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Der glorreiche Augenblick und Dalibor

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Nicht mit der „Eroica“ oder mit „Fidelio“, sondern mit der „Schlacht bei Vittoria“, dem Chor „Germania, Germania“ in dem Singspiel „Die gute Nachricht“ und mit der Kantate „Der glorreiche Augenblick“ erlebte Beethoven zu seinen Lebzeiten die größten Triumphe. „Die Jubelausbrüche überstiegen alles, was man bis dahin im Konzertsaale erlebt haben wollte“, schrieb Schindler nach der Akademie vom 29. November 1814 im großen Redoutensaal, bei der alles versammelt war, was in Europa Glanz und Namen besaß. Angeblich ist seither in Wien dieses Repräsentationswerk, das an einigen Stellen den Jubel und Enthusiasmus der 9. Symphonie anklingen läßt, nicht mehr aufgeführt worden. Wir hörten es in einem Festkonzert anläßlich des Geburtstages des Bundespräsidenten im Großen Musikvereinssaal unter Rudolf M o r a 11 mit Therese Stich-Randall, H. Rössel-Majdan, Anton Dermota und Paul Schöffler; Staatsopernchor, Sängerknaben und Symphoniker bildeten ein zu äußerer Prunkentfaltung geeignetes Ensemble, das den Hörer durch „physiologische Summierung der Reize“ zu beeindrucken vermochte. Freilich, die „Aktualisierung“ des Textes von Weißenbach durch Hermann Scherchen erscheint mißlich, ja für Wien geradezu wie ein Schildbürgerstreich, da der Bearbeiter nicht nur alle — heute wieder recht aktuellen — Zeitbezüge, sondern auch den Namen „Vien-na“ für „Frieden“ getilgt hat. (Sollte man auf die Idee kommen, das Werk etwa anläßlich einer Viererkonferenz unseren Gästen vorzuführen, so wäre wohl auf die ursprüngliche Textfassung zurückzugreifen. Man wird sich wundern, wie aktuell da manches istl)

Im gleichen Jahr, als im Prager Interimstheater die zweiaktige „Prodana nevesta“ ohne besonderen Erfolg uraufgeführt wurde, begann Friedrich S m e t a-n a eine neue Oper um den böhmischen Raubritter und Landfriedensbrecher Dalibor Kozojed, der in der Version Josef Wenzigs freilich als romantisch-idea-lisierter Nationalheros voller Ritterlichkeit und Liebe zur Musik erscheint. Nach einer Gerichtsszene ä la Lohengrin verliebt sich in ihn die Schwester des erschlagenen Feindes, die den Geliebten, als Helferin des Kerkermeisters verkleidet, retten will, wie Leo-nore ihren Florestan. Wir hörten und sahen Smeta-nas Oper „D a 1 i b o r“, die voller schöner und origineller Musik ist, in einer Aufführung durch die operndramatische Klasse von Prof. Hans D u h a n. Unter seiner Leitung spielte das Tonkünstlerorchester und sangen einige sehr talentierte mehr stimmlich als schauspielerisch bete Akademieschüler, von denen wenigstens H. Birkeland. L. Stickl/r, T. Agno-stopulos, B. Wenzel und L. Kierce genannt seien. — Die Inszenierung eines historischen Ritterstückes im kleinen Rahmen streift fast immer die Parodie. Damit muß man rechnen. Aber die Gesten der Hauptdarsteller könnten weniger konventionell sein. Schließlich sind die jungen ■ Leute ja noch nicht durch Routine und Schlendrian verdorben!

Enrico M a i n a r d i kann nach seinem letzten Konzert das Ehrenbürgerrecht auf dem Konzertpodium eingeräumt werden. Unter Mainardis Leitung erreicht das Kammerorchester sein Maximum an Klarheit und Ausdruck. Die erstere kam der Interpretation einer reizenden kleinen Sinfonie in e-moll “von Scarlatti sehr zustatten. Elegischer Ausdruck und schöner Streicherton konnten die in Dreiklängen schwelgenden „Metamorphosen“ von Richard Strauss freilich nicht kurzweiliger gestalten. Schubert erweist sich in seiner D-Dur-Symphonie Nr. 3 — wie auch in anderen Werken — immer dann als hoch-originell, wenn er das klassische Schema aufgibt und ganz frei musiziert. Die letzten drei Sätze dieser Symphonie sind geniale Genrestücke und wurden von Mainardi auch als solche dargeboten. Willy. Boskowsky spielte den Solopart von J. S. Bachs Violinkonzert a-moll mit der Routine des Orchestermusikers und mit der Tonschönheit des Solisten.

Das von den Wiener Symphonikern ausgeführte Konzert mit Werken von Raimund W e i s-sensteiner fügte dem bekannten und an dieser Stelle mehrmals nachgezeichneten Bild des Komponisten keine neuen Züge hinzu. Von älteren Werken hörten wir: die 5. Symphonie und die Choralvariationen über die Ostersequenz. Merkwürdig, wodurch bei den Hörern und Kommentatoren dieser Symphonie der Eindruck des „gigantischen“ entsteht! (Die einzelnen Sätze haben die durchaus normale Länge von 13, 8, 13 und 11 Minuten.) Stilistisch ist sie weniger einheitlich als ihre jüngeren Schwestern. Hier steht Mahlerisches neben Bruckneranklängen, Smetana-Figuren neben Puccini-Kanti-lenen, Kirchentonales neben Impressionistischem. Trotzdem wirkt Weissensteiners Musik nie epigonal. Das Scherzo hat den Charme der Sprödigkeit. — % Mit der Konzertsuite für Streichorchester und Altsaxophon (Hans Kremsberger) aus letzter Zeit konnte sich der Referent beim ersten Hören nicht anfreunden. Sie ist klanglich und thematisch wenig kontrastreich; der 4. Satz, eine schwierige Prestissimo-Etude, litt unter einem keineswegs virtuosen Vortrag. — Dagegen bestätigten die Choralvariationen durchaus den positiven Eindruck, den man seinerzeit bei ihrer Uraufführung empfing.

Zwei Veranstaltungen unter der Leitung von Professor Karl Böhm, die während der Abwesenheit des Referenten in der Osterwoche stattfanden, seien wenigstens vermerkt: eine Aufführung von Mozarts „Hochzeit des Figaro“ im Redoutensaal in Glanzbesetzung (Schöffler, Kunz, Seefried, Rößel-Majdan, Jurinac) und der IX. Symphonie von Beethoven im Nicolai-Konzert der Philharmoniker mit Sena Jurinac, Hilde Rößel-Majdan, Anton Dermota und Gottlieb Frick als Solisten.

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