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SALZBURGER FESTSPIELE 1960

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Der festliche Tag des 26. Juli begann mit einer Kranzniederlegung vor dem Mozart-Denkmal und einem Dankgottesdienst im Dom, bei dem Mozarts Krönungsmesse aufgeführt wurde. Gleichzeitig fand auch in der evangelischen Christuskirche ein Dankgottesdienst statt. Beim anschließenden Staatsakt der Bundesregierung im neuen Festspielhaus sprachen vor 2000 geladenen Gästen die Bundesminister Dr. Bock und Dr. Drimmel, Landeshauptmann Dr. Klaus und der Herr Bundespräsident. Einige Gedanken aus den Festreden: Die Pflege der Kunst ist eine der Hauptaufgaben Österreichs im europäischen Konzert der Völker, gewissermaßen seine „Staatsräson“; ein Unternehmen wie dieses wird zur „res publica“ — im positiven und im kritischen Sinn: das haben die Planer, und Ausführenden des neuen Festspielhauses deutlich zu spüren bekommen; mit diesem großen Werk der Baukunst und der Technik ist das unter der Schirmherrschaft von Doktor Franz Rehrl begonnene Werk vollendet, und Salzburg besitzt einen Festspielbezirk, wie man ihn an keinem anderen Ort der Welt findet. Die Sage berichtet, daß sich Apollo, der Gott der Musen, als in seiner Heimat Unruhe und Ausschweifung herrschten, ins Land der Hyperboreer zurückgezogen habe; dürfen wir vielleicht glauben, daß ein Strahl des Gottes auch diese Stadt und dieses unser Land getroffen und in mediterranes Licht getaucht hat? Der Sinn der Kunst, deren Wirkung von hier ausstrahlen wird, ist die Verkündigung „Gloria Deo et in Terra Pax“. Schließlich die Mahnung: Denken wir in unserer berechtigten Festfreude auch daran, daß die holde Fee, die so vielen unserer Mitbürger das Geschenk des Wirtschaftswunders brachte, noch keineswegs an alle Türen in Stadt und Land gepocht hat!

Zur Ehrung des 88jährigen Präsidenten Baron P u t h o n, der 34 Jahre lang die Salzburger Festspiele betreut hat, erhob sich die Festversammlung, worauf der neue Präsident, Hofrat Dr. Bernhard Paumgartner, in sein Amt eingeführt würde. — Die Bundeshymne hatte den Festakt eingeleitet, mit dem „Gloria“ aus Mozarts c-moll-Messe unter der Leitung Herbert von K a r a j a n s schloß sie. (Ausführende waren die Wiener Philharmoniker, der Staatjopernchor und die Solisten Christa Ludwig, Leont'ine Price und Waldemar Kmentt.)

Bereits bei den ersten Klängen, die das neue Festspielhaus erfüllten, konnte man mit Freude feststellen, daß dem Architekten und den ihn beratenden AkusflfeeÄ retwas ganz^Wizüg^cherngelängSHOis/-}, Die Stimmen der Iristrumente, des Chores, und der Solisten erreichen die Reihen deä steil ansteigenden Zuschauerraumes mit aller wünschenswerten Intensität und vollkommener Natürlichkeit.

Weitere Qualitäten zeigte das neue Haus am eigentlichen Premieren abend, beidem, gleichfalls unter K a r a j a n s Leitung, der „Rose n-k a v a 1 i e r“ von Hofmannsthal und Strauss gegeben wurde. Die Sicht auf die Bühne ist von allen Plätzen ausgezeichnet, und die relative Nähe zur Bühne (die Maximalentfernung beträgt 28 Meter bei einer Breite des Zuschauerraumes von 3 5 Metern) schafft — was man bei diesem. Riesenraum kaum für möglich gehalten hätte — sogar die Illusion einer gewissen Intimität, die durch die warmen Farben (Rot, Braun, Blau und Violett) noch verstärkt wird.

In diesen Rahmen, dessen genauere Beschreibung unsere Leser in der dem neuen Festspielhaus gewidmeten Sonderbeilage der „Furche“ vom 23. Juli finden, hat der Münchner Regisseur und Strauss-Spezialist Rudolf Hart mann die drei Akte des „Rosenkavaliers“ hineinkomponiert, für den Teo Otto zwei Bühnenbilder von besonders nobler Schönheit schuf, während das dritte, das Wiener Vorstadtbeisel darstellend, weniger gut gelungen ist. Ernüchternd wirkte der freie Raum, den man ohne ersichtliche Notwendigkeit links und rechts zwischen Bühne und Bühnenausschnitt (den man ja bekanntlich durch verschiebbare Lamellen bis auf 19 Meter verengen kann!) gelassen hat. Schon durch die Farben (warmes, prunkvolles Gold im ersten und kühlere, glasige Töne im zweiten Bild) unterschied sich der Salon der Feldmarschallin Fürstin Werdenberg vom Stadtpalais des neureichen Herrn von Faninal.

Ein Fauxpas passierte dem sonst immer geschmackvollen und erfahrenen Regisseur mit der ersten Szene — und es war anscheinend niemand da, der ihn ante festum darauf aufmerksam gemacht hätte, daß man ein neues Haus nicht mit einer Bettszene einzuweihen pflegt. — Von auffallender Schönheit, Eleganz und Kostbarkeit waren die Kostüme Erni Knieperts, in jeder Hinsicht festlich die Besetzung, obwohl Lisa Deila Casa als Feldmarschallin zu jugendlich-kapriziös wirkte und Erich Kunz dem Herrn von Faninal wenig zutreffende buffoneske Züge verlieh. Otto Edelmanns Gestaltung des Ochs erwies sich gegenüber früheren Aufführungen als gereift und moderiert. Am Gesang der genannten Akteure war hingegen nicht das geringste auszusetzen. Der Stern dieser Aufführung aber war ohne Zweifel Sena J u r i n a c, ebenso anmutig-natürlich als Rosenkavalier wie als Mariandl, in das sie sich im 1. und 3. Akt zurückzuverwandeln hat. Ihr folgten dicht auf dem Fuß Hilde G ü d e n als Sophie und Hilde Rössel-Majdan als Aniiina, ferner Renato Ercolani als Valzacchi und Giuseppe Zam-pieri in der wichtigen Miniaturrolle des „Sängers“.

Herbert von K a r a j a n hat mit den Wiener Philharmonikern die Strauss'sche Partitur mit einer Klangkultur und Differenziertheit musiziert, die man schlechtweg als vollkommen bezeichnen kann, auch wenn an einigen Stellen die Raffinesse ein wenig auf Kosten des Atmosphärischen ging. Bemerkenswert war auch das durchweg flotte und konversatiohelle Tempo, das er nahm. Im ganzen: eine Glanzleistung von Sing- und Spielkultur, die einen lebhafteren Beifall verdient hätte, als sie das Festspielpublikum spendete.

Dieses war international und „glanzvoll“, so mondän, wie man es in Salzburg noch nie, ja vielleicht nicht einmal beim Wiener Opernfest im Jahre 1955 gesehen hat. Es bot vor Beginn der Aufführung in den Gängen und Foyers ein Schauspiel für sich, in dessen Mittelpunkt, neben der staatlichen und politischen Prominenz, der Sohn und die Tochter Hugo von Hofmannsthals, Helene Thimig, Oskar Kokoschka, das Ehepaar Curd Jürgens, Ruth Leu-werik und andere standen. — Das weltweite Interesse und die Attraktion der Jubiläumsfestwochen bezeugen 400 Berichterstatter, die zur Eröffnung nach Salzburg gekommen waren; insgesamt sind rund 700 Journalisten für die heurigen Festspiele angemeldet.

Am zweiten Abend der Festspiele gab's im Salzburger Landestheater eine hochamüsante, originelle und ein wenig preziöse Neuinszenierung von „C o s i fan tutte“, für die Günther Rennert verantwortlich zeichnet. Der Meisterdirigent dieser Aufführung war Dr. Karl Böhm, dessen besondere Qualitäten gerade bei der Interpretation des genannten Werkes vor kurzem an dieser Stelle anläßlich des Wiesbadener Opernfestes gewürdigt wurden. Die „alte“ Schuh-Inszenierung war, trotz ihrer „symmetrischen“ Anlage, freier, improvisatorischer, vielleicht mozartischer. Das jetzt gezeigte Spiel ist pointierter und disziplinierter. Das Charakteristische der Rennertschen Neuinszenierung ist ferner die Aufgliederung der Handlung in eine Fülle von Sketches und die radikale Beseitigung der „Einheit des Orts“, die bei diesem heiteren\ Spiel bisher meist beobachtet wurde. Die Schauplätze wechseln oft szenenweise, und Rennert hat hierbei wirklichen Erfindungsreichtum bewiesen, wobei ihm, mit einer Reihe duftiq-andeutender, zuweilen pariserisch anmutender Bühnenbilder und Kostüme, Leni Bauer-E c s y assistierte. Von den sechs Sängerschau ielern müssen alle in einer Reihe genannt werden: Elisabeth Schwarzkopf, Christa Ludwig, Graziella Sciutti. Waldemar Kmentt, Hermann Prey und Carl D ö n c h. An Glanz. Feinheit und Wirkung stand diese Aufführung gleichwertig neben der Festpremiere des „Rosenkavaliers“.

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