verfügung steht. So wurde die Kollegienkirche gewissermaßen als Notquartier gewählt —< und wird hoffentlich auch künftig diesem in jeder Hinsicht würdigen Werk geöffnet bleiben. (Doch hierüber in anderem Zusammenhang...) Die beiden aus Rom kommenden Bühnenbildner haben den Altarraum der Kollemenkirche den Erfordernissen des Spieles angepaßt und teilweise „umgebaut“, und zwar in Anglaichung an den triumphalisti-schen Barockstil Berninis, von dem Fischer von Erlach, der Erbauer der Kollegienkirche, während seiner römischen Studienjahre wichtige &#9632;Anregungen empfing. Statt des Hochaltares sieht man letzt eine „Tomba“, darunter das Höllentor. Zu beiden Seiten schwingen sich Treppen empor, so daß eine mehrstufige Spielfläche entsteht: unten die „anime damnate“, in der Mitte das Ballett, vor dem Grabmal spielen die Hauptszenen der Solisten, darüber der Heiligenchor der himmlischen Sübäre. — Es war also die auf „Breitwand“ konzipierte Szene und Aktion völlig umzudisponieren. Geblieben sind die ungewöhnlich schönen und prunkvollen Kostüme, die dem Einsatz reicher orchestraler, chorischer und choreographischer Mittel entsprechen. Durch diese Verbindung von dramatischer Choreographie und musikalischer Architektur ist Cavalieris „Rapnresentatione“ aus der Reihe ähnlicher zeitgenössischer Produkte herausgehoben. Zum mu-

sikdramatischen Hochstil eines Mon-teverdi ist nur ein Schritt. Ernst Märzendorfer dirigierte den großen, aus Chören, Orchestern und einem Dutzend namentlich angeführter Solisten bestehenden Apparat. Das Hauptorchester war unsichtbar, gespielt und gesungen wurde aber von der Orgelempore sowie von den beiden Emporen der Seitenschiffe. Mit den Damen Sarroca, Mayr, Kegel-Casapietra und den Herren Kerns, Wegmann, Hirte, van Dam, van Ree, Hollev, Fuchs und Hartiger stand ein Solistenensemble zur Verfügung, das kaum einen Wunsch offenließ. — Eine Meiister-leistung genauer Klangregie war, daß die Verschmelzung von Chören, Orchestern und Solisten, trotz des großen Nachhalls, ohne Zuhilfenahme von Mikrophonen gelang. — Für diesen Raum hätte kein Sniel und keine Musik passender und würdiger ersonnen werden können. — Am Ende der knapp zweistündigen, pausenlosen Darbietung rührte sich keine Hand zum ADolaus, aber die Ergriffenheit aller Anwesenden war sehr stark spürbar.

*

„Cosi fan tutte“, lange Zeit als „frivoles“ Nebenwerk Mozarts unterschätzt, ja abgelehnt, ist seit seiner Rehabilitierung durch E. T. A. Hoffmann („Ausdruck der ergötzlichsten Ironie“) und Richard Strauss („Reiz der intimen, psychologischen, konsequent durchgeführten Handlung“ — „mit feinster Ironie behandelter humoristisch-pathetischer, parodi-stisch-senttmentaler Stil“) in Gefahr, überinterpretiert zu werden. Der bekannte, im Vorjahr mit Rossinis „Barbier“ auch in Salzburg erfolgreiche Regisseur Jean-Pierre Pon-nelle hat ein eigenes Konzept: Er sieht in „Cosi“ weniger ein heiteres als ein bitter-süßes Stück — und beruft sich dabei auf die Musik Mozarts, die er ungekürzt wiedergibt und die den musikalischen Kommentar zu diesem nur anscheinend harmlosen Quiproquo darstellt.

Ponnelle hat Witz und Geist. Da3 beide von typisch romanischer Art und Eigenart sind, hat weniger das Publikum als die Kritik befremdet, und man warf ihm „Gags“ vor, die alles andere als künstlich aufgesetzte Pointen sind. Denn hier hat alles seinen Sinn und seine schlimmere Bedeutung. Vielleicht hat er Despina ein wenig zu sehr in den Vordergrund gerückt. Sie ist zwar eine Schlüsselfigur, aber hier beherrscht sie, viel mehr als Don Alfonso, die Szene: nicht als schelmisch-schlaues Kammerkätzchen, sondern als ein mit allen Wassern gewaschener skeptisch-abgefeimter kleiner Trampel, der seinen Herrschaften, besonders den so nobel tuenden Damen, beweisen will, daß sie keine anderen Gefühle hegen als sie selbst, Despina, in ihrem männerfreundlichen Herzen — Teresa Stratas ging nur allzu bereitwillig auf diese Tour ein und soielte das Quartett Rothenberger, Elias. Krause und Kozmai ein wenig an die Wand, was ihr ohne viel Mühe gelang, weil die beiden Schwestern und die zwei Offiziere ein wenig unterbesetzt waren. Nur Walter Berry war ihr einigermaßen gewachsen. —

