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Durch die Monsterproduktionen der Salzburger Festspiele, heuer vor allem durch den gewaltigen „Boris“, ist die Stimme des Genius loci übertönt worden. Nun erst, da sie in einem seiner anmutigsten Werke aufklingt, wird man wieder an die eigentliche Aufgabe, an die zentrale Idee unserer Festspiele erinnert: die bedeutendste Pflegestätte Mozartischer Kunst zu sein und dem Geist ihres Schöpfers durch beispielhafte Aufführungen zu huldigen.

Eine geglückte Huldigung dieser Art ist die Neuinszenierung der „Entführung aus dem Serail“ von Giorgio Strehler und unter der musikalischen Leitung von Zubin Mehla im Alten Festspielhaus.

Mozarts erste deutsche Oper von einem Italiener und einem Inder dargeboten. Das Ergebnis ist beglückend, es beweist, daß die Sprache des Genies die Sprache des Menschengeistes ist und von allen Nationen und Rassen verstanden wird. Der Bühnenrahmen gleicht einer kostbaren Schatulle, in deren dämmernder Tiefe traumhafte Märchenbilder aufleuchten und die Figuren der Handlung wie in einem Schattenspiel agieren. Man fühlt sich in eine irreale Welt versetzt, das Unwahrscheinliche wird selbstverständlich, .alle...Erdenschwer.e .ist aufgehoben, in kiridhafter. Heiterkeit erlöst sich die Welt. Strehler führt das Ensemble mit vollendeter Meisterschaft. ; Die Elemente der Commedia dell'arte spielen in einer leicht hingeworfenen Bewegungsfuge virtuos zusammen, die lyrischen und tragischen sind auf einen noblen Herzton gestimmt. Anneliese Rothenberger läßt durch das erlesene Timbre und die Kultur ihrer Stimme vergessen, daß die Konstanze noch nicht ganz zu ihrem Fach gehört. Ein herrlicher Bel-monte ist Fritz Wunderlich, man muß weit zurückgehen, will man auf einen Mozart-Sänger seines Ranges kommen. Als Blondchen setzt Reri Grist bezwingenden Humor, eine komödiantische Urbegabung und tänzerische Anmut ein. Hervorragend in Spiel und Gesang der Pedrlllo Gerhard Ungers. Der Osmin Fernando Corenas ist von liebenswürdigster Komik und darstellerisch nicht zu übertreffen; schade, daß seinem schönen Organ die Tiefe fehlt. Den Bassa Selim spricht Michael Heitau „langsam zum Mitschreiben“. Aber er hat echte Würde. Zubin Mehta zeigt sich mit den Wiener Philharmonikern im schönsten mozartischen Einverständnis. Luciano Damianis zarte und poetische Bühnenbilder entsprechen dem Inszenierungsstil Strehlers in idealer Weise. Die Mitwirkenden wurden vom Publikum begeistert gefeiert.

