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Mit Mozart, Rossini und Fioravante

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Das sich über sechs Abende mit drei verschiedenen Werken erstreckende Gastspiel der Kammeroper von Buenos Aires hat Mißvergnügen ausgelöst. Bei den Gästen wohl nicht weniger als beim Publikum. Dieses hat sich unter der Qualitätsmarke „Teatro Colon“ mehr erwartet. Aber in Wirklichkeit handelt es sich um etwas Ähnliches wie unsere Wiener Kammeroper. Dieses Ensemble, das „aus disziplinaren Gründen“, wie es im Programmheft heißt, ausschließlich aus in Buenos Aires lebenden Künstlern gebildet ist, dieses „kleine Colon“ übers große Wasser nach Wien zu holen: hierfür bestand keinerlei Notwendigkeit. — Und die meist jüngeren Künstler, unsere Gäste? Sie sahen sich auf eine Art kritisiert, wie sie es sicher nicht gewohnt sind... F.

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Das sich über sechs Abende mit drei verschiedenen Werken erstreckende Gastspiel der Kammeroper von Buenos Aires hat Mißvergnügen ausgelöst. Bei den Gästen wohl nicht weniger als beim Publikum. Dieses hat sich unter der Qualitätsmarke „Teatro Colon“ mehr erwartet. Aber in Wirklichkeit handelt es sich um etwas Ähnliches wie unsere Wiener Kammeroper. Dieses Ensemble, das „aus disziplinaren Gründen“, wie es im Programmheft heißt, ausschließlich aus in Buenos Aires lebenden Künstlern gebildet ist, dieses „kleine Colon“ übers große Wasser nach Wien zu holen: hierfür bestand keinerlei Notwendigkeit. — Und die meist jüngeren Künstler, unsere Gäste? Sie sahen sich auf eine Art kritisiert, wie sie es sicher nicht gewohnt sind... F.

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Das „Colön“-Kammerensemble startete mit einer Aufführung von Mozarts „Gärtnerin aus Liebe“, für die sich auch kleinere Institute wie die Volksoper genieren müßten. Da wird von Regisseur Martin Eisler

— er wird uns auch als Inszenator der Bregenzer „Holländer“-Premiere angekündigt — als Mozart-Stil ausgegeben, was bloß laut und plump geratene Show ist. Eine unfreiwillige Parodie auf so zauberhaft pointierte Regiearbeiten wie Rennerts „Cosi fan tutte“ etwa ... Eine peinliche Mischung aus Halbheiten, Unzulänglichem, Dutzendklamauk... Von einem Mozart-Ensemble keine Spur. Und auch Roberto Oswalds dekorative Rokokobühnenbilder können da nichts kaschieren. — Von quälender Langeweile sind vor allem die Sängerleistungen: Schöne Stimmen gibt es nicht. Kaum eine strahlt Glanz, weiches Timbre, eine persönliche Note aus. Gesangskultur ist ein Fremdwort. Ganz zu schweigen davon, wie Mozarts schwierige Koloraturen irgendwie in Beiläufigkeiten versickern. Um die Negativa zu komplettieren, läßt man dazu auch noch das Budapester Postäs-Sympho-nieorchester aufspielen. Der höchst bedauernswerte Dirigent, Juan Emi-lio Martini, hat mit diesem Musikerteam seine liebe Not. Soviel schlampige Einsätze, falsche Töne, verzerrte Tempi, kurz: einen so dilletan-tisch dargebotenen Mozart haben wir an der Wien noch nie vorgesetzt bekommen. K. H. R.

Von den 39 Opern Rossinis wurden insgesamt 31 — meist unmittelbar oder bald nach ihrer Uraufführung

— auch in Wien gegeben. „La scala di seta“, von 1812 die sechste in Rossinis Werkkatalog, kam sehr spät nach Wien, und zwar erst 1969 durch die Wiener Kammeroper. — Nun sahen wir diese „Farce in einem Akt und drei Bildern“ vom Colön-Kammerensemble interpretiert. Es geht in dem Libretto Giuseppe Fop-pas um das hübsche Mündel eines reichen Mannes, das dieser mit einem standesgemäßen Mann verbinden will, das aber in Wirklichkeit schon verheiratet ist, und heimlich muß der Ehemann nachts eine eeidene Leiter benützen, um zu seiner Frau und Geliebten zu gelangen.

