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Orchesterparade beim Mozart-Fest

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Es war der Königsgedanke der Veranstalter, der

Gesellschaft der Musikfreunde, zum Internationalen Mozartfest einige der besten europäischen Orchesters einzuladen. So wird auf das sinnvollste nicht nur Mozart „international“ geehrt, sondern das Wiener Musikpublikum und die vielen Besucher der Festwochen erhalten die Möglichkeit, im Lauf von drei Wochen hervorragende Spitzenensembles aus West und Ost kennenzulernen.

Die Berliner Philharmoniker entsprechen genau der Vorstellung, die man sich von einem deutschert Meisterorchester macht. Nur übertreffen sie unter der Leitung Herbert von Kar aj ans diese Vorstellung noch um einige Grade, sowohl was Präzision und Feinheit, als auch was Kraft und Intensität des Ausdrucks betrifft. Mit Recht wird ihr Spiel mit dem einer Riesenorgel verglichen: die Streicher erreichen“ ein Maximum an' Exaktheit, die Holzbläser (zum Teil französische Instrumente) spielen ohne Ansatz, beim Blech (Hörner!) „passiert'' absolut nichts, und alle Gruppen verbinden sich zu einer vollkommenen Homogenität des Gesamtklanges. Als Höhepunkt der Konzerte vom 5. und 6. luni erschien uns, zwischen Mozarts Haffner-Symphonie und Beethovens Dritter, das „Vorspiel und Isoldens Liebestod“ aus “Wagners „Tristan“. Wir erinnern uns nicht, die große Steigerung des Tristan-Vorspiels ie mit solcher Spannung erlebt zu haben. Dirigent und Orchester wurden überaus lebhaft gefeiert. '

Im Rahmen der Wiener Festwochen dirigierte Massimo F r e c c i a im Großen Saal des Konzerthauses die Wiener Symphoniker. Auch sie ein Meisterorchester, das die Schwierigkeiten der in Europa erstaufgeführten 3. Symphonie von Ernst T o c h bewältigte und Schostakowitschs gehalt- und effektvolle 5. Symphonie eindrucksvoll und virtuos spielte. Das dreisätzige, knapp halbstündige Werk des in Amerika lebenden Wiener Komponisten ist offenbar eine Programmsymphonie (deren ..Programm“ uns aber leider vorenthalten wurde). Das Riesenorchester mit Orgel und Hammond-orgel, Glockenspiel. Holzblöcken, Vibraphon und einem zischenden Preßluftgebläse malt apokalyptische Zeitbilder im Stile des Höllenbreughel, des Hieronymus Bosch oder Kubins. Es spricht aufgeregt und eindringlich zu uns: aber liegt es am Hörer, wenn er diese Sprache nicht versteht, ihrer Aussage nicht immer zu folgen vermag, oder ist, was da ausgedrückt werden soll, nicht plastisch genug gestaltet? Nur mehrm.liges Hören könnte diese Frage beantworten. — Zwischen den beiden Symphonien spielte Yehudi Menü hin mit edlem Ton und Ausdruck Beethovens V i o 1 i n k o n z e r 11 Bote us einer anderen, fernen, heileren'Welt, die freilich nicht mehr ganz die unsere ist.

Die;W(ener Symphoniker und der Sing-verejrf.der Gesellschaft der Musikfreunde waren die Ausführenden einer wohlstudierten und eindrucksvollen'; konzertanten Aufführung von Glucks „Iphigenie aufiTauris“ im Großen Musik-vereinssaal. Die Musik Glucks der die Antike durch die Brille Winkelmann sah)- wirkt neben der Händeis oder Mozarts verhaltener und beherrschter; aber die Geschlossenheit und Vornehmheit ihrer Haltung wurde vielleicht von keinem Späteren mehr erreicht. .. Richard 'Strauß hat .das großartige- und edle, Werk', pietätvoller beacbe-itet,. als seinerzeit,den „Idomeneo“.. Trotzdem hätten wir für eine konzertante Aufführung die Originalfassung vorgezogen, auf die Joseph K e i 1 b e r t h an einigen Stellen zurückgriff. Er leitete .das .große Ensemble souverän und mit jenem Gefühl für dramatische Akzente, der das Konzertpodium zuweilen in eine Opernbühne, zu verwandeln vermochte. Die, Besetzung der Hauptpartien (Iphigenie: Hijde Zadek. Ore.st:, Hermann Prey. Pylades: Anton Dermota undToas: Marcel.Cordes) ließ, ebenso wie Chor und Orchester, keinen Wunsch offen. '. .... .. x

Ins Winterpalais des Prinzen Eugen hatten der Bundesminister für Finanzen eingeladen. Hier'konzertiefte das Meisterduo Wolfgang Schnei-d e r ha Ii und Carl S e e m a n n (Sonaten von Mozart). — Sie waren auch die Ausführenden eines Kammerkonzerts mit Sonaten von Mozart, Schubert und Brahms im Eroica-Saal des Palais L o b-k o wi t z. Zu dieser Nachmittagsvorstellung lud Baron Otto M a y r. Vizepräsident der Gesellschaft der Musikfreunde und Präsident der Beethovengesellschaft. • •,

..... Helmut A. E i e c h t n e r

Von den drei Violinkonzerten, die Nathan M i 1-s t e fn mit den Symphonikern im Konzerthaus spielte (Leitung Michael G i e 1 e n), stand das von Mendelssohn; (op. 64) . im , Mittelpunkt und wurde mit allem Glanz und Brio zum rauschenden Publikumserfolg. Dennoch glauben wir, den echtesten, persönlichsten und verinnerlichtesten Milstein im langsamen Satz des Brahmschen Konzertes (op 77) vernommen zu haben. Hier klang ein Ton auf, der ihm allein gehört. Wenn nämlich Yehudi Menuhin die Sonnenstrahlen in sein silbernes Geigenspiel einzu-fangen scheint und Wolfgang Schneiderhan das dunklere Wäldergrün der heimatlichen Landschaft in seinen Ton zaubert, so vermag der große und weite Bogenstrich Milsteins eine Wärme und Zärtlichkeit auszuströmen, die in ihrer Verhaltenheit gleichsam etwas Mütterliches an sich hat, das nur ein Großer aus Brahms, dem Männlichen, heraushören und herausspielen kann (während die Kleinen und Mittelmäßigen ünmer etwas hineinhören und hineinspielen. Neben solchem Erleben wirkt die Feststellung, daß alles Technische und Virtuose dem künstlerischen Gestalten dienstbar gemacht wird, als Selbstverständlichkeit. Das Konzert für Violine und Orchester a-moll von J. S. Bach war in seiner transparenten Durchsichtigkeit der formalen Wiedergabe mehr für Feinschmecker berechnet.

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