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GroB Dirigenten: Klecki und Knappertsbusch

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Als vor genau einem Jahre der aus Polen stammende, in Westeuropa und den USA als Wanderdirigent tätige Paul Klecki sein erstes Konzert in Wien gab, machte er den besten Eindruck. Er erschien uns als ein Künstler von nobler Akkuratesse, der, ohne Dämonie und Zwang, das Orchester mit Freundlichkeit zu führen versteht und damit bedeutende Wirkungen erzielt. Aber erst die beiden letzten Konzerte ließen das Format Kleckis voll erkennen. Die IX. Symphonie von Beethoven mit den Symphonikern, dem Singverein und dem Solistenquartett Martinis, Wagner, Dermota, Edelmann, geriet ihm in klassischer Vollendung. Kleckis ist im allgemeinen ein Mann des Maßes und der Mitte; extreme dynamische Wirkungen meidet er ebenso wie eigenwillige Tempi. So kam es, daß der letzte Satz nicht ganz jenen „Jünthußiasmus“ — worunter man im vergangenen Jahrhundert nicht ganz dasselbe verstand wie heute — ausdrückte, wie er Beethoven beseelt haben mag.

Der erste Teil im letzten Konzert des Zyklus „Die große Symphonie“ gestaltete sich zu einer nachträglichen würdigen Gedenkfeier für Richard Strauß. Mit starkem Ausdruck und ungewöhnlicher Intensität spielten die Symphoniker ur*r Kleckis Leitung „Tod und Verklärung“; dann folgten die Vier letzten Lieder für Sopran und Orchester. (Sie wurden an dieser Stelle vor kurzem, anläßlich ihrer Wiener Erstaufführung, besprochen.) Elisabeth Schwarzkopf war die ideale Interpretin. Schönheit und Glanz der Stimme, edler Ausdruck und Erscheinungsbild ergaben eine Harmonie, die dem alten Zaubermeister, der M viel Pruttgtltn Bit dea prunkvollen Mantel seiner Musik geschmückt hat, sicher Freude bereitet hätte. Elisabeth Sdiwarzkopf war auch die Solistin im letzten Satz der IV. Symphonie von Mahler, und man glaubt es ihr aufs Wort, wenn sie In der letzten Strophe des einfältig-anmutigen Volksliedes singt: .Keine Musik ist ja nicht •uf Erden, die unsrer verglichen kann werden!“ Die stärkste Wirkung geht in dieser Symphonie doch immer wieder vom dritten — langsamen — Satz aus, der ruuevoll wie ein Adagio von Beethoven beginnt und auf seinem Höhepunkt in bewegte Tristanklagen ausbricht. Klecki scheint mit ganzem Herzen bei diesem Werk zu sein und erzielte klangliche und agogische Differenzierungen feinster Art. Die Gefahrenzonen dieser Symphonie wurden so selbstverständlich und elegant .überspielt*, daß sie kaum zum Bewußtsein kamen. Erfreulich war es, zu sehen, daß nicht nur das Publikum, sondern auch das Orchester bei bester Laune war.

Hans Khappertsbusch, nach langer Zeit wieder einmal in Wien, leitete das 7. Abbon-nementkonzert der Philharmoniker. Die vollkommene Sicherheit und das untrügliche Wissen um jene Stellen, wo das Eingreifen des Dirigenten notwendig ist — während auf ganze Strecken das Orchester ziemlich selbständig musizieren darf —: dies bildet, neben einer Reihe wohlbekannter künstlerischer Qualitäten, den ästhetischen Reiz eines Gastspiels von Hans Knappertsbusch. Hauptwerk des Konzerts war die III. Symphonie von Anton Bruckner, eine Aufführung aus einem Guß, ohne Übertreibungen und leere Stellen. Den ersten Teil bildeten Franz Schmidts .Variationen über ein Husarenlied“ und Hans Pfitzners erstes veröffentlichtes Orchesterwerk: ein Scherzo in c-moll, Pfitz-ner pflegte sich in seinen Streitschriften mit Nachdruck auf seine Inspiration zu berufen. Dieses Stück mit seinem unprofilierten Aller-welts6til, ohne Intensität und Temperament — ein Scherzo für Phlegmatiker — demonstriert im Gegenteil den steilen und mühevollen Weg Pfitzners, der — in dieser Beziehung an Richard Wagner erinnernd — in den Niederungen des Epigonentums begann und mit

Flelfi, Ausdauer und Ehrgeis ein mittelmäßiges melodisches Talent zu imposanter Höhe führte.

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