— Daraus ergeben sich allerlei

komödiantische Komplikationen, die Rossini mit einer flotten, einfallsreichen, eleganten und graziösen Musik untermalt hat. Die Bühnenbilder — mit viel Rosa — und die Kostüme hat Juan Maria Vasta geschaffen, wobei die ersteren besser gelungen sind. Die Inszenierung durch Con-stantino Nuri war das, Was man konventionell nennt und ohne besondere Kennzeichen. Aus dem Ensemble stach die bildhübsche Giulia der Diana Lopez Esponda (als Mündel) mit einem schönen, genügend starken und geschmeidigen Sopran hervor, aber auch Josef Natt als Ehemann Dorvil sowie Evelina Iacanut-ti, Angela Matiello und Ricardo Ca-tera können sich, bei bescheidenen Ansprüchen, hören lassen. Das Postäs-Symphonieorchester, Budapest, scheint mit Rossini wenig Erfahrung zu haben. (Das bemerkte man gleich an der wenig brillant ge-

spielten Ouvertüre, die übrigens zu den Lieblingsstücken Toscaninis gehörte.) Enrique Sivieri als Dirigent tat sein Möglichstes, diesen Abend, der übrigens auch den Vorteil der Kürze hatte („Die Seidene Leiter“ dauert mit Pause zwei Stunden) unterhaltsam zu gestalten. H. A. F.

Das Gastspiel des Teatro Colon im Theater an der Wien brachte am dritten Abend die Opera buffa „Le cantatrici villane“ von Valentina Fioravanti. Der 1764 geborene Komponist studierte in Rom Musik, leitete 15 Jahre in Lissabon das Theater San Carlo und ging 1816 als Domkapellmeister von St. Peter nach Rom. Von seinen zahlreichen weltlichen und sakralen Werken machte ihn am populärsten seine nicht nur in Italien, sondern in ganz Europa aufgeführte Oper „Le cantatrici villane“. Fioravanti schreibt eine liebenswürdige, nicht übermäßig einfallsreiche Musik, die sich manchmal einen gewissen Donizetti-Anstrich gibt; als Bestes enthält sie hübsche Ensembles. Das Libretto Giuseppe Palombas behandelt die Geschichte dreier einfacher Dorffrauen, die sich in den Kopf gesetzt haben, große Sängerinnen zu werden, und in dieser Einbildung von ihren zwei Galans, dem eitlen Musiklehrer Don Bucefalo und dem Cembalospieler Don Marco, unterstützt werden. — Von den Darstellern verdient an

erster Stelle Silvia Baleani als Rosa genannt zu werden. Sie besitzt einen wendigen, leicht und locker geführten Sopran mit Koloraturbegabung, dem nur eine etwas scharfe Höhe Eintrag tut. Als eifersüchtige Rivalinnen dieser ländlichen Primadonna fügten sich Susanna Rouco (Sopran) und Tatiana Zlatar (Mezzo) gut in das Ensemble ein. Die tiefein Männerstimmen der Herren Matiello und Tomaselli (Bucefalo und Marco) wiesen keine besonderen Qualitäten auf, dem Tenor Jose Nait (Carlino) stand ein kleines, lyrisches Material zur Verfügung, das er zufriedenstellend verwertet. Am Dirigentenpult bemühte sich Enrique Sivieri, aus dem Budapester Postas-Symphonie -Orchester — ein sehr guter Oboist ließ sich hören — das Bestmögliche herauszuholen, aber diesen wenig exquisiten Klangkörper zu einem guten Begleitorchester zu erziehen, fiel dem nicht sehr impulsiven Dirigenten gewiß nicht leicht. Der Regisseur Constantino Juri wird im Programmheft als Spezialist für opere buffe angeführt, seine lebendige Inszenierung ließ diese Angabe als zu Recht bestehen. Sehr hübsch das Bühnenbild und die Kostüme Germen Gelpis. Das ausverkaufte Haus spendete freundlichen, aber nicht übermäßigen Beifall für ein Gastspiel, dem man mit größeren Erwartungen entgegengesehen hatte.

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