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Hebung des Niveaus

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Internationalität ist Trumpf am Zürcher Opernhaus. So sehr, daß man auch den Vergleich mit renommierteren Häusern — zumindest in dieser Hinsicht — nicht zu scheuen braucht. Der Erfolg scheint Dr. Hermann J u c h, dem gebürtigen Wiener, recht zu geben. Der Provinzkomplex, der die Zürcher Oper lange genug verfolgte, gehört endgültig der Vergangenheit an.

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Internationalität ist Trumpf am Zürcher Opernhaus. So sehr, daß man auch den Vergleich mit renommierteren Häusern — zumindest in dieser Hinsicht — nicht zu scheuen braucht. Der Erfolg scheint Dr. Hermann J u c h, dem gebürtigen Wiener, recht zu geben. Der Provinzkomplex, der die Zürcher Oper lange genug verfolgte, gehört endgültig der Vergangenheit an.

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Ein spektakulärer, international besetzter „Lohengrin“ und die „Rigo-!etto“-Inszenierung Otto Schenks setzten neue Maßstäbe. Ganz in diese Richtung zielte auch eine Veranstaltung des Internationalen Operstudios, die kürzlich Werke von Rossini, Krenek und Menotti an einem Abend brachte. Während der Festwochen dirigierte Hans Werner Henze die schweizerische Erstaufführung von „II Re Cervo“ selbst. Einen Hauch von Neu-Bayreuth brachte Hanspeter Lehmann, Wieland Wagners langjähriger Regieassistent, mit seinem „Lohengrin“-Konzept nach Zürich, unterstützt vom Bühnenbildner Jörg Zimmermann. Beide fühlten sich — was sie auch in Interviews bekräftigten — ganz der Romanik verpflichtet. Das Ergebnis war eine ungemein stilvolle Inszenierung, die ohne jeglichen Kitsch (und das will beim „Lohengrin“ etwas heißen!) auskam. Die Geschlossenheit der Inszenierung rief Erinnerungen an Wieland Wagners Wiener Regie wach. Gegenüber Wieland Wagners Riesenornamentik hüllte J. Zimmermann die Bühne in ein dezentes Blau. Die Burg wurde stilisiert. — Der Pole Robert Satanowski musizierte mit dem Tonhalle-Orchester wider Erwarten schwungvoll, gesanglich und darstellerisch überragte Nadezda Kniplowa als Ortrud alle anderen. Die junge Wienerin Gerlinde Lorenz als Elsa, Howard Nelson als Heerrufer legten erfreuliche Talentproben ab. Olof Eliasson in der Titelrolle ist von berühmten Vorbildern noch weit entfernt, Antonin Svorc als Telra-mund und Manfred Schenk als König Heinrich waren mit Eifer bei der Sache.

Abstecher nach Zürich scheint der Oberspielleiter der Wiener Staatsoper, Otto Schenk, zu lieben. Hier „versauern“ ihm keine Cliquen das Dasein. Im Gegenteil, er ist beim Publikum gern gesehener Gast. Schon einmal hatte er mit Verdi — und zwar mit „Falstaff“ — Furore gemacht. Nun gelang ihm mit „Rigo-letto“ ein neuer Triumph. Wie Schenk den Titelhelden Norman Mittelmann (auch sein Fernseh-Jago) darstellerisch führt das ist einfach meisterlich. Hielte bei Mittelmann die Stimme immer das, was die Darstellung versprach: er wäre ein Praoht-Rigoletto. Jon Buzea gab einen sympathischen, nur im Forte manchmal übertreibenden Herzog. Monica Ivan war eine gefühlvolle

Gilda, die leider in der „Caro-nome“-Arie einiges schuldig blieb. Max Röthlisbergers Bühnenbilder schwelgten leider allzusehr in Naturalismus, Nello Santi am Pult schien diesmal weniger inspiriert als sonst.