Weniger Freude konnte man mit der zweiten Mozart-Inszenierung — „Die Gärtnerin aus Liebe“ — haben. Das Gelegenheitswerk des achtzehnjährigen Mozart, von Bernhard Paumgartner mit kundiger Hand bearbeitet, läßt freilich schon die nahe Meisterschaft ahnen; aber das unklare, platte Textbuch von Calza-bigi, dem Textdichter Glucks, der dieses Opus übrigens später verleugnete, war einem Dauererfolg im Wege. Auch die deutsche Fassung erwies sich nicht als besser. Immerhin ist das kleine Werk für Studioaufführungen recht geeignet und beliebt, und einer solchen ähnelt denn auch Ernst Poettgens Neuinszenierung im Hof der Salzburger Residenz. Dagegen wäre nichts zu sagen, nur daß man dafür keine Festspielpreise verlangen darf. Der Regisseur versucht, auf den Wegen Rennerts zu wandeln, aber das gelingt nicht; was dabei herauskommt, ist nur krampfhafte Bemühung um Lacheffekte, die indes meist danebengeht. So ist das Ganze, trotz des hübschen Bühnenbildes und der reizenden Kostüme von Leni BouerEcsy, nicht festspielwürdig. Schade um die wirklich vorzüglichen Gesangsleistungen der bildhübschen Kanadierin Coiette Boky (Sandrina) und der springlebendigen Graziella Sciutti (Serpetta). Auch Evelyn La Bruce (Don Ramiro) und Jean Cook (Arminda) sehen blendend aus, singen gut, sind aber auf der Bühne recht unbeholfen. Donald Grobe singt mit ausgefeilter Technik und gutem Stilgefühl den Belflore; sein kraftvoller Tenor scheint sich für ein schwereres Fach zu empfehlen. Ähnliches gilt für den fülligen Baß des Amerikaners Thomos Tipton (Nardo). Cesare Curzi singt die Tenorpartie des Podestä vorzüglich, der Verführung zum Klamauk vermag er leider weniger als die anderen zu widerstehen. Bernhard Conz leitete die Aufführung mit viel Routine und wenig Schwung ; kein Wunder, daß sowohl das Mozarteum-Orchester wie das Publikum in dem herbstlich kühlen Residenzhof nicht recht warm wurden.

Wenn man Bedenken hatte, als man erfuhr, daß Günther Rennerts unvergeßliche Inszenierung von „Cosi fem tutte“ ungeachtet der Absage von Elisabeth Schwarzkopf und Christa Ludwig in das heurige Programm aufgenommen werden sollte, so wurden sie durch die Aufführung unter Kart Böhm nur zum Teil entkräftet. Freilich führt Böhm, als Mozart-Dirigent kaum zu übertreffen, das veränderte Gesangs-ensemble mit suggestiver Eindringlichkeit, bringt er mit den Wiener Philharmonikern alle Klanggeheimnisse der Partitur zu wunderbarer Erscheinung; aber wo gibt es schon ein Schwesternpaar, das jenes einzigartige der letzten Jahre ersetzen und vergessen machen könnte! Zum Lob der neuen Besetzung (Fiordi-ligi — Evelyn Lear, Dörabella — Patricia Johnson) sei gesagt, daß sie dem Anspruch des Festspielpublikums, sofern es die ursprüngliche nicht gehört hatte, durchaus genügte. Köstlich wieder Graziella Sciutti als Despina. Hermann Prey (Guglielmo) und Waldemar Kment (Ferrando) konnten an ihre Leistungen der vergangenen Jahre nicht ganz anknüpfen ; Karl Dönch (Don Alfonso) ist als Darsteller dem Sänger überlegen.

Auch die Reprise der vorjährigen „Ariadne auf Naxos“ von Richard Strauss läßt manchen Wunsch unerfüllt. Das ist zum Teil auf widrige Umstände, wie Erkrankungen, Absagen, Umbesetzungen, zurückzuführen, zum andern aber wohl auch auf eine gewisse Sorglosigkeit in der Regie. Das Buffo-Quartett überzeugt heuer noch weniger als im Vorjahr; da ist keine Spur von Hofmannsthalschem Geist und Straussischer Heiterkeit. Hildegard Hülebrecht, eine schöne Bühnenerscheinung und kultivierte Sängerin, ist der Titelrolle durchaus gewachsen, doch auch von ihr kann Christa Ludwig nicht vollgültig ersetzt werden. Lichtpunkte sind Sena Jurinac als ideale Interpretin der Komponistenrolle, Reri Grists federleichte vogelstimmige Zerbinetta, Jess Thomas (Bacchus) mit seinem heldisch schwingenden Tenor und das Nymphenterzett der Damen Schädle, Hellmann, Otto. Vor allem aber Karl Böhms kongeniales Nacherleben des Meisterwerkes von Richard Strauss. Die Wiener Philharmoniker zeigten sich wunderbar inspiriert.

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