6568290-1950_07_14.jpg
Digital In Arbeit

Die Salzburger Festspiele

Werbung
Werbung
Werbung

Vor einigen Wochen gab eine für die künstlerische Gestaltung der Salzburger Festspiele bedeutende Persönlichkeit, Hofrat Dr. Bernhard Paumgartner, einen Rechenschaftsbericht vor der Öffentlichkeit über das künstlerische und materielle Ergebnis der Veranstaltungen im abgelaufenen Jahr. Mit schlagenden Beweisen entkräftete er jene Anwürfe in der inländischen Presse, denen zufolge die Festspiele 1949 ein ungeheures Defizit ergeben hätten und dadurch eine kaum tragbare Belastung für den Staat geworden seien. An Hand einiger weniger gewichtiger Zahlen und Erwägungen trat Hofrat Paumgartner den Gegenbeweis an. Es sei wahr, daß Bund, Land, Stadt und Fremdenverkehr für die Festspiele eine Subvention von insgesamt eineinhalb Millionen Schilling zur Verfügung gestellt haben und daß diese Subvention zum Großteil aufgebraucht wurde. Das meiste davon sei allerdings dem Staat als Lohnsteuer wieder zurückerstattet worden.

Nicht übersehen darf werden, daß die Salzburger Geschäftswelt zur Festspielzeit eine Einnahme -von rund zwei Millionen Schilling verzeichnen konnte. Von. den 80.000 verkauften Karten wurden zumindest 50.000 von ausländischen Besuchern aufgekauft. Wenn nun von diesen ausländischen Festspielbesuchern jeder täglich rund 100 Schilling in Salzburg ausgab, so ergibt dies die Summe von fünf Millionen Schilling. Dazu kommen die verausgabten Gelder dieser ausländischen Gäste in Gastein, Kitzbühel und schließlich im ganzen Bundesgebiet. Aus alldem läßt sich leicht und ohne Übertreibung erkennen, welch wichtigen finanziellen Faktor die Salzburger Festspiele nun wieder für Österreich, das doch vornehmlich ein Land des Fremdenverkehrs ist, darstellen und wie ungerecht es ist, ohne Überlegung eine so eminent wichtige Einrichtung der Heimat anzugreifen, wo volle Anerkennung bei einiger Überlegung am Platze wäre.

Es sei nun im Zusammenhang mit einer Vorschau auf die festlichen Veranstaltungen des kommenden Sommers ein dieselben betreffendes Für und Wider erwogen. Vorläufig bietet sich das Programm bei weitem nicht so reich und vielfältig wie jenes im vergangenen Sommer dar, doch weiß man aus Erfahrung, daß bis zu dessen endgültiger Ge-staltwerdung noch Monate vergehen werden und können. Auch ist bekannt, mit welchen Hindernissen jeglicher Art die verantwortlichen Männer zu kämpfen haben. Die Oper weist an Wiederaufnahmen den „Fidelio“ unter Furt-wängler und unter dem gleichen Dirigenten jene der „Zauberflöte“ auf. Kirsten Flagstadt wird wieder die Leonore singen, die Besetzung der „Zauberflöte“ dürfte die gleiche bleiben wie im Vorjahr. Man will sich überdies bemühen, die stehende, von Caspar Neher erbaute Szene in der Felsenreitschule, die sich als zu weiträumig für die Mozart-Oper erwiesen hat, nach Möglichkeit einzuengen; darüber hinaus auch szenisch dar

Reich Sarastros und der Königin der Nacht klar voneinander zu scheiden. Neu aufgenommen wird Mozarts „Don Giovanni“ im Festspielhaus. Und es scheint gut, daß die Mittel nicht hinreichen, um auch diese Mozart-Oper, wie es ursprünglich geplant war, unter den freien Himmel zu zerren. Mozart braucht nun einmal den intimen szenischen Rahmen. Schon das Festspielhaus erscheint hier nicht der richtige Ort. Karl Böhm wird, dem Wunsch des verstorbenen Richard Strauß entsprechend, dessen „Capriccio“ einstudieren, worin Ljuba Welitsch, die auch die Donna Anna im „Giovanni“ singt, die Gräfin verkörpern soll. Als Festspieloper ist dieses Werk, im Hinblick auf das ausländische Publikum, ein gewisses Wagnis, doch wird es sich ja erweisen, wer hier recht behalten soll. Da seit einigen Jahren der auffrischende Gedanke, jeden Sommer ein zeitgenössisches Werk der Opernliteratur aufzuführen, im allgemeinen freundlicher Gesinnung begegnete, hat man auch heuer ein solches, das heißt eigentlich zwei — es handelt sich in beiden Fällen um Einakter — geplant, und zwar werden aufgeführt: „Der Raub der Lukrezia“ des Engländers Benjamin Britten sowie „Romeo und Julia“ von Boris Blacher, dem in Deutschland erfolgreichen Deutsch-Russen und Lehrer Gottfried Einems.

Das Schauspiel zeigt bis jetzt eine Glanznummer: Raimunds „Verschwender“ wird von Ernst Lothar, dem im vergangenen Jahr mit seiner Bearbeitung und Inszenierung von Goethes „Clavigo“ die schönste Leistung auf der Sprechbühne gelungen war, in Szene gesetzt. Er hat sich, soviel bis heute abzusehen ist (noch stehen die endgültigen Besetzungen nicht fest und es schweben Verhandlungen), mit dem ihm eigenen sicheren Gefühl für das übereingehen der Individualität von Schauspieler und Rolle eine Reihe der hervorragendsten Bühnenkünstler Österreichs für diese Aufführung verschworen: Käthe Gold, Jaray, Meinrad, Paula Wessely und Oskar Karlweis. Die Idee, diesen Raimund In großer Aufmachung zu präsentieren, entspricht einem österreichischen Festspielgedanken natürlich voll und ganz. Hier weiß man, daß unsere Heimat glanzvoll vor dem Ausland bestehen wird, übrigens hat Clemens Holzmeister vor kurzem dem Präsidenten Puthon seine Entwürfe für die Bühnenbilder aus Ankara zugesandt und wird Ende Februar persönlich zu Besprechungen mit der Festspielleitung in Salzburg eintreffen. Der „Jedermann“ soll auch heuer wieder gespielt werden. Leider ließ man den Plan fallen, unter der Regie Berthold Viertels Max Mells echt österreichisches „Nachfolge - Christi“ - Spiel auf dem Domplatz zu geben. Und zwar so zu spielen, daß man es heuer nur zwei- oder dreimal gesehen hätte, daß es aber im nächsten Jahr vielleicht den „Jedermann“ hätte ablösen können. Diese Neuerung wurde anscheinend von seifen des Burgtheaters (Direktor Gielen hatte hier ein bedeutsames Wort zu sprechen) abgelehnt, weil man die Aufführung nicht in den Spielplan der Wiener Bühne hätte übernehmen können. Man plant deshalb eine Inszenierung von Shakespeares „Was ihr wollt“ in Starbesetzung. Die kann man mit den Burgtheaterleuten in Wien ganz gemütlich proben, in Salzburg auf die Bühne stellen, und dann in der nächsten Spielzeit in Wien weiterlaufen lassen. Hier geht die österreichische Gemütlichkeit einmal zu weit und es bedürfte unbedingt einer genauen und strengen Revision dieses durchaus abzulehnenden Plans! Wir haben heute sehr wenige Dichter im Land, noch weniger solche, die gleichzeitig Dramatiker von echter Prägung sind, und was hätte besser zu Raimund gepaßt als gerade Max Meli? Könnte man die Scharte, die hier geschlagen wurde, vielleicht vorläufig mit einer bestimmt nicht kostspieligen Neuinszenierung von des Dichters „Apostelspiel“ ein wenig auswetzen, damit den heurigen Faux pas mit der Absetzung des „Nachfolge-Christi“-Spiels ein wenig zurücknehmend? Im Landestheater oder in einem von Salzburgs historischen Sälen gegeben, welche

Anziehung hätte dieses Innige Spiel voll tiefer christlicher Gläubigkeit doch auch für die Fremden! Burgtheater und Bundestheaterverwaltung sollten da nicht gar zu sehr Hausmachtpolitik betreiben.

Die Zahl der großen Konzerte ist, den Dirigenten nach zu schließen, noch nicht auf das übliche Maß gebracht. Vorerst erscheinen gesichert: Bruno Walter für zwei Abende, an denen die gleiche Mahler-Symphonie mit anderem Vorspann wiederholt wird, ferner Furtwäng-ler, Knappertsbusch, Karl Böhm und Ku-belik aus Amerika. Karajan, bereits Anfang Oktober von der Festspielleitung eingeladen, lehnte mit der Begründung ab, man hätte an ihn schon im August herantreten sollen, hätte man ihn gewinnen wollen. Das traditionelle Kammerkonzert mit Edwin Fischer wird übrigens in diesem Jahr Böhm dirigieren. Fischer soll als Solist darin mitwirken — eine begrüßenswerte Lösung! Selbstverständlich soll Bach ins Zentrum der Konzertveranstaltungen gerückt werden, doch lassen sich auch hier gegenwärtig nur Umrisse geben. Es ist vorgesehen — und hier spricht Bernhard Paumgartner als Bach-Forscher: der erste Band seines umfangreichen Bach-Werks steht gerade vor der Vollendung — die „Johannis-Passion“ in der Originalbesetzung mit dem nur 18 Stimmen umfassenden Männerchor zu geben, zwei Brandenburgische Konzerte mit Günther Ramin an der Orgel (dieser heute größte Interpret von Bachs Orgelmusik ist auch für einen Soloabend gewonnen worden), ferner die h-moll-Messe unter Furtwängler sowie die „Kunst der Fuge“ mit Friedrich Wührer und dem Salzburger Heinz Scholz. Die Konzertprogramme sind noch nicht ganz festgelegt. Von der Aufführung zeitgenössischer Werke wird man absehen müssen, weil geeignete Dirigenten hiefür fehlen. In ganzen gesehen, ergibt sich also manches, dem wir mit Spannung und Freude entgegensehen. Es sei der Hoffnung Ausdruck verliehen, daß sich in diese Spannung und Freude schließlich alles, was geboten werden wird, einbeziehen läßt.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung