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Jeanne d'Arc / Schmidt-Symphonie

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Arthur Honeggers dramatisches Oratorium „Johanna auf dem Scheiterhaufen“ nach der Dichtung Paul C1 a u d e 1 s (deutsche Fassung von Hans Reinhart) haben wir in Wien als eines der großen Werke neuer Musik bald nach dem Krieg gehört: zunächst konzertant im Konzerthaus, dann szenisch im Theater an der Wien. Jede Wiederbegegnung mit diesem merkwürdigen „synthetischen“, überaus wirksamen Opus ist interessant. Im Großen Saal des Musikvereins fand, mit neuen Solisten und Ensembles, eine sehr eindrucksvolle Aufführung statt. Unter der Leitung Günther Theurings (Sprechregie: Walter Davy) sangen der Wiener Jeunesse-Chor und die Wiener Sängerknaben und spielte das Tonkünstler-Orchester. Auch unter den Solisten gab es viele jünger Kräfte, so die Sängerinnen, denen die Partien der heiligen Jungfrau, der heiligen Margarete und Katharina anvertraut waren (Aida Poj, Irmgard Stadler und Mihoko Aoyama), ferner Georg Filser, Walter Benn und Murray Dickie sowi einige andere in kleineren Rollen. Die Jeanne sprach eindringlich und dramatisch Inge Brücklmeier, in Wesen und Erscheinung für die Rolle bestens geeignet. Als Bruder Dominique trat P. Diego Hanns G o e t z OP. auf, und wer vielleicht vor der Aufführung Zweifel am Gelingen dieses „heiligen Experiments“ gehegt haben mag, der wurde durch die praktische Ausführung im positiven Sinn überzeugt. Die Anwesenheit eines Geistlichen im Ordensgewand, eben Pater Diegos, der die Worte des Pere Dominique (sitzend) ganz einfach und daher um so eindringlicher sprach, verlieh dieser Aufführung einen besonderen Ernst, ja fast eine Weihe, wie sie keine vorher hatte. Neben der künstlerischen Leitung (des Dirigenten) empfand man sehr stark auch die geistig-geistliche Autorität. Das war ebenso im Sinne Claudels und Honeggers wie der weltlichlebhafte Applaus, der die Solisten (unter die sich Pater Diego selbstverständlich nicht einreihte) immer wieder auf das Podium rief. Was dem Chor und dem Orchester an Brillanz und Schlagkraft mangelte, wurde wenigstens zum Teil durch den Eifer und den Enthusiasmus der vielen jungen Mitwirkenden kompensiert.

Im Großen Konzerthaussaal spielten die Wiener Symphoniker unter Hans Swarowsky. Die Fünf Orchesterstücke Arnold Schönbergs aus dem Jahre 1909, ursprünglich für ein Riesenensemble geschrieben, vierzig Jahre später für ein normales Orchester umgesetzt, tragen hinweisende Titel: Vorgefühle, Vergangenes, Farben, Peripetie und Das obligate Rezitativ. Die dichte motivische Arbeit, die völlig neuartigen Klangfarber und der pralle musikalische Gehalt, nicht zuletzt die wirkungsvolle Kontrastierung der einzelnen Sätze verleihen diesem Opus 16 den Rang eines Meisterwerkes. — Hierauf sang Sena J u r i n a c zwei Konzertarien und die für Aloysia Lange geschriebene A r i e 11 e „Nehmt meinen Dank“ von Mozart. Dem weichen, ausdrucksvollen Organ der Sängerin lag das letzte Stück mehr, als der kühle, virtuose Glanz der Bravourarien. Nach der Pause: Franz Schmidts Opus magnum: die Vierte Symphonie, deren Qualitäten an dieser Stelle wiederholt gewürdigt wurden. Hans Swarowsky und das Orchester der Symphoniker haben diese drei stilistisch so verschiedenartigen Werke mit großer Einfühlung und makelloser Technik wiedergegeben. Ein Programm, wie man es sich nur wünschen kann — und eine Ausführung, die nicht besser hätte sein können. Viel Beifall, besonders für die Solisten.

Im Mozartsaal konzertierte das 1945 gegründete Quartetto Ita-1 i a n o. das unter dem Namen „Nucwo Qunrtettn Itulrann“ schon einmal in Wien gastiert hat. Wir hörten den zweiten Abend mit Werken von H a y d n (D-Dur, op. 64/3), Webern (op. 28), S c h o s t a-k o w i t s c h (7. Streichquartett) und Beethoven (f-Moll, op 95). Dieses hochqualifizierte Ensemble von Virtuosen ist trotzdem kein Virtuosenquartett. In den häufig als „spröde“ empfundenen drei Sätzen Weberns zeigte es seine höchste Qualität: in der Sicherheit,Musikalität und Intelligenz einer Wiedergabe, die das Komplizierteste plötzlich ganz einfach und selbstverständlich erscheinen ließ. Der Beifall war so stark und anhaltend, daß die sympathischen Künstler nach dem offiziellen Programm ein mehr als halbstündiges Zugabenkonzert veranstalten konnten.

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