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Das Wetter spielte erfolgreich mit

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Mit weit mehr als 50.000 Zuschauern bei den beiden Seeaufführungen der heurigen 30jährigen Jubiläumsfestspiele in Bregenz wurde ein seit vielen Jahren nicht mehr verzeichneter Besucherrekord am Bodensee erreicht. Während von den neun Vorstellungen der komischen Oper „Eine Nacht in Venedig' 'von Johann Strauß nur eine — nämlich die Premiere — ausfiel, gingen die sechs Aufführungen des Balletts „Der Korsar“ von Adolphe Adam unbeeinflußt von Wetterlaunen über die Seebühne. Lediglich am letzten Abend begannen zwischen dem deutschen Lindau und dem schweizerischen St. Margarethen Blitze zu zucken und Donner zu grollen, ohne daß sich aber über dem. Festsptelgelände die Wasserschleusen öffneten. Also kamen tausende wochenendlich gestimmte Zuschauer ungestört in den Genuß des Ballett-Spektakels. Mit seiner farbig nuancierten Inszenierung und musikalisch inspirierten Choreographie — sie wußte nur in dem zu lang geratenen Entree der Dryaden beim Traum der Waldnymphen nicht völlig zu überzeugen — hat Wazlav Orlikowsky eine mitreißende Aufführung des Werkes erzielt; dessen Schwäche lediglich im schleppenden dramaturgischen Aufbau liegt. Dabei übertreffen die Walzer und Tänze zuweilen sogar die romantisch-schimmernde Brillanz der Töne, mit denen Adolphe Adam seine berühmter gebliebene „Giselle“ durchdrang.

Die kleinen Fehler dieses Balletts, das bei uns kaum bekannt ist und während der letzten Dezennien nur in der östlichen Hemisphäre zu sehen war, aber wurden wettgemacht durch einen wahren Rausch von Bewegung, Licht und Kostümen, an deren Gestaltung der Schweizer Architekt Toni Businger entscheidenden Anteil hatte. Der allabendliche spontane Beifall galt der nur von Scheinwerferlicht stimulierten Vision einer türkischen Stadt. Mit ein paar Halbmonden, golden glänzenden Kuppeln und Palmen verwandelte er Campanile und Palazzi aus „Eine Nacht in Venedig“ in Minarette und Serails von maurischem Kolorit. In diesem prächtigen Rahmen, zu dem auch noch eine malerisch aufgetakelte Piratenkogge auf den Bodenseewellen gehörte, erlebten wir Freud und Leid der jungen und schönen griechischen Sklavin Medora und des von ihr geliebten Corsaren Conrad, dem sie nach mancherlei Abenteuern in den Haremsgemächern eines Paschas und bei den Seeräubern schließlich doch angehört. Für die tänzerische Verwirklichung dieser romantischen Vision von Lord Byron sorgten mit guter Beherrschung aller Phasen klassischer Ballettkunst Solisten, Koryphäen und das disziplinierte Corps de ballet des Kroatischen Nationaltheaters in Zagreb. Leider ließen Maße und Distanzen der weitausladenden Bühne manche Feinheiten und Nuancen verloren gehen, was jedoch die Leistung der Primaballerina Vesna Butorac als griechische Sklavin Medora und ihrer verschiedenen Solopartner nicht im geringsten schmälern soll. Pirouetten, Battements und Sprünge dieser Künstlerin wurden mit artistischer Verve exekutiert. Männliche Kraft und tänzerische Geschmeidigkeit bewiesen Mladen Drakulic und Marin Turku als die zu Nebenbuhlern werdenden Korsaren Conrad und Berbando an ihrer Seite. Niksa Baresa hielt straff und nervig die Wiener Symphoniker mit den weit über Bühne und Seeufer verstreuten Gruppen und Massenszenen klangvoll zusammen.

Die seit den Zeiten des zu früh verstorbenen Sängers und Regisseurs Marcello Cortis zur Tradition gewordene und von Festspieldirektor Professor Bär gepflegte italienische Opernstagione hatte heuer mit der Aufführung von Gaetano Donizettis opera buffa „Don Pasquale“ einen vergnügten Opernabend beschert. Beppe De Tomasi hatte ihn in dem auf das Komische gerichteten Sinn zubereitet. Wofür ihm Antonio Mastromatei einen gleichgestimmten dekorativen Rahmen sowie die Kostüme an der Schwelle von Rokoko und Empire erstellte. Maestro Carlo Franci gab am Dirigentenpult mit den Wiener Symphonikern den Weisen Donizettis Glanz und Feuer sowie den gewichtigen Stimmen der Interpreten sicheren Halt. Eine entzückende Novität in diesem Reigen italienischer Gesangskunst war die soubrettenhaft kapriziöse Daniela Mazzucato; sie stattete die Norina mit weiblichem Charme aus. Mit der Vitalität eines Vollblutkomödianten, der seine vis comica stets gern etwas dicker aufträgt, brillierte Giuseppe Taddei in der Titelpartie. Baritonale Noblesse steuerte mit animiertem Spiel Alberto Rinaldo als Dottore Malatesta bei. Vittorio Terranova verbreitete tenoralen Schmelz in der Gestalt von Don Pasqquales Neffen Ernesto.

Den szenisch-musikalischen Abschluß bot dann die Aufführung eines selten gespielten Mozavtschen Frühwerkes „La finta semplice“ nach einem Text von Carlo Goldoni in der anheimelnd intimen Atmosphäre des Hofes vom gräflichen Palast zu Hohenems. Die Camerata Academica des Mozarteums in Salzburg unter Reinhard Schwarz war um eine möglichst authentische Wiedergabe des Mozartschen Tonreigens bemüht. In den luftigen Dekorationen von Karlheinz Miltner und den hübschen Kostümen von Maria Luise Walek ließ Regisseur Karlheinz Haberland südländische Heiterkeit aufkommen. Die jungen Stimmen von Vicki Hall, Adela Haas und Robin Craver waren ihm dabei ebenso erfolgreiche Helfer wie die Gesangskunst ihrer männlichen Kollegen Artur Korn, Richard van Vrooman, Ernst Gerold Schramm und Walter Kräutler.

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