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Triumph der „Trionfi“

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„Es gibt große Dinge in dieser neuen Partitur“, schrieb unmittelbar nach der Uraufführung des „Martyre de Saint-Sebastien“ im Theätre du Chätelet im Mai 1911 ein Pariser Musikkritiker. „Es gibt vor allem einen ganz neuen, einzigartig starken Debussy, der fest entschlossen ist, nicht mehr seine Nachahmer nachzuahmen. Werden sie es ihm verzeihen?“ Nicht alle haben ihm dies Werk verziehen. Man bezeichnete es als ein fremdes Kleid, das der Komponist für eine besondere Gelegenheit angelegt habe, als eine Parenthese im Gesamtwerk. In der

Tat: Diese Musik ist größer, mächtiger und kräftiger als das meiste, das wir von Debussy kennen, und sie zeigt eine Zartheit und Entrücktheit, die wirkliche Ergriffenheit ausdrücken. Daß diese durch den parfümierten und überhitzten Fin-de-siecle-Text d'Annunzios ausgelöst werden konnte, bezeugt die anima Candida des Komponisten. Unter der Leitung von Jean Martinon erklangen irdische und himmlische Stimmen, einzeln und in Chören, spielten die Wiener Symphoniker und deklamierte Raoul Aslan mit eindringlichbebender Stimme die Heiligenlegende in dieser recht unheiligen Fassung. Fred Liewehr sprach die verbindenden Worte.

Die konzertante Aufführung der „Frau ohne Schatten“ sollte wohl den Richard-Strauß-Zyklus der Wiener Staatsoper ergänzen. Auch noch das etwa zweistündige Fragment zeigt den großen Wurf, der uns in dieser neuen „Zauberflöte“ das bedeutendste Werk erkennen läßt, das aus der Zusammenarbeit zwischen Hofmannsthal und Richard Strauß entstand. Freilich kann gerade dieses große magische Zauberstück mit seinen elf Schauplätzen die Bühne nicht entbehren. Kaiser und Kaiserin, Barak, sein Weib und die dämonische Amme waren mit Set Svanholm und Eleanor Steber, Karl Kamann, Christi Goltz und Elisabeth Höngen vorzüglich besetzt, besonders der amerikanische Gast ließ durch seine impetuose Art aufhorchen und fesselte die Aufmerksamkeit mit jeder Phrase. Trefflich Formuliertes und Ueber-dimensioniertes, Zauberhaftes und Banales stehen in dieser Partitur noch dichter beisammen, als in anderen Strauß-Werken. Karl Böhm und die Phil-

harmoniker versuchten mit bestrickenden Mitteln die fehlende Bühne vergessen zu machen.

Den Abschluß des Musikfestes bildeten Carl Orffs dreiteilige „Trionfi“. Die Teile I und II, „Carmina Burana“ und „Catulli Carmina“, waren uns bereits bekannt (leider hörte man die letzteren wieder nur ohne die Rahmenhandlung und ohne Instrumentalbegleitung). Ueber den „Trionfo di Afrodite“ wurde anläßlich der Premiere in der Mailänder Scala an dieser Stelle ausführlich berichtet. So können wir uns darauf beschränken, den Gesamteindruck wiederzugeben. Auch die konzertante Fassung vermittelt ein musikalisches Elementarereignis, das vielleicht nur jenem von 1913 („Sacre du Printemps“) verglichen werden kann. Die Anwesenheit des Komponisten verlieh der Aufführung unter Heinrich Hollreiser vollends den Charakter des Festlichen. Ein Riesenensemble, bestehend aus der Singakademie, dem Kammerchor, den Wiener Symphonikern (verstärkt durch drei Klaviere und eine etwa zehnköpfige Schlagwerkergruppe) sowie zahlreichen Solisten wurde in imponierender Weise durch den Dirigenten zusammengehalten und sicher über alle rhythmischen Klippen und schwierigen Einsätze geleitet. Der Beifall entsprach dem Titel: Es war ein großer Triumph Carl Orffs in Wien.

Kaum ein größerer Gegensatz ist denkbar, als zwischen diesem großen klassisch-bayrischen Welttheater und der Spiritualität der „C a n t a t a“ für Sopran, Tenor, Frauenchor und fünf Instru-mente von Strawinsky aus dem Jahr 1952 nach anonymen englischen Darstellungen des 15. und 16. Jahrhunderts, wie man sie ähnlich auch in der barocken geistlichen Liebeslyrik des deutschen Sprachraumes findet. Sie stehen nur durch die rituell-strenge Rondoform der „Messe“ nahe, zeigen aber in ihrer Tonsprache alle wesentlichen Merkmale der Partitur von „The Rake's Progreß“. In dieser ehrenvollen Nachbarschaft bestand

Gerhard Ruhms Vertonung des „Sonnengesangs des Heiligen Franziskus“ für einstimmigen Chor und kleines Begleitensemble nicht unrühmlich die Bewährungsprobe. — Eine Sonate für vier Hörner von H i n d e-m i t h ist vor allem in den Ecksätzen sehr gelungen, während die sechs Lieder nach französischen Gedichten Rilkes nicht nur in den Texten einen französisierenden Hindemith erkennen lassen.

Die in einem Kammerkonzert unter Felix Prohaska gespielten Werke jüngerer österreichischer Komponisten können in diesem Zusammenhang nur genannt werden. Eine Musik für 15 Streicher von Paul Angerer zeigt eigenes Profil, das Duo für Blockflöte und Bratsche eine gelockerte Handschrift und feine klangliche Harmonisierung der beiden Instrumente. Die gestisch empfundene Ballettsuite „Amores Pastorales“ von Paul K o n t dürfte ihren Zweck gut erfüllen, Karl Schiskes II. Konzert für Streichorchester (eine Orchesterfassung seines 2. Streichquartetts) hält nicht ganz, was der erste Satz verspricht — ein Eindruck, der vielleicht auch auf die ungenügende Vorbereitung zurückzuführen ist. Alexander Spitzmüllers Concert pour deux pianos zeigt den bekannten Misch-Stil des Komponisten bei plastischer Formung der einzelnen Sätze. — Ueber einige Konzerte des Musikvereins und „am Rande“ der Festwochen werden wir noch berichten.

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