Der gleich Maestro, quasi der italienische Hausdirigent der Zürcher Oper, brillierte mit einer mitreißenden Leitung von Puccinis „La Fan-ciulla del West“. Dieses selten gespielte Opus des Meisters ist von großer Theaterwirksamkeit, wenngleich musikalisch harmloser als die offenbar als Vorbild dienende „La Boheme“. Gerry de Groot als Minnie und Glade Peterson als Edelgangster waren diesmal ganz auf Belkanto eingestellt, Ladislau Konya als Sheriff ließ einen stimmgewaltigen Bariton hören. Kurt Erhards Regie wollte den Wilden Westen zähmen, die Bühnenbilder Toni Busingers zauberten Westernatmosphäre auf die Bühne.

Auch bei Dvofäks „Rusalka“ handelte es sich — wie beim Puccini-Werk, um eine Zürcher Erstaufführung. Der Prager Ladislav Stros zauberte im Verein mit seinem Bühnenbildner Max Röthlisberger eine Laterna-magica-Szenerie auf die Bühne. Sehr viel erinnerte an die Realisierung desselben Werkes durch Vaclav Kaslik an der Wiener Volksoper und am Prager Nationaltheater. Musikalisch bemühte sich Armin Jordan um Niveau, reichte natürlich nicht an Jaroslav Krom-holc' mustergültige Interpretation in Prag und Wien heran. Antigone Sgourda schien mit der Titelpartie derzeit noch etwas überfordert, Gejza Zelenay trumpfte als Wassermann stimmgewaltig auf. Eine angenehme Überraschung: der Prinz von Androy Kaposy. Die gemeinsame Erinnerung an bessere „Met“-Zeiten mochte wohl Herbert Graf und Alberto Erede kommen, als sie „Palestrina“ in Zürich erstmals dem Publikum vorstellten. Ihre Pfitzner-Huldigung gelang überzeugend, in der Titelpartie machte Olof Eliasson auf sich aufmerksam.

Einen Höhepunkt gab es zum Abschluß der Saison: während der Jumi-Festwochen dirigierte Hans Werner Henze seine Oper „II re cervo“ selbst. Wie er kurz zuvor der „Weltwoche“ in einem Interview versicherte, erwartete er sich von dieser Aufführung einiges. Denn mit den zwei ersten Fassungen (Berlin

und Kassel) war er nicht recht glücklich gewesen. Nun, auch die dritte Fassung der Oper „II re cervo“ („König Hirsch“) wurde nicht ohne Widersprüche akzeptiert: die recht lahmen „Buhs“, offensichtlich durch eine simple Polemik der neuen Schweizer Musikzeitschrift „Dissonanz“ provoziert wurden von intensiven Bravo-Rufen übertönt. Henze dirigierte das Tonhalle-Orchester temperamentvoll und präzis, so daß man aus dem Staunen kaum heraus kam. Irgend ' etwas“ schieß diesen, Klangkörper ..verwandelt“ zu haben — keine Spür von der üblichen Interesselosigkeit Das Ereignis aber blieb die Inszenierung von Jean-Pierre Ponneile, seit seinem Salzburger „Barbier“ mehr als nur ein Geheimtip unter den jungen Regisseuren. Über drei Stunden hielt Ponneile die Zuschauer in Atem: die Einfälle „sprudelten“ nur so. Seine Bühnenbilder und Kostüme taten ein übriges, um diese' Märchenwelt Gozzis, Cramers und Hernes zu realisieren. Eine Meisterleistung, die man nicht genug rühmen kann. Dazu kam eine Sängerentdeckung: Howard Nelson als böser Statthalter Tartaglia, der laut Henze modernes Musiktheater singt als wär's von Mozart. Renate Lenhart und Andor Kaposy als Liebespaar bemühten sich sehr, auch wenn sängerisch nicht alle Wünsche erfüllt wurden. Ein mit lautem Jubel aufgenommener Opernabend, an dem auch das Ballett Beachtliches zeigte.

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