Die Ausstattung Ponnelles (im Kleinen Festspielhaus) war ebenfalls neiiartig und originell: Zu den in Weiß und lichtem Grau gehaltenen Dekorationen in Filigranmanier kontrastierten wirksam die bunten Kostüme. Das Ganze war von pariserischer Eleganz und Schönheit. Viel weniger befriedigte der junge Japaner Seiji Ozawa als Dirigent. Was in seiner Interpretation alles nicht stimmte — darüber müßte man eine kleine Abhandlung schreiben (Am besten könnte es wohl einer der an der Aufführung beteiligten Philharmoniker). Doch ist diese Fehlbesetzung von so prinzipieller Bedeutung, daß wir in einem größeren Zusammenhang noch mal darauf zurückkommen werden... Nach wiederholt mißglückten Versuchen auf dem „zweiten Geleise“

gab es heuer im Residenzhof, von Schönwetter begünstigt, zwei gelungene Einakteraufführungen. Das Dreipersonenstück des 12jährigen Mozart „Bastien und Bastienne“ stellte der tschechische Regisseur Ladislav Stros auf eine winzige Bühne mit silberfarbenem, filigranem Pavillon und ebensolchen Kunstblumen — vielleicht ein wenig zu künstlich für dieses Schäferspiel. In auffallend hübschen Kostümen von Marcel Pokorny agierten und sangen die anmutige Rumänin Keane Cotrubas (Schäferin), Thomas Lehrberger (Schäfer) und Peter van der Bilt (Zauberer). Die überaus reizvolle, Aktionen und Personen bereits sicher charakterisierende Musik des genialen Wunderkindes spielte sehr sauber das Mozarteum-Orchester unter der Leitung von Leopold Hager. Noch besser geriet PergoZesis „La Serva Padrona“, die Stros in einer Art drehbarem weißem Wohnturm angesiedelt und mit knallbunten Kostümen ausgestattet hatte. Die temperamentvolle, spielfreudige und gewandte Olivera Miljakovic sang die Serpdna; der alte Junggeselle, den sie unter die Haube bringt, war Carlos Feller, der stumme, harlekinhaft agierende Diener Vespone Jaroslav Cejka — eine Besetzung, die durchaus den Anforderungen des unterhaltsamen (übrigens historisch bedeutsamen) Stückes entsprach und die dem Publikum, das die Aufführung im Freien sehr genoß, auch sehr gefallen hat. Man sollte beide Stücke im gleichen Rahmen in der nächsten oder übernächsten Spielzeit wieder aufführen!

*

Der aus 12 Konzerten bestehende Orchesterzyklus wird heuer gemeinsam von den Wiener Philharmonikern und dem Orchestre de Paris bestritten. Er wurde mit zwei Mozart-Konzerten der Philharmoniker eröffnet, deren erstes Wolfgang Sa-wallisch dirigierte. Zwischen der Ouvertüre zum „Schauspieldirektor“ und der Linzer Symphonie C-Dur begleitete Sawallisch sehr aufmerksam und sensibel das virtuose Spiel von Alfred Prinz im Klarinettenkonzert A-Dur und die makellosen, aber keineswegs mühelosen Koloraturen von Ren Grist in zwei Konzertarien („No, no, che non sei capace“ und „L'amerö, sarö co-stante“ aus „II Re pastore“). Daß die konzertanten Stücke besser gefielen, lag vor allem daran, daß das Orchester im Alleingang ein wenig zu massiv klang.

Das 2. Orchesterkonzert leitete Christoph von Dohnänyi. Die prächtige Ouvertüre G-Dur (KV 318) zu einem nicht mehr feststellbaren Stück mit ihrem festlich-strahlenden Kontrapunkt sollte man öfter aufs Programm setzen. — In Mozarts Klavierkonzert F-Dur (KV 459), einem anmutig-heiteren Werk, das viel Brio und noch mehr Akuratesse des Vortrages verlangt, ließen der Solist, der Dirigent und das begleitende Orchester kaum einen Wunsch offen (Die das Konzert beschließende g-Moll-Symphonie konnte der Referent nicht mehr hören). Über die weiteren szenischen und konzertanten Aufführungen werden wir uns während der nächsten drei Wochen von W. Frauenhofer berichten lassen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung