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Burgtheater und Staatsoper

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Während der letzten Jahre war häufig das Schlagwort von der Theaterkrise zu hören, ein gefährFches Schlagwort, welches leicht zu einem Kriegsruf gegen das Theater werden kann. Es ist selbstverständlich, daß diejenigen, welche an verantwortlicher Stelle mit dem Theater zu tun haben, in diesen Kampfruf nicht einstimmen können. Das will aber nicht bedeuten, daß wir die Schwierigkeiten, insbesondere unseres heimischen Theaters, nicht erkennen. Diese Schwierigkeiten gilt es, ohne falschen Optimismus festzuste'len: sie haben ihre Ursache vor allem in einer allgemeinen geistigen Krise,, welche sich auch auf das künstlerische Gebiet auswirkt. Doch ist es nicht Aufgabe dieser Zeilen, deren tiefere Ursachen zu ergründen. Eine weitere Schwierigkeit besteht in der unzureichenden finanziellen Hilfe von außen, ohne welche ein anspruchsvoller Theaterbetrieb auf die Dauer nicht geführt werden kann.

Nun aber zu unserer Burg und zu unsere Oper. Die Direktionen der beiden Häuser haben zusammen mit der Bundestheaterverwaltung schon in der vergangenen Saison nach monatelangen Besprechungen ein genaues Arbeitsprogramm festgelegt, und alle Beteiligten werden ihr möglichstes dafür tun, daß dieses Programm erfüllt wird. Auch dem neuen Burgtheaterdirektor, der in aller-nächster Zeit sein Amt übernehmen wird, wissen wir mit uns in allem Grundsätzlichen einig. Vor allem besteht Übereinstimmung in der Auffassung, daß ein künstlerisch hochwertiges Theater nur von einem sich zwar ständig erneuernden, aber in seinem Grundbestand festen Ensemble getragen werden kann. Dem widerspricht es keineswegs, daß dem Burgtheater während der letzten drei Jahre wertvolle neue Kräfte zugeführt worden sind, und es ist nicht einzusehen, weshalb „klingende Namen“ dem Ensemblegeist schaden sollen. Diese Gefahr ist um so geringer, da ja auch berühmteste Künstler nicht nur in einem einzigen Stück als Stare auftauchen, sondern dem Ensemble mindestens für fünf oder sechs Monate angehören und sich dem Burgtheaterstil anzupassen haben. — Das Programm des Burgtheatere für die kommende Spielzeit ist schon mehrfach durch Presse und Rundfunk publiziert worden, daher kann eine detaillierte Aufzählung der geplanten Stücke entfallen. Doch sei besonders darauf hingewiesen, daß auch das Akademietheater in der Hauptsache hochwertige Stücke in seinem Repertoire haben wird.

Die Staatsoper im Theater an der Wien muß auch in der heurigen Spielzeit zunächst darauf bedacht sein, die uns immer noch fehlenden Standardwerke der Opernliteratur ihrem Spielplan wieder einzuverleiben. Daher die Neuinszenierungen der „Carmen“, daher die Ballette „Don Juan“ von Gluck und „Josefslegende“ von Richard Strauß, daher „Die Meistersinger“ und „Turandot“ von Puccini. Aus dem angeführten Grunde müssen vorläufig moderne Werke zurückgestellt werden. Doch soll das zeitgenössische Schaffen nicht ganz vernachlässigt werden. Es wird durch Salmhofers „Tarasenko“, durch Milhauds „Der arme Matrose“, Strawinskys „Ödipus Rex“ und Pfitzners „Palestrina“ — aus Anlaß des 80. Geburtstages dieses Meisters — vertreten sein.

Bei aller Selbstkritik kann festgestellt werdm, daß die Ensembleleistungen der Wiener Staatsoper wieder ein beachtliches Niveau erreicht haben, welches wir weiterhin zu steigern bestrebt sind. Von den Künstlern unserer Oper geht derzeit ein. großer Glanz aus, der nicht nur unsere Oper erwärmt, sondern auch weit in die Welt hinaus leuchtet. Wir finden Mitglieder der Wiener Staatsoper an der Metropolitan in Amerika genau so wie an der Covent Garden in London, wir finden sie bei den Festspielen in Salzburg, in Edinburgh und Luzern, wir finden sie in Mailand, Rom; und Paris. Doch .sind wir immer bestrebt, daß die hiesigen Aufführungen durch Gastspiele und Auslandsverpflichtungen nicht gefährdet werden. Deswegen sind auch die ersten Sänger des Hauses verpflichtet, mindestens fünf bis sechs Monate dem Institute, aus dem sie hervorgegangen sind, zu dienen. Dies Ziel versuchen wir vor allem durch ein besseres System der Sängerbeurlaubungen zu erreichen, als es in den Jahren 1918 bis 1938 bestanden hat. Es standen damals viele glänzende Namen im Personal Verzeichnis, doch waren allzu wenige ständig in Wien. Dadurch mußten die Repertoireaufführungen leiden. Und diese sind der künstlerische Gradmesser eines Opernhauses — .und nicht gelegentliche Festaufführungen. Nach wie vor bestehen die bekannten Einreiseschwierigkeiten für jene Künstler, welche während der Urlaube der Mitglieder des Ensembles an der Oper tätig sein sollen. Es ist kaum zu schildern, wieviel Energie und Zeitverlust für die Regelung gerade dieser Schwierigkeiten aufgewendet werden müssen.

Die Staatsoper in der Volksoper wird auch in der heurigen Spielzeit den im Vorjahr mit Erfolg beschrittenen Weg fortzusetzen haben und das Programm einer „komischen Oper" in Wien zu erfüllen haben. Das Programm der Volksoper zeigt klar das Ziel und die künftige Struktur des Instituts. Als bedeutendstes Ereignis sei die geplante Aufführung der Oper „Die schweigsame Frau“ von Richard Strauß angeführt, welche in Wien noch nicht gegeben wurde. Auf diese Weise soll die Volksoper dem großen Meister ihre Huldigung zum 85. Geburtstage darbringen. Volle Anerkennung muß auch der Erziehungsarbeit der Volksoper gezollt werden, durch welche Chor und Orchester in kurzer Frist und unter schwierigsten Verhältnissen zu erfreulichen Leistungen geführt wurden.

Durch die vorstehende Darlegung hoffen wir, einen Einblick in unsere Arbeit und ihre Schwierigkeiten gegeben zu haben. Wir glauben, daß alle jene, welche unsere Arbeit sachlich beurteilen, ihr die Anerkennung nicht werden versagen können. In unserem Streben bestärken uns auch die Stimmen aus dem Ausland. Nachdem er von Wien nach Amerika zurückgekehrt war, schrieb uns Brun.0 Walter: „Nehmen Sie meine wärmsten Wünsche für den vollen Erfolg Ihrer nach so hohen Zielen gerichteten idealistischen Bemühungen.“

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