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Salzburg auf neuen Wegen

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In Salzburg Theater zu spielen, gar Opern aufzuführen und Konzerte zu geben, ist weit heikler als anderswo. Nirgendwo mißt das Publikum und die Kritik an den Maßstäben von Festspielen so großen Formats wie in Salzburg. Das ist natürlich nicht gerecht. Besonders deshalb nicht, weil das Salzburger Theater- und Konzertleben auch finanziell sehr im Schatten der großen Ausgaben des Landes und der Stadt für die Festspiele steht.

Diesem echten Routinier folgte in Doktor Helmut M a t i a s e k fast sein Gegentyp: mit dreißig Jahren der jüngste Intendant weit und breit, intellektuell profiliert, kunstbesessen und wagemutig, liebenswürdig von Natur und darum schmiegsam, aber betont in seinen Grundsätzen. Sein Theater will einen Salzburger Stil suchen und ergänzende Einheit mit den Festspielen sein. Ein klares Ziel!

Schon die Stückwahl seine Beginns war ein Programm: Moliere-Hofmanns-thals „Bürger als Edelmann“. In keinem anderen Stück kann ein neues Ensemble besser vorgestellt werden. Doktor M a t i a s e k, als Regisseur mit Recht bekannt geworden, leitete das Spiel. Er entwickelte die Linie Hofmannsthals noch weiter, und so blieb vom Moliereschen Wortesprit fast nichts und es würde daraus eine bunte Commedia dell'arte. Dirk Dantzenberg als lourdain bot eine an sich große schauspielerische Leistung; aber die Sprachgestalt tilgte den letzten Rest französischen Wortstils. Mit den vielen anderen Schauspielern des Stücks ging es nicht anders. Der italienische Commedia-Stil geriet deutlich in Konflikt mit der Musik Richard S t r a u s s', die eben doch zum klassischen Rokoko hin tendiert und nicht umgedeutet werden kann. Dem Kapellmeister Bernhard Klee fehlte leider der Esprit für diese Musik. Das Bühnenbild und die Kostüme Erich Kondraks sind wegen dieses Stilzwanges allzu grotesk und burlesk geraten. Aber der eine Beweis gelang: dieses Stück gehört nach Salzburg, wenn man auch nach dem Salzburger Stil erst auf der Suche ist.

Noel Cowards „Geisterkomö-d i e“, die zweite Premiere, bewies, daß Salzburg ein sehr gutes Gesellschaftsstück und auch seine Schauspieler dafür haben dürfte. Die Inszene Jörg B u 111 e r s war so geschickt, daß sie unauffällig und sicher war. Die Kostüme Lucia G i e b i s c h s fielen durch charakterisierende Ironie auf. Bis in die kleineren Rollen hinein wurde vollgültig gespielt und gesprochen.

Daß Dr. Matiasek noch kein Opernensemble ausgewogener Stimmwerte schaffen konnte — was nicht verwunderlich ist —, das zeigte die erste Opernpremiere dieser Spielzeit: „Hoffmanns Erzählungen“ von Offenbach. Die Inszenierung durch Reinhard M i e k e öffnete den Blick in das Düster-Hintergründige der Seelen. Das Bühnenbild Kondraks war karg. Aber die Musik war faustisch befeuert und wühlte und lockte unter Mladen BaSif Hand. Die sichere Führung der Chöre in Gesang und Regie fiel auf. Von den Sängern läßt Helga Jung als Olympia manches erwarten, und Karin Hurdström als Antonia überzeugte durch die schöne Größe ihrer Stimme. Paul Huddieston als Hoffmann zeigte einen kultivierten Tenor; nur schauspielerisch und mimisch fehlt es noch von Grund auf. Daß Kunikazu Ohashis Stimme alles überstrahlt, verwundert bei diesem großen Sänger nicht.

Der Versuch Dr. Matiaseks, kein eigenes Operettenensemble aufzubauen, sondern Oper und Operette mit Opernkräften zu bespielen, wird erst dann bewiesen — oder widerlegt sein, wenn Tenor und Diva richtig besetzt sind. Dies ist wohl der erste Eindruck nach dem „Zigeunerbaron“ von Johann Strauß. Vor allem dem Tenor fehlt dazu allzusehr die Stimme. Die kühne Besetzung des Zsupän mit einem Opernbariton (Robert Granzer) erwies die musikalische Potenz dieser Partie und den feinen Humor des Sängers. Der stellvertretende Opernchef, Karl Heinz Brand, debütierte mit dieser Operette, und es muß gesagt werden: Schon in der Ouvertüre und immer wieder begann man Musik zu hören und nicht bloß die Operette zu sehen. Auch das Bühnenbild Wölfgang Voll-h a r d s vermied den üblichen Operettentalmi.

Den ersten Spielmonat des Theaters rundete ein Drama von heute, Max Frisch' „Andorr a“, ab. Es ist ein außerordentliches, ein hartes Stück. Die Realitäten der Schlußszenen machen es nur schwer, das Judenproblem nur als Modellfall der Idee zu sehen, was aber die Tendenz des Dramas sein will. Die Salzburger Aufführung steht wohl kaum anderen Aufführungen nach. (Das Theaterdeutsch hat man ja auch anderswo schon verlernt.) Es hieße beinahe, den Programmzettel wiedergeben, wollte man die schauspielerischen Leistungen würdigen. Dennoch waren die großen Rollen (Andri: Peter Kollek; Barblin: Jovita Dermota: Lehrer: Ludwig Hillinger) auch überdurchschnittlich besetzt. Es ist auch bereits Ensemblegeist und Ganzheit des Spiels zu verspüren, an dem die Regie lörg B u 11-jer's ihr besondere*Atetdienst hat.

Die Ansätze und das Sichtbare des neu aufgebauten Spielplans und Ensembles des Landestheaters unter Dr. Matiasek erwek-ken Spannung der Erwartung und Interesse im Zutrauen. Dagegen lief die Konzertsaison in Salzburg heuer mehr als zäh an. Der Geldmangel der Internationalen Stiftung macht sich beschämend fühlbar. Nur die Ringkonzerte begannen ihren wertvollen umfassenden Bruckner-Zyklus, in dessen erstem Konzert Christoph Stepp das Pfalzorchester mit Wagners Holländer-Ouvertüre, Liszts 2. Klavierkonzert (mit Mihali Bacher aus Budapest) und Bruckners 1. Symphonie dirigierte.

Der bisherige Intendant des Landestheaters, Prof. Fritz Klingenbeck, ging seinen Weg nach Wien. Er hinterließ einen geordneten Haushalt, ein schön erneuertes Haus, einen vergrößerten Orchesterraum und einen hervorragenden Opernchef, in dessen Hand seit 1. September auch das Mozarteum-Orchester vereint ist. Klingenbeck versuchte in seinem Spielplan ein Theater für alle und alles aufzubauen; doch brachte er alljährlich auch besondere Aufführungen, vor allem Opern, und erlesene Gastspiele.

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